Während in der Benetton-Filiale und dem "Marktkörble" am Buchhornplatz bereits Ende Dezember alle Regale leer sein müssen, läuft der Ausverkauf im Gabor-Schuhladen in der Wilhelmstraße und in der Buchhandlung See-Verlag in der Karlstraße bis Ende Januar. Alle vier Geschäftsaufgaben erfolgen nach Angaben der Inhaber "altersbedingt".

Irmgard Hirschs Augen leuchten immer noch, wenn sie von ihrem großen Traum erzählt. Vor 16 Jahren hat sich die einstige Sekretärin mit einem Schuhladen in ihrer Heimatstadt Murrhardt im Rems-Murr-Kreis selbstständig gemacht, sechs Jahre später in Friedrichshafen expandiert. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, volontiert, mich intensiv vorbereitet und dann diesen Schritt gewagt", sagt sie, "die Häfler haben uns hier sehr gut aufgenommen." Während andere Frauen in ihrem Alter längst in Rente sind, steht sie Tag für Tag in ihrem Ladengeschäft, berät und bedient gemeinsam mit drei Verkäuferinnen die Kundinnen. Ihr Mann Wolfgang (70 Jahre) macht die Buchhaltung. Doch damit ist zum 31. Januar Schluss. "Es hat immer solchen Spaß gemacht", sagt Irmgard Hirsch", aber nun wollen wir den See genießen, ein bisschen reisen, Sport machen." Einen Nachfolger hat das Ehepaar Hirsch nicht. Die Räume sind gemietet, was mit ihnen passiert, entscheidet der Eigentümer selbst.

Nur wenige Schritte weiter verschwindet bald ein weiteres inhabergeführtes Geschäft. Der See-Verlag in der Karlstraße schließt ebenfalls Ende Januar. 85 Jahre lang gab es an dieser Stelle eine Buchhandlung, seit 21 Jahren wird sie mit viel Herzblut und Leidenschaft von Uschi Kosemund geführt. Auch Kosemund hat das gesetzliche Renteneintrittsalter bereits überschritten. Nach einem Nachfolger hat sie erst gar nicht gesucht. "Das kann man im Grunde niemanden mehr zumuten", sagt sie, "es hat so viel Spaß gemacht und war eine tolle Zeit, aber sie ist nun vorbei." Ihre Mitarbeiterinnen nimmt sie alle mit in den Ruhestand. Und wo nun jahrzehntelang Bücher verkauft wurden, gehen bald Designerklamotten und Accessoires über den Tisch. Sandra Weiß wird, die seit drei Jahren in unmittelbarer Nähe die Boutique "Louise" führt, wird sich dort vergrößern.

Und auch am Buchhornplatz stehen zwei Veränderungen an: Wie bereits Ende Oktober bekannt wurde, räumt das Ehepaar Doreen und Peter Biringer ihre Benetton-Filiale, die sie seit 1993 geführt hat aus Altersgründen. Wer die Gewerbefläche in 1a-Lage übernimmt, ist derzeit allerdings noch unklar. Gegenüber, wo derzeit noch das "Marktkörble" mit Rabatten wirbt, gibt es statt Geschirr und Weihnachtsdeko bald Damenoberbekleidung und Unterwäsche.

Für Thomas Goldschmidt, Leiter des Stadtmarketings, bieten diese Veränderungen in der Häfler Innenstadt keinen Anlass zur Sorge. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass alles adäquat vermietet wird", sagt er. Auch inhabergeführte Geschäfte könnten sich in der Regel marktgerechte Mieten noch leisten. In der Tat zeigt der Vergleich des IHK-Gewerbemietspiegels von 2011 und 2015 im Vergleich, dass sich die Ladenmieten in den letzten Jahren auf dem gleichen Level bewegt haben (siehe Erklärtext). Fakt ist aber auch, dass sie mit bis 45 Euro/Quadratmeter in 1a-Lage zu den teuersten in der ganzen Region gehören. Allerdings ist laut IHK auch die Kaufkraft hier immer noch deutlich höher als andernorts. Die Befürchtung vieler Häfler, dass ihre Innenstadt nur aus Billigshops wie KIK oder Ted besteht, teilt Goldschmidt nicht. "Natürlich gibt es Vermieter, für die solche Konzepte sicher und attraktiv sind, aber viele sind sich auch ihrer Verantwortung hier in Friedrichshafen inzwischen bewusst", sagt er.

 

Hohe Marktmieten, Konkurrenz im Netz

Weniger inhabergeführte Geschäfte, mehr Handelsketten – in der Häfler Innenstadt findet – wie in anderen Städten auch – ein Wandel statt. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
  • Ladenmieten
    Anders als bei Wohnungen sind Marktmieten für Gewerbeimmobilien komplett frei verhandelbar. Das heißt, es liegt also im Ermessen des Eigentümers, was er verlangt. Im Durchschnitt lagen die Mieten für Ladengeschäfte laut IHK in 1a-Lagen 2015 zwischen 16 und 24 Euro pro Quadratemeter. Für kleinere Geschäfte unter 100 Quadratmeter Fläche werden bis zu 45 Euro pro Quadratmeter fällig. Insider berichten jedoch von weitaus höheren Mieten und so genannten "Staffelmieten", die jedes Jahr erhöht werden. Das wiederum können sich vor allem noch große Handelsketten leisten. In manchen Fällen gibt es auch eine Umsatzpacht, also eine Miete, die sich nach dem Umsatz richtet.
  • Kaufkraft
    Laut Berechnungen der IHK ist die Kaufkraftkennziffer der Häfler (Kennziffer 106,9) überdurchschnittlich hoch. Zudem kaufen viele auswärtige Besucher (Kennziffer 140,6) in der Häfler Innenstadt ein. Friedrichshafen steht im Vergleich zu anderen Städten wie Leutkirch, Markdorf, Bad Waldsee oder Wangen überdurchschnittlich gut da. Ravensburg und Überlingen jedoch trumpfen mit noch besseren Zahlen auf.
  • Konkurrenz im Internet
    Das Kaufverhalten vieler Kunden hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert. Die größte Konkurrenz lauert im Internet. Häufig wird die persönliche Kaufberatung in den Geschäften genutzt – und das Produkt in den Läden anprobiert oder angeschaut. Gekauft wird jedoch immer öfter im Netz – zu etwas günstigeren Preisen. Das ist für inhabergeführte Geschäfte bitter, aber Realität. Internethändler können zu günstigeren Preisen anbieten, da sie keine Verkäufer und Berater brauchen, wenig Lagerbestand haben, keine oder geringere Mieten bezahlen.
  • Marode Innenstädte
    Die Situation ist aus Sicht des Einzelhandelsverbands drastisch. "Viele unserer Innenstädte veröden", warnte Einzelhandelchef Josef Sanktjohanser jüngst öffentlich. Als Grund sieht er vor allem, dass die Innenstädte nicht mehr attraktiv genug seien.
  • Einzelhandelskonzept
    In Friedrichshafen gibt es ein Konzept, das zuletzt 2012 fortgeschrieben wurde. Dafür wurden sowohl Passanten, als auch Händler befragt. Auswärtige Besucher bewerten den Handel deutlich positiver als die Häfler selbst.
(sab)