Die Verfügung beinhaltete unter anderem ein umstrittenes Aufenthaltsverbot in Grünanlagen wie dem Uferpark, dem Freizeitgelände Manzell oder in der Weilermühle. Ab Donnerstag, 7. Mai, ist der Aufenthalt laut Pressemitteilung wieder erlaubt – unter Berücksichtigung der landesweit gültigen Abstandsregeln. Die Spielplätze im gesamten Stadtgebiet sind bereits ab heute wieder geöffnet.
„Parallel zu der Landesentscheidung, Spielplätze wieder zu öffnen und aufgrund der niedrigen Infektionszahlen im Bodenseekreis wird nun die städtische Allgemeinverfügung aufgehoben, die für bestimmte Bereiche im Stadtgebiet ein Aufenthaltsverbot geregelt hat. In diesen Bereichen waren der Durchgang und das Sitzen auf den Bänken erlaubt, ansonsten war das Verweilen untersagt“, erläutert die Stadtverwaltung.

Besonders das Aufenthaltsverbot hatte in den vergangenen Wochen immer wieder für Diskussionen in der Bevölkerung gesorgt. Ende April wurde die Allgemeinverfügung zwar nachbearbeitet, sodass das Ausruhen auf den vorher abgesperrten Sitzbänken wieder erlaubt wurde, doch das Spielen und Verweilen auf den restlichen Flächen blieb weiterhin verboten – und wurde mit Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten geahndet. „Hiermit sollte verhindert werden, dass sich dort insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie größere Menschenansammlungen auch von Einzelpersonen oder Familien bilden, bei denen der aus Infektionsschutzgründen gebotene Mindestabstand nicht mehr einzuhalten ist“, erklärt Stadtsprecherin Monika Blank.
Auch Familien wurden angezeigt
Es waren nicht allein die großen Corona-Partys, die Streifenpolizisten und die Bußgeldstelle der Stadt nun viele Wochen lang beschäftigten, sondern auch Verstöße von Einzelpersonen oder Familien, die sich in Gebieten aufhalten, die tabu waren. So erging es beispielsweise auch Anette M. (Name von der Redaktion geändert), die vor einiger Zeit mit ihren beiden Kindern (4 und 7 Jahre) am Seeufer des Freizeitgeländes Manzell unterwegs war. Der Vierjährige warf Steine ins Wasser, die Mutter setzte sich auf den Boden. Zwei Polizeibeamte kamen vorbei. Es folgte eine Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit. Es war die erste Anzeige ihres Lebens, sagte die zweifache Mutter.
„Mittlerweile liegen der Stadt über 500 Anzeigen vor, die sowohl aufgrund von Verstößen gegen die Corona-Verordnung des Landes als auch von Verstößen gegen die städtische Allgemeinverfügung erstattet wurden.
Auch wenn die Zahl hoch erscheint, hat sich nach unseren Beobachtungen eine große Mehrheit der Bevölkerung an die bestehenden Vorschriften gehalten“, so Blank. Wie viele Anzeigen auch Einzelpersonen oder Familien betreffen, kann die Stadt nicht beziffern – denn für alle galt die Allgemeinverfügung gleichermaßen.

„Die Bußgeldstelle der Stadt wird bei allen Anzeigen nach pflichtgemäßen Ermessen über die Einleitung eines Bußgeldverfahrens entscheiden. Dabei kann auch eine Einstellung in Betracht kommen, wenn das Verschulden gering und eine Ahndung nicht geboten erscheint“, heißt es seitens der Stadt. Kurz: Nicht auf jede Anzeige folgt ein Bußgeld. Allerdings, so räumt die Stadt ein, werden jetzt auch nicht alle Anzeigen zurückgenommen. Die meisten Bußgelder wegen Verstößen gegen die städtische Allgemeinverfügung bewegten sich zwischen 55 und 100 Euro. „Es gibt aber auch deutlich höhere Bußgelder, vor allem bei Verstößen gegen die Corona-Verordnung“, erläutert Blank.
Am Naturstrand war der Aufenthalt nie verboten
Nicht überall am Häfler Seeufer war der Aufenthalt verboten. So war er beispielsweise an der Seestraße und auch am Naturstrand im Manzeller Hölzle zwischen dem geschlossenen Strandbad Fischbach und dem Freizeitgelände Manzell immer erlaubt. Naturschutzwart Julius Pietruske, der den Naturstrand ehrenamtlich betreut, beobachtete an sonnigen Wochenenden bis zu 50 Menschen: „Aber die Abstandsregeln wurden von meisten wirklich gut eingehalten.“ Seine dringliche Bitte an alle Häfler: „Verhaltet euch Natur und Mensch gegenüber respektvoll und nehmt euern Müll wieder mit.“
Bisher wurden Entscheidungen in der Corona-Krise, wie beispielsweise das Aufenthaltsverbot, von Oberbürgermeister Andreas Brand und dem Krisenstab im Rathaus allein getroffen. Der Häfler Gemeinderat hatte zwei Monate Pause, es gab also keine Debatten über das Thema. Dennoch trugen alle Fraktionen zunächst die Linie des OBs mit.
Das sagen die Gemeinderatsfraktionen zur Corona-Strategie
„Man mag nun unterschiedlicher Auffassung über die Notwendigkeit des Aufenthaltsverbots in den Grünanlagen sein, dass es aber zu einer Reduzierung der Kontakte geführt hat und damit zu einer Reduzierung der Gefahr der Infektion, ist sehr wahrscheinlich“, erklärt Wolfgang Sigg (SPD) auf Anfrage. „Während es seit Anfang März zunächst darum ging, schnellstmöglich den Shutdown herbeizuführen, geht es aktuell zunehmend darum, so schnell wie vertretbar Lockerungen zuzulassen“, schreibt Achim Brotzer (CDU).
Anna Hochmuth (Bündnis 90/Die Grünen) sagt: „Mittlerweile ist klar, dass die Bevölkerung verstanden hat und sich größtenteils an die Vorgaben hält“. Die Grünen seien daher für Lockerungen – im Rahmen der Corona-Verordnung. Dagmar Hoehne (Freie Wähler) begrüßt insbesondere, dass das Spielen nun wieder erlaubt ist.
Sylvia Hiß-Petrowitz (ÖDP/parteilos) findet: „Es hat sich gezeigt, dass die Häfler und Häflerinnen durchaus für sich Verantwortung übernehmen und sich an die Distanzgebote im Freien halten – das sollte honoriert werden.“ Das sieht auch Gaby Lamparsky (FDP) so: „Nachdem es seit Tagen kaum noch bestätigte neue Infektionsfälle im Bodenseekreis gibt, ist es Zeit für Lockerungen.“
Kritik kommt vom Netzwerk für Friedrichshafen. „Alle Maßnahmen unterliegen dem wichtigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und nicht nur uns drängt sich manchmal der Eindruck eines insbesondere kommunalpolitischen Überbietungswettbewerbs auf, der mehr mit politischer Profilierung und weniger mit effektivem Gesundheitsschutz zu tun hat“, sagt Jürgen Holeksa.