Kaum hat der Kindergarten wieder begonnen, gab es bereits die erste Hiobsbotschaft bei Familie Schmid: positive Fälle in Bens Kindergartengruppe. Laut neuer Corona-Verordnung reicht es dann allerdings nicht, dass die Eltern den Sechsjährigen zuhause testen wie normalerweise drei Mal pro Woche. „Wir müssen jetzt fünf Tage lang täglich ins Testzentrum“, erklärt Schmid, „ohne offizielle Bescheinigung darf Ben nicht mehr kommen, sondern muss in Quarantäne.“
Tägliche Tests statt Quarantäne – was in Schulen seit Herbst praktiziert wird, scheitert an der schwierigen Umsetzung in Kitas, wo die Kinder sehr viel jünger sind. „Zum einen ist es für kleine Kinder oft eine große Überwindung, sich von Fremden testen zu lassen“, sagt Vater David Schmid, „zum anderen kostet es viel Zeit – und ist für Familien ohne Auto wirklich schwierig.“
Wo gibt es überhaupt Testzentren mit Speicheltests?
Probleme bereitet zunächst die Auswahl des Testzentrums. Nicht alle Schnelltest-Zentren in Friedrichshafen sind auf Krippen- und Kindergartenkinder eingestellt, denn sie machen nur nasale Abstriche, die laut des Verbands der Kinder- und Jugendärzte für die Jüngsten wenig geeignet sind. Lolli-Speicheltests, wie sie von der Stadt Friedrichshafen an die Einrichtungen verteilt worden sind, gibt es nicht überall. Manche Teststationen, wie beispielsweise die Johanniter, testen Kinder unter sechs Jahren überhaupt nicht. Während es im Stadtzentrum und im Häfler Norden und Osten – also rund um die Standorte der großen Firmen – noch eine vergleichsweise gute Dichte an Testzentren gibt, die angesteuert werden können, sieht es in den Teilorten und im Westen eher mau aus.
Im Testzentrum angekommen, erfordert die Situation dann Kooperation vom Kind. „Mit Ben geht das halbwegs“, sagt Vater Schmid, „aber neulich mussten wir vor dem Eingewöhnungsgespräch die Einjährige testen, das ging nur mit Festhalten.“ Ihm graut es bereits davor, das künftige Krippenkind ins Testzentrum bringen zu müssen. Was also tun, wenn das Kind sich weigert?

„Gut ist, wenn man die Situation zuhause spielerisch übt“, erklärt Kinderpsychiaterin Dr. Dagmar Hoehne, „und wenn es nicht anders geht, muss man mit Belohnungen wie Gummibärchen arbeiten.“ Für sehr kleine oder schüchterne Kinder könne es aber schwierig sein, sich in einem wildfremden Testcenter testen lassen zu müssen. „Das kann in einzelnen Fällen traumatisierend sein“, erklärt Hoehne, „wenn es gar nicht anders geht, müssen die Eltern das Kind für die Quarantäne-Zeit zuhause lassen.“ Sie rät, in solchen Fällen das Kind zuhause zu lassen und nach der Quarantäne-Zeit wiederzubringen.
Eltern bekommen Kinderkrankengeld bei Quarantäne
Haben Eltern, deren Kinder die Tests verweigern oder die ihre Kinder aus Angst vor Infektion in einer solchen Situation nicht in die Kita bringen wollen, Anspruch auf Kinderkrankengeld? „Ja“, sagt Claudia Widmaier, Sprecherin des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Es bestehe auch ein Anspruch auf Kinderkrankengeld aus pandemiebedingten Gründen, wenn das „Betreten“ von Schulen, Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung „untersagt wird“.
Auf den Grund des Untersagens komme es dabei nicht an. „Insofern besteht auch bei einer nicht erfolgten Testung und dem daraus resultierenden Untersagen des Betretens ein Anspruch auf Kinderkrankengeld, sofern die anderen Anspruchsvoraussetzungen fürs Kinderkrankengeld erfüllt sind“, so die Sprecherin. Als Nachweis reiche eine Bescheinigung der Einrichtung, nicht des Kinderarztes.
Die Teststrategie in Kitas
Alternative: Testung in der Kita?
Gibt es keine Alternative zu den Tests in den Testzentren? Tatsächlich erlaubt das Sozialministerium, das die dazugehörige Verordnung erarbeitet hat, auch eine tägliche Testung in der Kita. „Sie kann unter Aufsicht des Einrichtungspersonals vorgenommen werden, da hier das Vier-Augen-Prinzip gilt“, erklärt ein Sprecher auf SÜDKURIER-Nachfrage. Doch das scheitert – zumindest in den städtischen Kitas, wie Ben eine besucht – offenbar an der personellen Besetzung. „Da die Stadt Friedrichshafen als Träger der städtischen Kindertageseinrichtungen keine Testungen in den Einrichtungen anbietet, muss die Testung in einem Testzentrum durchgeführt werden“, erläutert Stadtsprecherin Monika Blank.
Vater David Schmid hat für die Situation der Kita Verständnis, sagt aber: „Wenn das für Einrichtungen nicht möglich ist, kann man es doch nicht wieder auf den Familien abladen. Ich bin einfach schwer enttäuscht, dass man uns so misstraut und uns nicht zuhause testen lässt.“ Er sei geimpft, geboostert, habe alles immer mitgetragen: „Jetzt verstehe ich diese Regelungswut einfach nicht mehr und sehe die Sinnhaftigkeit nicht.“
„Für alle Beteiligten wären die Tests in den Einrichtungen am besten.“Dagmar Hoehne, Kinderpsychiaterin
Könnten Kitas nicht Teststraßen mit Unterstützung der Eltern einrichten? Dem erteilt das Ministerium eine Absage: „Gegenseitige Kontrolle der Eltern reicht nicht aus, es geht nur die Testung in der Einrichtung oder im Testzentrum.“ Kinderpsychiaterin Hoehne plädiert für Pragmatismus und Besonnenheit: „Wir befinden uns in einem Ausnahmezustand und da brauchen wir ein Miteinander. Für alle Beteiligten wäre es sinnvoll, die täglichen Tests in den Einrichtungen in einem vertrauten Rahmen zu machen.“
Kinderarzt: Testpflicht ist unverhältnismäßig
Dr. Christof Metzler, stellvertretender Obmann der Kinder- und Jugendärzte im Bodenseekreis, sieht die neue Test-Regelung insgesamt sehr kritisch: „Ich tue mir bei dieser Regelung sehr schwer, um nicht zu sagen, dass ich unglücklich darüber bin. Sie steht in meinen Augen mit ihrem Aufwand und ihrem Maß an Beeinträchtigung in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen.“ Zum einen sei das Virus nicht aufzuhalten und Kinder spielten nicht die entscheidende Rolle bei seiner Verbreitung. Zum anderen könnten sich Erwachsene alle impfen lassen.
„Wir Kinder- und Jugendärzte hinterfragen diese extremen Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern schon lange“, sagt Metzler, „bei den Jüngsten sind sie leicht politisch umsetzbar, aber die Kinder in Geiselhaft zu nehmen, weil sich Erwachsene nicht impfen lassen wollen, ist einfach unverhältnismäßig.“ Noch im Dezember hatte auch das Gesundheitsamt Bodenseekreis von einer „Unverhältnismäßigkeit“ einer Testpflicht in Kitas gesprochen.