Konzentriert schaut Ivan auf den Laptop von Platon: „In deinem Skript fehlt noch was“, ruft er ihm zu, die weiteren Anweisungen sind für Menschen, die der Programmiersprache nicht mächtig sind, nicht zu verstehen. Gemeinsam versuchen die beiden beim Programmieren eines Videospiels einen virtuellen Charakter zum Ausführen bestimmter Befehle zu bringen.

Was sich anhört wie eine Szene aus dem Büro einer Firma, die Videospiele entwickelt, geschieht in einem Klassenzimmer. Platon und Ivan (beide 14) sind Schüler an der Kiberone in Friedrichshafen, der „ersten und einzige Bildungseinrichtung in der Bodenseeregion, die sich vollständig der digitalen Bildung für Kinder widmet“, wie Schulleiterin Elvina Shakhmurzaeva stolz erklärt.
Schule gegründet, um Kindern einen Zugang zu Technik zu vermitteln
Vor zehn Jahren kam sie mit ihrem Mann Ivan aus Russland nach Friedrichshafen. Der Impuls zur Gründung der Schule sei durch ihre in Deutschland geborene Tochter Lisa gekommen, sagt Shakhmurzaeva: „Als Lisa begann, sich für Smartphones und Computer zu interessieren, wollten wir ihr Interesse in eine sinnvolle Richtung lenken.“ Schockiert hätten sie festgestellt, dass es in der Umgebung keine Bildungseinrichtung gab, die Kindern einen Zugang zu Technik vermittelt.

Deshalb habe sie sich mit ihrem Mann, der selbst als Informatiker bei ZF angestellt ist, dazu entschieden, eine Niederlassung des Franchiseunternehmens Kiberone in Friedrichshafen zu gründen. Seit Oktober 2022 lernen Kinder dort an mehreren Tagen die Woche auf spielerische Art und Weise, wie man programmiert, mit Künstlicher Intelligenz (KI) umgeht oder wichtige Computerprogramme wie Excel bedient.
Nicht nur nützlich für den späteren Beruf, sondern auch fürs Leben
Platon und Ivan sind schon länger dabei, dementsprechend ausgereift sind die Programmierkünste der beiden 14-Jährigen. Unterrichtet werden sie von Ivan Shakhmurzaeva. Per Beamer zeigt er der Klasse auf seinem Bildschirm, wie er beim Entwickeln des Spiels vorgeht. Immer wieder melden sich die Kinder mit ihren Vorschlägen – und nicht selten antwortet Ivan Shakhmurzaeva: „Du hast recht, auf deine Weise scheint es besser zu funktionieren.“ Dinge ausprobieren, Fehler machen, weiter versuchen – das sei das Grundprinzip des Programmierens, sagt seine Frau Elvina. Je länger ein Kind dabei sei, desto selbstbewusster gehe es dann auch mit Fehlern um.

Aus diesem Grund appelliert Elvina Shakhmurzaevae auch an die Eltern: „Es ist wichtig, dass die Kinder am Ball bleiben – da sind natürlich auch ein Stück weit die Eltern gefragt.“ Denn ein paar Mal zu den Kursen zu gehen, das reiche nicht aus: „Programmieren oder Excel ist wie eine neue Sprache zu lernen. Der Anfang mag schwer sein, aber es lohnt sich.“ Selbst wenn die Kinder später nicht als Programmierer oder Informatiker arbeiten würden, das gelernte Wissen könne immer nützlich sein.

Leiterin sieht Informatikunterricht in der Schule nicht als Konkurrenz
Wie gut es funktioniere, wenn Kinder frühzeitig auf konstruktivem Wege lernen, mit Technik umzugehen, sieht sie an ihrer Tochter Lisa. Wenn Lisa nicht selbst am Unterricht teilnimmt, spielt die Siebenjährige an ihrem Laptop Roblox – ein Programm, mit dem eigene Spiele entwickelt und gespielt werden können. „Sie ist da total sicher darin, weil sie schon früh und auf eine spielerische Art und Weise gelernt hat, damit umzugehen“, sagt ihre Mutter dazu.

Das sei auch ein großer Vorteil der Kurse bei Kiberone, erklärt Elvina Shakhmurzaevae: „Die Kinder lernen viel anhand von Spielen oder Apps, die sie kennen und oft selber gern nutzen, wie etwa Minecraft oder Snapchat, dadurch ist die Hemmschwelle viel geringer.“ Warum die Kinder diesen Zugang zu Technologie nicht noch viel mehr in der Schule beigebracht bekommen, kann sich Shakhmurzaevae nicht erklären.
Im Bildungsplan des Landes für Grundschulen ist Informatik bisher nicht enthalten, bei allen weiterführenden Schulen steht Informatik ab der siebten Klasse im Bildungsplan mit einer Stunde pro Woche. Zu wenig für Shakhmurzaevae. Aber auch falls Informatik einen höheren Stellenwert bekäme, sähe sie die Schule nicht als Konkurrenz: „Unsere Kurse gehen so sehr in die Tiefe, das kann eine Schule nicht bieten. Wir würden uns im Gegenteil freuen, wenn Schulen auf uns zukämen, um zusammenzuarbeiten, davon würden beide Seiten profitieren.“