Bundesweit fehlen gemäß einer Bertelsmannstudie etwa 430.000 Kita-Plätze. Auch am Bodensee spitzt sich die Situation zu: Der Kindergarten in Fischbach hat Ende April seine Pforten für eine Woche geschlossen, wie die Leserzuschrift einer betroffenen Mutter, Marie Manto, zeigt. „Unlängst erreichte uns Eltern des Kindergartens Fischbach ein Elternbrief, in dem die kurzfristige Schließung der Gruppen für über Dreijährige wegen krankheitsbedingter Personalausfälle für eine Woche angekündigt wurde“, heißt es darin. „Das bedeutet für uns Eltern, dass wir kurzfristig eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit für unsere Kinder finden müssen und das für ganze zwei Wochen. Bei den meisten Familien sind doch beide Elternteile berufstätig, mal eben freinehmen oder Urlaub einreichen ist nahezu unmöglich“, schreibt die Mutter weiter.

Betreuung wird reduziert

Mit diesen Sorgen ist sie nicht allein – auch die Kita beim Klinikum in Friedrichshafen reduziert aufgrund von Personalmangel bis September die Betreuungszeiten. In der Kita werden rund 80 Kinder betreut. In einem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, informiert die Kitaleitung die Eltern darüber. „Wir werden im gesamten Haus die Betreuungszeit auf 45 Stunden reduzieren.“ Heißt: Jeden Mittwoch um 13 Uhr schließt die Kita beim Klinikum ab sofort und bis September ihre Türen.

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Die reduzierten Betreuungszeiten erfolgten laut Kitaleitung aufgrund von Personalmangel. Zudem möchte die Leitung den Kita-Betreuerinnen eine kinderfreie Vorbereitungszeit einräumen.

Eine Gruppe von Eltern hat sich an den SÜDKURIER gewandt. Eine Mutter möchte anonym bleiben, da sie befürchtet, dass ihr Kind durch den Schritt an die Öffentlichkeit künftig Nachteile bei der Betreuung erfahren könne. Sie berichtet, dass die Information über den verkürzten Tag die Eltern erst gut zwei Wochen zuvor erreicht habe. „Wir wurden vorab nicht ins Boot geholt und mussten uns innerhalb von kürzester Zeit auf die neue Betreuungssituation einstellen“, sagt sie im Gespräch.

„Vor vollendete Tatsachen gestellt“

Weiter sagt sie, dass sie auf die Ganztagesbetreuung angewiesen sei, da sie und ihr Mann Vollzeit berufstätig sind. „Nicht jede Familie hat Großeltern in der Nähe. Etliche Alleinerziehende und Eltern, die beide Vollzeit arbeiten, leiden darunter. Wir haben aktuell keinerlei Perspektive, wie es weitergehen wird.“

Daniel Hakansson ist der Vater eines Vierjährigen. Ihn ärgert, dass die Kita kurzfristig die Betreuung reduziert hat.
Daniel Hakansson ist der Vater eines Vierjährigen. Ihn ärgert, dass die Kita kurzfristig die Betreuung reduziert hat. | Bild: Kley, Denise

„Fühlen uns alleingelassen“

Die reduzierten Betreuungszeiten sind frustrierend für die Eltern, wie Daniel Hakansson, Vater eines Vierjährigen, welcher in der Kita beim Klinikum betreut wird, ebenso feststellt. „Wir haben die Kita beim Klinikum aus dem Grund ausgesucht, da uns eine Ganztagesbetreuung zugesichert wurde. Meine Frau und ich sind beide in Vollzeit berufstätig – wir sind darauf angewiesen, dass die Kita der Ganztagesbetreuung nachkommt“, sagt der Vater. „Zumal sich die Stadt Friedrichshafen auf die Fahnen schreibt, eine familienfreundliche Stadt zu sein.“

So zeichnete der Verein Netzwerk Familie Baden-Württemberg die Stadt Friedrichshafen im Juni 2023 als „Familienbewusste Kommune Plus“ aus. Im Rahmen der Zertifizierung wurde unter anderem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geprüft.

Derzeit scheint die Stadt aber weit davon entfernt, ihren Bürgern diese Vereinbarkeit zu gewährleisten, wie auch Marie Manto im Leserbrief weiter ausführt: „Wir Eltern fühlen uns alleingelassen von der Stadt Friedrichshafen, die es zwar schafft, eine tolle neue Kita zu bauen, aber nicht für ausreichend gutes Personal sorgen kann.“

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Was sagen die Träger?

Was sagen die Verantwortlichen zu der Misere? Die Leitung der Kita am Klinikum verweist auf unsere Anfrage hin direkt an den Träger, die evangelische Kirche. Dekan Reimar Krauß sagt auf Nachfrage, dass man den Ärger der Eltern nachvollziehen könne. Jedoch: „Vorhandenes Personal ist bei uns durch besonderen Einsatz bereit, auftretende personelle Lücken zu schließen. Jetzt aber ist der Punkt erreicht, an dem wir die Kinder mit dem vorhandenen Personal nicht mehr im gewünschten Umfang betreuen können, ohne unsere Obliegenheiten gegenüber den Kindern zu verletzen und weiteres Personal durch Überlastung zu verlieren. Deshalb haben wir uns entschlossen, die Einrichtung am Mittwochnachmittag zu schließen. Wir wissen, dass wir den Eltern damit viel zumuten.“ Was zur Frage führt: Wie viel Betreuungspersonal müsste denn neu eingestellt werden, damit die Betreuung in der Kita beim Klinikum wieder vollumfänglich gewährleistet wird? Hierzu sagt Krauss: „Die fehlenden Stellenprozente kann ich nicht genau beziffern, es sind jedoch eine Menge.“

Dekan Reimar Krauß
Dekan Reimar Krauß | Bild: Stadt Friedrichshafen I SK-Archiv

Nachgefragt bei der Stadt Friedrichshafen, die als Trägerin von zehn Kindergärten in Friedrichshafen, darunter dem Kindergarten Fischbach, fungiert: Wie viele Stellenprozente sind denn an jenen Häfler Betreuungseinrichtungen insgesamt vakant? Auch hier ist die Antwort ausweichend. Derzeit seien mehrere Stellen ausgeschrieben. „Die Stadt Friedrichshafen bemüht sich, sowohl Fachkräfte für den Kindertagesbereich zu gewinnen als auch für viele andere Berufe der mehr als 50 Bereiche, die es bei der Stadt Friedrichshafen gibt“, so eine Sprecherin der Stadt.

60 Vollzeitkräfte fehlen stadtweit

Der Elternbeirat der Kita beim Klinikum hat konkretere Zahlen zu bieten und berichtet von einem runden Tisch mit der Trägerschaft. In einem Schreiben des Beirats an die Eltern, das der Redaktion vorliegt, heißt es: „Die Personalsituation im gesamten Raum Friedrichshafen ist mehr als angespannt – es fehlen derzeit stadtweit rund 60 Vollzeitkräfte, es gibt eine hohe Fluktuation zwischen den Einrichtungen und der Wettbewerb zwischen den Trägern ist enorm.“

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Und was hat es mit den Schließzeiten im Kindergarten Fischbach nun genau auf sich? Dort habe sich die personelle Situation gemäß einer Sprecherin der Stadt wieder entspannt: Die vakanten Stellen im Fischbacher Kindergarten konnten zwischenzeitlich „nahezu vollständig nachbesetzt werden“, wie die Sprecherin informiert. Zudem habe die Stadt Alternativen geboten: „Die Eltern, die wegen der kurzfristigen Schließung aufgrund von Erwerbstätigkeit vor Herausforderungen gestellt wurden, konnten sich bei der Abteilung Kindertageseinrichtungen der Stadt Friedrichshafen melden und es wurde versucht, die Kinder in einer anderen städtischen Kita unterzubringen.“ Drei Familien hätten sich gemeldet. Deren Kinder konnten dann in einer anderen städtischen Einrichtung betreut werden, so die Sprecherin.

Wie geht es nun weiter?

Die Eltern der Kita beim Klinikum müssen sich vorerst selbst organisieren. Daniel Hakansson hat eine Lösung für seinen Nachwuchs gefunden: Er schließt sich mit anderen Eltern zu einer Notbetreuung zusammen. Sein Arbeitgeber sei kulant, er könne auch mobil von zu Hause aus arbeiten. „Doch das ist keine Lösung auf Dauer. Es bleibt zu hoffen, dass die Stadt mit der Trägerschaft bald eine Lösung findet und die Betreuungszeiten wieder vollumfänglich angeboten werden.“