Probleme, sich an den 6. November 2024 zurückzuerinnern, hat Lilli Schoele nicht. Donald Trump gewinnt die amerikanische Präsidentschaftswahl, die Ampelkoalition bricht auseinander. „An diesem Tag ging es Schlag auf Schlag“, sagt sie. Neben den vielen Fragen, was diese Entwicklungen denn bedeuten und wie es weitergeht, drängt sich bei Schoele an diesem Tag besonders ein Gedanke auf: „Es wird Neuwahlen geben. Ich werde also bei der Bundestagswahl doch nicht wählen dürfen.“ Schoele ist 17 Jahre alt, im März wird sie 18. Würden die Bundestagswahlen, wie ursprünglich geplant, am 28. September dieses Jahres stattfinden, wäre sie wahlberechtigt.

Das Interesse an Politik entstand im Schulunterricht

Ihrem Mitschüler Mark-Christopher Aul geht es ähnlich. Er wird im August 18 Jahre alt, darf am Sonntag also ebenfalls nicht wählen. Aul ist Schüler des Karl-Maybach-Gymnasiums, Schoele besucht das Graf-Zeppelin-Gymnasium, den Leistungskurs Gemeinschaftskunde haben sie zusammen. Dementsprechend viel beschäftigen sie sich in der Schule mit Politik und waren deshalb erst einmal verärgert darüber, nicht wählen zu dürfen: „Wir reden dreimal die Woche über politische Systeme und Parteien und haben uns gefreut, 2025 das erste Mal selbst mitentscheiden zu dürfen. Dass das nun nicht geht, nervt schon ein wenig, wir haben doch auch politisch legitime Meinungen“, sagt Schoele.

Wenn sie wählen dürfte, hätte sie wahrscheinlich noch keine Entscheidung getroffen, sagt Lilli Schoele – zu chaotisch sei der Wahlkampf ...
Wenn sie wählen dürfte, hätte sie wahrscheinlich noch keine Entscheidung getroffen, sagt Lilli Schoele – zu chaotisch sei der Wahlkampf dieses Jahr. | Bild: Marvin Nagel

Unfair behandelt fühlen sich die beiden deswegen aber nicht. „Ich halte es für richtig, dass das Wahlalter bei 18 Jahren liegt“, sagt Mark-Christopher Aul, Lilli Schoele stimmt ihm zu. Denn nicht jeder aus ihrer Altersklasse beschäftige sich so intensiv mit Politik wie sie. Das sei auch kaum möglich, meint Aul. Schließlich habe der Großteil der Schüler nur eine Doppelstunde Gemeinschaftskunde pro Woche – zu wenig, um wirklich in das Thema einzutauchen. Umgekehrt entstand das Interesse der beiden an Politik im Schulunterricht.

Auch privat unterhalten sich die beiden Schüler über Politik: „In unserem Umfeld wird viel über den Ukraine-Krieg gesprochen“, sagt ...
Auch privat unterhalten sich die beiden Schüler über Politik: „In unserem Umfeld wird viel über den Ukraine-Krieg gesprochen“, sagt Mark-Christopher Aul. | Bild: Marvin Nagel

Viele informieren sich über soziale Medien

„Am Anfang des Unterrichts besprechen wir immer aktuelle Themen. Dadurch haben wir begonnen, uns regelmäßig über das Tagesgeschehen zu informieren“, berichtet Schoele. Auch welche Quellen vertrauenswürdig sind, hätten sie im Unterricht besprochen. Zu lernen, wie man sich informiert, findet Aul besonders wichtig. Denn das Phänomen, dass sich besonders junge Menschen über die sozialen Medien informieren und dort Falschmeldungen Glauben schenken, hat er auch in seinem Umfeld schon erlebt. Besonders gefährlich aus seiner Sicht: „Gerade populistische Parteien nutzen gezielt soziale Medien, um junge Menschen zu erreichen. Deshalb sollte zuerst die politische Bildung intensiviert werden, bevor das Wahlalter herabgesetzt wird“, sagt er.

Am meisten informiert sich Mark-Christopher Aul über Zeitungen. Dabei ist es dem Schüler des Karl-Maybach-Gymnasiums egal, ob lokal oder ...
Am meisten informiert sich Mark-Christopher Aul über Zeitungen. Dabei ist es dem Schüler des Karl-Maybach-Gymnasiums egal, ob lokal oder überregional: „Etwas Wichtiges schnappe ich überall auf.“ | Bild: Marvin Nagel

Sicherheit in Deutschland ist Thema auf dem Schulhof

Trotzdem sehen sich die beiden Häfler Schüler als Teil einer sehr politischen Generation. „Wir sind ja praktisch mit Corona aufgewachsen. Da haben wir erlebt, wie sich Politik direkt auf unsere Lebensrealität auswirken kann“, sagt Schoele. Ein Thema, das derzeit häufig auf dem Schulhof besprochen wird, sei die Sicherheit in Deutschland. „Ich glaube, seit dem Ukraine-Krieg sind da viele verunsichert und durch die Wahl von Trump ist das nicht gerade besser geworden“, sagt Mark-Christopher Aul dazu.

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In Diskussionen darüber komme es oft vor, dass Mitschüler die Meinung ihrer Eltern vertreten – was ja auch nicht schlimm sei, merkt Schoele an: „Ich vertraue meinen Eltern in vielen Lebensfragen. Da ist es doch nur logisch, dass ich das dann auch in der Politik tue.“ Trotzdem findet es Aul wichtig, auch mal Blickpunkte einzunehmen, die eher nicht dem Elternhaus entsprechen. Worauf sich beide einigen können: Durch Gespräche mit wahlberechtigten Mitschülern und Freunden können sie immerhin auch noch ein kleines bisschen Einfluss auf die Wahl nehmen.

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Und Lilli Schoele fällt sogar ein Vorteil ein, bei der Bundestagswahl noch einmal aussetzen zu müssen: „Der Wahlkampf kommt mir so chaotisch vor. Wäre ich wahlberechtigt, würde ich wahrscheinlich ständig meine Meinung ändern. So muss ich mich immerhin nicht entscheiden.“