Wie macht man weiter, wenn Schicksal hart zuschlägt? Diese drei Menschen wissen es. Aribert Martin, Diana Müll und Jürgen Vietor waren bei einem Ereignis dabei, das in die Geschichte einging: bei der Entführung der ‚Landshut‘. 45 Jahre ist es her, dass vier palästinensische Terroristen den Ferien-Flieger kaperten, der auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt war.
Fünf Tage lang waren 86 Passagiere und fünf Crewmitglieder in der Gewalt der Entführer – bis die Spezialeinheit GSG-9 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu die Maschine stürmte. Kapitän Jürgen Schumann wurde von den Terroristen ermordet, drei Geiselnehmer wurden von den Spezialkräften bei der Rettung getötet. Wie geht man mit solchen Erlebnissen um?

Die drei Zeitzeugen sind nach Friedrichshafen gekommen, um Schülerinnen und Schülern des Karl-Maybach-Gymnasiums von ihren Erfahrungen zu berichten: Geschichte hautnah erzählt. Der einstige Lufthansa-Flieger steht in einem Hangar am Bodensee-Airport. Es ist das erste Mal, dass die Bundeszentrale für politische Bildung einen Workshop hier an der „Landshut“ anbietet. Weitere Veranstaltungen könnten folgen.
Aribert Martin: „Reden bringt nichts“
Aribert Martin war Teil des Sondereinsatzkommandos GSG-9. Er stürmte die Maschine, befreite die Geiseln: Ein Einsatz, der ihn leicht sein Leben hätte kosten können. „Ich hatte Schiss“, sagt er noch heute. Wie also geht er mit schwierigen Situationen um?
„In der Natur finde ich Kraft“, erzählt Martin, der gerne zur Jagd geht. Dabei – und in allen anderen Lebenslagen – geht er nach einem Schema vor. Zunächst gelte es, eine Situation zu bewerten – und dann zu handeln. So hat er auch in der Spezialeinheit gehandelt. „Ewiges Rangieren, langes Zerreden, das alles bringt nichts“, sagt Martin. „Treffen Sie selbst Entschlüsse – und warten Sie nicht auf Mama oder Papa, dass die das für Sie tun.“ Durch Eigeninitiative finde man Stärke auch in problematischen Lagen.
Diana Müll: „Lasst euch helfen!“
So eine Entscheidung hat Diana Müll getroffen. Sie war zum Zeitpunkt der Entführung erst 19 Jahre alt. Sie hatte den Trip nach Mallorca damals bei einem Schönheitswettbewerb gewonnen. Auf dem Flug nach Hause dann die Entführung: Die Todesangst, die Hilflosigkeit, der bestialische Gestank an Bord, all das traumatisierte sie. Stürzte sie in eine tiefe Krise.
„Das hat mir zehn Jahre meines Lebens geklaut“, sagt Diana Müll heute. Trotz allem handelte sie. Sie suchte sich Hilfe – auch, weil es Menschen in ihrem Umfeld gab, die ihr dazu rieten. Heute empfiehlt sie selbst Betroffenen, denen es schlecht geht: „Sucht einen Therapeuten auf, sonst geht das nach hinten los.“ Diana Müll vermutet: „Ohne Hilfe hätte ich mir das Leben genommen.“ Sie ergänzt: „Anders als in den 70ern wird es einem heutzutage leichter gemacht.“ Es gebe viel mehr Angebote.
Jürgen Vietor: „Ich hatte Glück“

Jürgen Vietor, damals Co-Pilot der Landshut, ist sich selbst nicht sicher, wie er Krisen übersteht. „Ich glaube, ich bin einfach resilient.“ Bis vor zehn Jahren habe er das Wort noch gar nicht gekannt, sagt er. Erst als sich ein Forscher mit ihm darüber unterhalten wollte, habe er den Begriff kennengelernt. „Er wollte rausfinden, ob man das lernen kann, resilient zu sein“, sagt Vietor. Ob das nun geht, weiß er allerdings nicht. „Aber ich hoffe es.“
Klar ist aber: Jürgen Vietor hat sich von den Ereignissen der Entführung nicht unterkriegen lassen. Noch im Jahr seiner Befreiung ist er wieder ins Cockpit eines Flugzeugs gestiegen – und war bis ins Jahr 1999 als Pilot aktiv. Der Rest des fünfköpfigen Crew flog nicht mehr. Kapitän Jürgen Schumann wurde von den Terroristen ermordet, die drei Stewardessen quittierten laut Vietor den Dienst. Er sagt: „Dass ich gut mit der Situation klargekommen bin, ist auch einfach Glück.“

Einen weiteren Rat hat Diana Müll. „Man muss das Schicksal annehmen.“ Damit zu hadern nütze nichts. Zwar wirkt das Trauma von damals noch immer in ihr. „Für mich sind keine 45 Jahre seit der Entführung vergangen. Es fühlt sich an, als wäre das gerade erst geschehen.“ Dennoch hat sie gelernt, damit zu leben: Sie kann sogar in die „Landshut“ steigen – und Menschen Mut machen.
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