In Friedrichshafen wurde der zweifelhafte Speicheltest „Realy Novel Coronavirus“ aus dem Verkehr gezogen, nachdem Eltern herausfanden, dass der Lolli-Test im September von der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gestrichen wurde, weil er Corona-Infektionen nicht zuverlässig anzeigt. Eine SÜDKURIER-Recherche ergab: 17 Gemeinden im Bodenseekreis hatten die mangelhaften Tests in ihren Kitas im Einsatz. In den Häfler Kitas gibt es seit dieser Woche neue Tests: den Wantai Sars-CoV2-Schnelltest des chinesischen Herstellers Beijing Wantai Biological Pharmacy Enterprise Co. Der Test ist CE-zertifiziert und ausdrücklich zur „Eigenanwendung für den Laien“ ab 0 Jahren geeignet.
Laut BfArM hat der Test eine Sensitivität, also Empfindlichkeit, von 89,76 Prozent. Das heißt also, der Test ist in knapp 90 Prozent der Fälle in der Lage, das Virus nachzuweisen. Das Robert-Koch-Institut hat für Schnelltests eine minimal akzeptierte Sensitivität von 75 Prozent festgelegt, hier liegt der Test also deutlich drüber. Seine Spezifität liegt laut BfArM bei 99,61 Prozent. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine nicht-infizierte Person negativ getestet wird, sehr hoch ist. Je nachdem wie stark das Virus im Moment zirkuliert, gibt es aber dennoch falsch-positive Tests oder falsch-negative Tests.
Im Testkit enthalten sind: eine Anleitung, sogar auf deutsch, ein steril verpackter Tupfer für den Abstrich, eine verpackte Testkassette, ein Probenfläschen samt Flüssigkeit und ein Tütchen zur Entsorgung des benutzten Tests.
Während der mangelhafte Schnelltest, von dem die Stadt Friedrichshafen allein bis Ende September rund 60.000 an ihre Kitas ausgab, ein Speicheltest war, bietet der neue Test nun zwei Möglichkeiten der Probenentnahme: per Abstrich im vorderen Nasenbereich oder per Abstrich im Mund. Die Anleitung erklärt den Test sehr anschaulich und gut verständlich.
Jetzt geht es ans Eingemachte. Tilda ist unsere Testperson. Sie ist drei Jahre alt und besucht den Kindergarten St. Christophorus in Fischbach, in dem es gerade viele Infizierte gab. Sie kennt das Prozedere bereits, hat auch schon mehrere deutlich unangenehmere PCR-Tests beim Arzt hinter sich. Den Abstrich im vorderen Nasenbereich, wie ihn die Schulkinder machen, mag sie nicht, er fördert den Tränenreflex und daher ist sie froh, dass es jetzt wieder Speicheltests gibt. Die Probenentnahme funktioniert relativ simpel. Mit dem Tupfer streicht man vorsichtig im Gaumenbereich und auf beiden Innenseiten der Wangen ab. Eine Sache von wenigen Sekunden.
Dann öffnet man das Fläschchen mit 0,5 Milliliter Testflüssigkeit darin. Dadurch, dass die Flüssigkeit bereits im Fläschchen ist und nicht umgeschüttet werden muss, geht die Sache ganz einfach: Testtupfer ins Fläschchen, kurz umrühren und das Fläschchen ein bisschen zusammendrücken, damit der Speichel dem Tupfer entweicht. Bei einem Nasenabstrich ist das Vorgehen exakt gleich. Anschließend wird der Tupfer an der Bruchkante abgebrochen, das Fläschchen wieder verschlossen.
Jetzt wird die Probenflüssigkeit auf die Testkassette geträufelt. Den Deckel des Fläschchens abbrechen und los geht es. Zugegeben: beim ersten Versuch kam zu viel Flüssigkeit raus und hat das Testfenster überschwemmt. Das Ergebnis: Der Test hat nichts angezeigt, blieb weiß und war damit ungültig. Beim zweiten Mal sind wir vorsichtiger und träufeln langsam die drei vorgegebenen Tropfen auf das Testfeld. Langsam zieht die Flüssigkeit nach oben. Dieses Mal scheint es zu funktionieren.
Nach kurzer Zeit erscheint bereits ein Strich. Ein Strich bedeutet: negatives Ergebnis, keine Infektion. Zwei Striche: eine Corona-Infektion ist wahrscheinlich, muss aber noch per PCR-Labortest bestätigt werden. Nach den vorgegeben 15 Minuten schauen wir nochmal auf den Test. Es ist zum Glück bei einem Streifen geblieben.
Gibt es bald eine Testpflicht in Kitas?
Die Tests in den Kitas in Friedrichshafen sind aktuell freiwillig. Das bedeutet: Die Eltern können pro Woche zwei Tests nachhause nehmen und ihre Kinder testen. Möglicherweise könnte sich das aber bald ändern. „Wir prüfen aktuell, ob und wie eine Testpflicht für Häfler Kitas in Abstimmung mit den anderen Trägern umgesetzt werden kann“, erläutert Stadtsprecherin Monika Blank. Allerdings müsste dafür der Landkreis eine Allgemeinverordnung als rechtliche Voraussetzung dafür erlassen, wie es beispielsweise der Landkreis Ravensburg getan hat.
Dafür sieht der Landkreis Bodenseekreis im Moment allerdings keine Veranlassung. „Die Analyse der betroffenen Altersgruppen und der Anteil der Kindergärten am insgesamt bekannten Infektionsgeschehen rechtfertigen es nicht, zentrale strengere Vorgaben durch den Landkreis zu machen“, erklärt Robert Schwarz, Sprecher des Landkreises. Dabei verweist er auf die aktuellen Infektionszahlen: Vom 11. Oktober bis zum 2. Dezember haben sich im Bodenseekreis insgesamt 1535 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Davon sind allerdings nur 156 zwischen 0 und vier Jahre und 678 zwischen fünf und neun Jahre alt. Der Großteil der Infizierten – also 7071 – besuchten also überhaupt keinen Kindergarten und auch keine Grundschule. Für den Bodenseekreis seien aus diesem Grund in den Kitas keine zentral gesteuerten Maßnahmen angezeigt.