Als Fritz Günther im Winter 1997 zunächst als Leihpilot bei der Zeppelin Luftschifftechnik (ZLT) anheuerte, dachte er nicht im Traum daran, dass der Zeppelin NT ihn für den Rest seines Berufslebens in den Bann schlagen würde. Wenige Wochen zuvor, exakt am 18. September, war das Luftschiff Neuer Technologie (NT) erstmals abgehoben. Der Jungfernflug des Prototypen gelang, der einst in Friedrichshafen entwickelte „Gigant der Lüfte“ war neu belebt. Doch noch lagen 600 Stunden Flugerprobung vor dem Team, bis die Zulassung des Zeppelin NT in Aussicht stand.

Heute scheint diese aufregende Phase für die „Zeppeliner“ in weiter Ferne. Seit nunmehr 25 Jahren fliegen die Luftschiffe wieder über die Lande, weltweit. „Eigentlich hatte ich nur drei Jahre für die Testflüge bis zur Zulassung eingeplant. Jetzt sind es fast 25“, erzählt Fritz Günther schmunzelnd, der damals schon viel Erfahrung am Steuer von Prallluftschiffen hatte. Bevor er im November 1998 aber einen festen Vertrag in Friedrichshafen unterschrieb, habe er lange überlegt, ob er weiter Luftschiffpilot oder Flugzeugkapitän sein will. Die Wahl fiel auf den Zeppelin, weil es „die coolste und anspruchsvollste Art“ der Fliegerei sei.

Er wurde der dritte Pilot, der sich nach Scott Danneker und Dominique Manière Zeppelin-Kapitän nennen durfte. Alle drei waren damals in die Entwicklung des Betriebskonzepts für Passagierflüge eingebunden, die am 15. Januar 2001 starteten. Heute ist der 59-Jährige nicht nur Chefpilot, sondern auch Flugbetriebsleiter der Deutschen Zeppelin Reederei (DZR), die die Luftschiffe betreibt. Und er bildet Luftschiffpiloten aus.
Abenteuer Zeppelin
Ein Stück weit abenteuerlich sei Zeppelinfliegen bis heute, erzählt Fritz Günther. Neben den Rundflügen am Bodensee haben die Luftschiffe viele Gastspiele in Metropolen dieser Welt gegeben. Der logistische Aufwand ist nicht nur deshalb groß, weil immer ein Ankermast-Fahrzeug mitreisen muss und vor Ort ein geeigneter Landeplatz klar gemacht werden muss. Nur ein Beispiel: Zwei Jahre lang habe es gedauert, bis die DZR das Recht bekam, über Mailand zu fliegen. „Und dann fliegst du in 300 Meter Höhe über der Metropole, was sonst außer Polizei und Rettungsdienst keiner darf. Das ist schon cool.“
Wo er mit den Zeppelinen schon überall war, bekommt Fritz Günther so aus dem Stegreif kaum noch zusammen. Das reicht von Tokio oder Osaka in Japan über die deutschen Großstädte wie Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt bis hin zu den europäischen Metropolen wie London, Prag oder Kopenhagen. Und hört in Amerika mit Stopps in San Francisco, Los Angeles oder 400 Kilometer südlich des Polarkreises nicht auf. Fritz Günther hat aber auch ab 2005 in Afrika mit dem Prototyp des Zeppelins nach Diamanten gesucht, „sechs Wochen dort, sechs Wochen zuhause, und das über anderthalb Jahre“, erzählt er. Ein Job, der nur funktioniere, wenn die Familie mitzieht. „Das Glück habe ich“, sagt er.
Viehhütten mit Hightech-Dach
Und er kann fantastische Geschichten erzählen. Zum Beispiel die, wo ein großer Teil der riesigen Zeppelinhülle des Prototypen abgeblieben ist. Die „Friedrichshafen“ ankerte Mitte 2007 auf ihrer Diamanten-Mission in Botswana am Mast, als eine Windhose das Luftschiff erfasste und schwer beschädigt. „Wenn man heute durch die Kalahari-Wüste fährt, findet man bestimmt noch Unterstände für Schafe oder Ziegen, die mit der Hightech-Folie überdacht sind“, berichtet Fritz Günther.

Afrika war der erste Großeinsatz als fliegende Plattform, dem viele Weitere folgten – ob in wissenschaftlicher Mission für das Forschungszentrum Jülich, bei der Überwachung aus der Luft beim Kirchentag in Köln oder in Seattle, wo Orcas gezählt wurden. „Wir sind leise und langsam. Der Schatten hat eine Walform. Die Tiere werden so nicht aufgeschreckt und tauchen gleich wieder ab“, beschreibt der Pilot, warum das eben nur mit einem Zeppelin so gut funktioniert.

Wie viele Flugstunden er seither absolviert hat, weiß Fritz Günther nicht mehr so genau. Vor drei Jahren habe er aufgehört zu zählen. Rund 9000 dürften es allein auf den Zeppelinen sein. Fliegen will er Luftschiffe noch, so lange er darf. Mit 65 dürfen Piloten gewerblich nicht mehr in die Luft. „Das sind noch sechs Jahre und drei Monate“, sagt er mit dem Blick auf sein Handy.
An diese Entwicklung der Luftschifferei hätte wohl kaum einer geglaubt, auch er nicht. Noch 2001 sei er fest davon überzeugt gewesen, dass der Zeppelin NT niemals nördlich der Donau unterwegs sein würde. „Ich habe mir nicht im Ansatz vorstellen können, dass wir ein paar Jahre später in Japan unterwegs sind oder Luftschiffe in die USA verkaufen.“ Als die DZR dann Passagierflüge anbot, war die Skepsis groß, ob sich der Run auf die Tickets nicht nach drei, vier Jahren totläuft. Mitnichten: Die Passagierzahlen haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Der Zeppelin NT hat sich in Friedrichshafen etabliert. „Das war 1997 so nicht absehbar“, sagt Fritz Günther voller Stolz.