Es ist eine starke Truppe, die Feuerwehr in Friedrichshafen. Rund 350 Aktive sind Tag und Nacht einsatzbereit. „Eine beeindruckende Zahl für eine Stadt mit 64.000 Einwohnern“, sagt Kommandant Felix Engesser. Inzwischen 40 Männer und Frauen machen den Job beruflich, zwei kommen noch dazu.

Fast wie in einer Großstadt

Bei der hohen Zahl von rund 1300 Einsätzen pro Jahr wäre das für eine rein ehrenamtliche Wehr innerhalb der Hilfsfrist nicht mehr zu schaffen, erklärt der Kommandant. „Und wir haben mit Flughafen, dem Bodensee samt Hafen, Industrie und zwei Tunneln fast ein Aufgabengebiet wie in einer Großstadt.“ Deshalb gibt es seit 2018 die hauptamtliche Einsatzabteilung. Berufsfeuerwehren gibt es erst in Städten ab 100.000 Einwohnern, insgesamt zehn in Baden-Württemberg.

Die Feuerwache mit einer von drei Fahrzeug- und Gerätehallen der Feuerwehr Friedrichshafen von oben. Das Gelände ist etwa doppelt so groß.
Die Feuerwache mit einer von drei Fahrzeug- und Gerätehallen der Feuerwehr Friedrichshafen von oben. Das Gelände ist etwa doppelt so groß. | Bild: Cuko, Katy

6 Uhr morgens ist Dienstbeginn auf der Wache. Los geht‘s mit Kaffee – und dem Mittagessen. Einer erklärt sich bereit, für die ganze Mannschaft zu kochen. Stefan Haller will heute Pizza machen. Wer will, trägt sich in eine Liste ein. Er schreibt zusammen, was er für Zutaten braucht. „Mal eben die Wache verlassen, um sich was zum Essen zu besorgen, geht nicht“, erklärt Brandamtmann David Fischinger, der an diesem Tag Zugführer ist. Sobald der Alarm ertönt, müssen die angeforderten Feuerwehrler binnen anderthalb Minuten im Einsatzfahrzeug sitzen.

Antreten in der Fahrzeughalle: Kurz nach dem Dienstbeginn werden erst einmal die Fahrzeuge gecheckt.
Antreten in der Fahrzeughalle: Kurz nach dem Dienstbeginn werden erst einmal die Fahrzeuge gecheckt. | Bild: Cuko, Katy

Viertel nach sechs trifft sich die Tagschicht in der ersten von drei riesigen Fahrzeughallen. Zwölf Männer treten vor David Fischinger an, im Feuerwehr-Jargon Halbzug genannt. Beim Einsatz wären so ein Löschfahrzeug, die Drehleiter und der Einsatzleitwagen in der Regel binnen zehn Minuten nach der Alarmierung vor Ort.

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„Brennt es in einem Wohnhaus, werden die Ehrenamtlichen gleich mit alarmiert“, erklärt der Zugführer später. Daneben stehen an diesem Morgen die drei Bufdis (Bundesfreiwilligendienstleistende) und ein Praktikant, der alles andere als Anfänger ist. Martin Glienke ist Kommandant der Werksfeuerwehr bei Rolls-Royce Power Systems (RRPS) und macht die Ausbildung für den gehobenen Dienst.

Bufdi Carina Lang beim morgendlichen Fahrzeugcheck in der Halle.
Bufdi Carina Lang beim morgendlichen Fahrzeugcheck in der Halle. | Bild: Cuko, Katy

Während draußen der Himmel immer heller wird, informiert David Fischinger über das Tagesprogramm. Dann beginnt der morgendliche Check des stattlichen Fuhr- und Geräteparks, der in 32 Hallen der Häfler Feuerwehr steht – vom Kommando- bis zum Rüstwagen. „Wir haben mit dem Bodensee vor der Haustür oder dem Thema Gefahrgut Sonderaufgaben, die viel Equipment brauchen“, erklärt der Zugführer. Fünf Fahrzeuge werden vor der Halle geparkt und quasi auf Herz und Nieren geprüft. Im Ernstfall muss alles tadellos funktionieren, vom Blaulicht über die Motorsäge bis zum Notstromaggregat.

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Um 7 Uhr stehen die Fahrzeuge wieder in der Halle, die tägliche Wachausbildung beginnt. Jeder der 40 Männer und Frauen in der hauptamtlichen Einsatzabteilung hat die 18-monatige Ausbildung absolviert, mit der man den Feuerwehrdienst zum Beruf machen kann. Da gehört der Rettungssanitäter, Rettungsschwimmer, Kraftfahrer für große Lastwagen und in Friedrichshafen auch das Bodenseeschifferpatent mit dazu. Sportliche Fitness ist selbstverständlich. Wie anstrengend der Job körperlich werden kann, zeigt sich bei dem Szenario, das im Hinterhof der Wache aufgebaut ist.

Feuerwehr schneidet eine Person aus dem Auto frei - Übung Video: Cuko, Katy

Ein Geländewagen steht zur Hälfte auf einem Auto, das völlig demoliert ist. Die Person auf der Beifahrerseite ist eingeklemmt. Dass da eine lebensgroße Puppe sitzt, ist für die Feuerwehrler bei diesem Probealarm egal. Sie müssen bei diesem inszenierten Verkehrsunfall genauso professionell vorgehen wie bei einem echten.

Der Kollege auf dem Sanitäterposten kümmert sich um die Erstversorgung des Verletzten, checkt die Vitalwerte, legt ihm vorsorglich eine Halskrause zur Stabilisierung der Wirbelsäule an. Währenddessen werden die Fahrzeuge gesichert, der Brandschutz sichergestellt. Ein anderer Teil der Mannschaft bereitet sich darauf vor, die Beifahrertür mit schwerem Gerät zu öffnen, um die Person zu befreien.

Rettung erfolgreich: Die blaue Übungspuppe wird aus dem demolierten Fahrzeug bugsiert, als ob sie verletzt wäre.
Rettung erfolgreich: Die blaue Übungspuppe wird aus dem demolierten Fahrzeug bugsiert, als ob sie verletzt wäre. | Bild: Cuko, Katy

Es dauert keine zehn Minuten, bis die blaue Puppe aus dem Auto raus ist. „Das ging schneller als erwartet“, sagt David Fischinger, der seine Kollegen für das ruhige und strukturierte Vorgehen lobt, am Ablauf nichts auszusetzen hat. Krasse Unfälle gebe es vor allem auf den Bundesstraßen immer wieder, „bloß gut, nicht so oft“, sagt er. Spontan beschließt er, die komplette Übung zu wiederholen und dabei die Rettung über das Dach zu trainieren. Eine perfekte Chance für Bufdi Carina Lang, den Einsatz der Rettungsschere zu probieren.

David Fischinger (links) und der Kommandant der Werksfeuerwehr von RRPS, Martin Glienke, beim sogenannten Planspiel. Wie geht man bei ...
David Fischinger (links) und der Kommandant der Werksfeuerwehr von RRPS, Martin Glienke, beim sogenannten Planspiel. Wie geht man bei einem Wohnhausbrand am besten vor? | Bild: Cuko, Katy

Die 19-Jährige hatte im Rahmen ihrer Verwaltungsausbildung im Landratsamt erstmals Einblick in die Feuerwehrarbeit – und war wie elektrisiert. „Ich hab‘ nach meinem Abschluss einen Praktikumstag in der Wache gemacht, und nach dem zweiten war mir klar, dass ich Feuerwehrfrau werden will.“ Wäre sie beim sportlichen Eignungstest nicht umgeknickt, hätte sie wohl direkt die Ausbildung zur Brandmeisterin begonnen. Jetzt will sie als Bufdi erste Erfahrungen sammeln, macht parallel die Grundausbildung zur Truppfrau.

Die berühmte Stange gibt es auch bei der Feuerwehr Friedrichshafen. Carina Lang testet sie.
Die berühmte Stange gibt es auch bei der Feuerwehr Friedrichshafen. Carina Lang testet sie. | Bild: Cuko, Katy

Die hat Bufdi Philipp Würth schon mit 17 absolviert. Er ist mit der Feuerwehr groß geworden; sein Vater ist Kommandant der Dorfwehr in seinem Heimatort nahe Heidelberg. „Ich will mir in diesem Jahr bewusst werden, was ich will“, sagt er, wobei der 19-Jährige mit dem Studium als Sicherheitsingenieur liebäugelt.

Eine junge Mannschaft

Viel älter sind die hauptamtlichen Einsatzkräfte der Häfler Feuerwache auch nicht. „Ja, wir sind eine junge Truppe“, sagt David Fischinger lachend und verweist auf ein Durchschnittsalter um die 30. Er selbst ist schon seit zehn Jahren dabei, seit zwei Jahren in Führungsposition. Viele von ihnen haben vorher einen anderen Beruf gelernt, so wie Stefan Haller, der Steinmetz und Bildhauer ist. Feuerwehrler ist der Ostracher auch schon seit der Jugend, und ehrenamtlich seit gut zwei Jahren Kommandant der Abteilung Burgweiler.

Ein Teil der Mannschaft unter sich. Stefan Haller (hinten) und seine Kollegen auf einem Einsatzfahrzeug.
Ein Teil der Mannschaft unter sich. Stefan Haller (hinten) und seine Kollegen auf einem Einsatzfahrzeug. | Bild: Cuko, Katy

Hauptberuflich ist Stefan Haller wie seine Kollegen nun Beamter der Stadt Friedrichshafen. Drei bis vier Mal pro Woche hat er Dienst. Bei der Häfler Feuerwehr geht die Schicht wochentags von 6 bis 18 Uhr. An diesem Dienstag bleibt Haller aber bis zum nächsten Morgen auf der Wache, hat mit drei Kollegen 24-Stunden-Dienst. Wird die Feuerwehr nachts gerufen, unterstützen sie die ehrenamtlichen Kräfte, die – wie am Wochenende oder feiertags – dann zuständig sind. So kommen Berufs-Feuerwehrmänner im Schnitt auf zwölf bis 14 Arbeitstage pro Monat, die im mittleren Dienst je nach Erfahrung mit 3200 bis 3900 Euro brutto vergütet werden. Für Stefan Haller, der zuhause auch noch als Lohnunternehmer etwa auf Erntemaschinen schafft, passt das gut.

Maria und Philipp unter Atemschutz: Auf der Teststrecke gehört das Abtauchen in einem Container dazu.
Maria und Philipp unter Atemschutz: Auf der Teststrecke gehört das Abtauchen in einem Container dazu. | Bild: Cuko, Katy

Als um 10.42 Uhr die Alarmsirene heult, bleibt es in der Wache merkwürdig ruhig. Keiner rennt durch die Gänge. „Türöffnung im Karl-Olga-Haus. Nur ein kleiner Einsatz“, erklärt David Fischinger. „Viele denken, wir drehen Däumchen, bis der Alarm runtergeht. Stimmt nicht. Wenn es nicht brennt, checken wir Geräte“, erzählt Stefan Haller wenig später in der Atemschutz-Werkstatt. Jeder Feuerwehrler ist einem Sachgebiet zugeteilt, von Technik über Brandschutz bis zum Fuhrpark. Sein Revier ist die Prüfstation für über 1000 Atemschutzmasken, hunderte Lungenautomaten und Pressluftflaschen. Die Verantwortung ist groß, dass jeder Kollege beim Einsatz circa eine halbe Stunde lang ohne Probleme mit Atemschutz arbeiten kann.

Feuerwehrmänner beim Anlegen der Atemschutzausrüstung im Einsatzfahrzeug Video: Katy Cuko

Bis um 16 Uhr die Dienstzeit endet und die Bereitschaft beginnt, wird die Feuerwehr an diesem Dienstag nicht mehr gerufen. Nicht einmal ein Brandmelder schlägt ohne Grund an, was im vergangenen Jahr 212 Mal vorkam. 180 Brandmeldeanlagen in Friedrichshafen sind direkt mit der Wache verbunden. Hier liegt ein Zentralschlüssel im Tresor, mit dem der diensthabende Zugführer Zugriff auf den Generalschlüssel der Objekte und so sehr schnell Zutritt hat.

Kein Tag wie der andere

„Letzten Dienstag hatten wir neun Einsätze, da ging es ganz anders zu“, sagt Holger Sugg, der in der Einsatzzentrale die Stellung hält. Aber das sei ja auch das Schöne an dem Beruf. „Man weiß morgens nie, was einen erwartet.“