Andrea Fritzf

Das Café Sohm gab es schon 1912. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, wurde es an derselben Stelle wieder aufgebaut. Über dem Eingang steht noch immer „Café Sohm“, obwohl dort heute das Lokal Zeppelinstuben und eine Spielhalle Heimat gefunden haben. 1976 hatte Chu Cheng Vong aus Shanghai im Stockwerk über dem Café das erste chinesische Restaurant im Bodenseekreis eröffnet. Die asiatische Küche mundete den Häflern und in den 80er-Jahren entwickelte sie sich zu einem Trend, der bis heute anhält. Herr Chu hatte eine Karte mit 160 chinesischen Speisen.

1980: So hat man in den 80er-Jahren in der Mandarin-Stuben über dem Café Sohm in der Riedleparkstraße gespeist. 160 chinesische Gerichte ...
1980: So hat man in den 80er-Jahren in der Mandarin-Stuben über dem Café Sohm in der Riedleparkstraße gespeist. 160 chinesische Gerichte standen auf der Speisekarte. | Bild: Familie Sohm

Als Teenager aß Maximilian Sohm erstmals Schweinefleisch süß-sauer

„Das waren natürlich alles Gerichte, die auf den deutschen Geschmack abgestimmt waren“, erinnert sich Maximilian Sohm, Sohn des Hausbesitzers und Wirts der Zeppelinstuben Walter Sohm. Als Teenager probierte Maximilian Sohm zum ersten Mal Schweinefleisch süßsauer. „Das esse ich noch heute gern.“ Aber Herr Chu habe in seiner Küche, die nur durch das Treppenhaus von der Wohnung der Sohms getrennt war, auch original chinesische Gerichte zubereitet.

Frittierte Hühnerfüße wollte er aber nicht probieren

„Er wollte immer, dass ich frittierte Hühnerfüße probiere.“ Maximilian Sohm lacht und schüttelt den Kopf. Die hat er auch beim heutigen Pächter noch nicht gegessen. Herr Zhang vom Restaurant Peking bietet nämlich auch original chinesische Gerichte an.

1969: Maximilian Sohm war noch ein Teenager auf Rollschuhen, (hier vor dem Eingang zum Café Sohm) als er das erste Mal chinesisch ...
1969: Maximilian Sohm war noch ein Teenager auf Rollschuhen, (hier vor dem Eingang zum Café Sohm) als er das erste Mal chinesisch gegessen hat, denn von der Küche vom ersten chinesischen Restaurants im Bodenseekreis hat ihn nur das Treppenhaus getrennt. | Bild: Familie Sohm

Walter Sohm passte sich seiner multikulturellen Kundschaft an

Walter Sohm war ein Meister der schwäbischen Küche, alles war selbst gemacht – sogar die Pommes. „Auf dem Herd stand immer ein Topf Brühe, aus der er die Soßen gemacht hat“, erinnert sich Simona Sohm. Aber er habe sich auch dem Geschmack seiner multikulturellen Kundschaft angepasst. So habe er zum Beispiel „Schnitzel Papagallo“ auf die Karte genommen, obwohl das Schnitzel in Kokospanade viel Arbeit machte. „Wenn das jemand bestellt hat, hat man ihn in der Küche fluchen hören“, erinnert sich Maximilian Sohm.

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In den 80ern kamen viele Lokale mit ausländischen Spezialitäten hinzu

Mit den Gastarbeitern kamen fremde Speisen und Fast Food in die Stadt und in den 80ern ging man oft und gern essen. Die Häfler waren neugierig auf neue kulinarische Genüsse. Zuerst eröffnete die Pizzeria Bella Napoli und bei der Caritas, oben im ehemaligen Tanzsaal vom Café Sohm, wo später das China-Restaurant einzog, belegten spanische Gastarbeiter schon früh Brote mit dem Inhalt riesiger Thunfischdosen.

Wo heute das El Bocado ist, gab es einen Wienerwald, in der Fußgängerzone ein Nordsee-Restaurant und am Imbiss auf dem Buchhornplatz bekam man Pommes und Schaschlik. Im Panzerhochhaus war das Restaurant Dubrovnik, wo man Jugoslawisch essen konnte, und in der Olgastraße hatten Griechen das „Poseidon“ eröffnet. Beim Klosterwirt habe man Couscous bekommen.

2020: Noch heute steht „Café Sohm“ über dem Eingang zu jenem Lokal, das die Großeltern von Maximilian Sohm 1912 in der ...
2020: Noch heute steht „Café Sohm“ über dem Eingang zu jenem Lokal, das die Großeltern von Maximilian Sohm 1912 in der Riedleparkstraße eröffnet haben. | Bild: Andrea Fritz

Walter Sohm kochte mittags für Berufsschüler Spaghetti Bolognese

Auch Walter Sohm hatte einen Couscoustopf gekauft, damit französische Soldaten und Gastarbeiter etwas Nestwärme in der „Zeppelinstuben“ finden konnten. Mittags kochte er für Generationen von Berufsschülerin Spaghetti Bolognese. Zu ihm kamen Italiener, Spanier, Franzosen, Jugoslawen und Türken. Walter Sohm stand bis zum 70. Lebensjahr in seiner Küche und bekochte sie alle. Er sprach vier Fremdsprachen und hatte sogar an Heiligabend für all die Menschen geöffnet, die ohne Familie waren.

Guter Ruf des Cafés litt unter der Weltoffenheit des Wirts

Auch wenn der Pfarrer und die Nachbarn immer gern gekommen sind: Der gute Ruf, den das Café Sohm noch vor dem Krieg hatte, als Zeppeliner dort verkehrten, litt unter seiner Weltoffenheit. „Mein Papa hat mir sogar verboten, ins Café Sohm zu gehen“, erinnert sich Simona Sohm. Zum Glück habe sie nicht auf ihn gehört.