„Hinaus in die Natur zu gehen ist immer möglich“, sagt Gertrud Fissl. Zusammen mit ihrer Freundin Christine Laun hatte sie eine Idee. Die beiden Frauen aus Friedrichshafen haben Futterhäuschen für Vögel aufgehängt. Nicht im eigenen Garten oder auf dem eigenen Balkon, sondern zwei auf dem Alten Friedhof und eines am Rand des Riedlewalds.
Gertrud Fissl ist überzeugt: „Die heimischen Vögel sind dankbar für jeden Futterbeitrag.“ Doch nicht nur die Vögel sollen daran ihre Freude haben, auch für die Menschen soll das Projekt eine Bereicherung sein. Dort, wo die Vogelhäuschen aufgehängt sind, sagt sie, stehe jeweils eine Bank in der Nähe, so dass man in aller Ruhe und in gemütlicher Position die Vögel beobachten könne. Aber sollen Wildvögel überhaupt gefüttert werden?
Was es bei der Wahl des Futters zu beachten gibt
Zu einer Fütterung von November bis Ende Februar sagt der Naturschutzbund (Nabu) ganz klar ja. Das Thema, das selbst unter Ornithologen kontrovers diskutiert wird und das für ordentlich Zündstoff sorgt, will Gerhard Kersting, Geschäftsführer des Naturschutzzentrums in Eriskirch aber nicht so hoch aufgehängt wissen. Er sagt: „Manchmal hat man den Eindruck, dass es sich dabei um grundlegende Glaubensfragen handelt.“

Futter muss hochwertig und artgerecht sein. Brot, da sind sich die Ornithologen einig, sei keine geeignete Nahrung für Vögel, da es zu viele Kohlehydrate und Salz enthält und im Magen quillt. Als Basisfutter eignen sich laut Nabu vor allem Sonnenblumenkerne, die von beinahe allen Vögeln gefressen werden. Körnermischungen hätten den Vorteil, dass die unterschiedlichen Samen den verschiedenen Geschmäckern der Vogelarten entgegenkommen.
Keinesfalls sollte Futter aber Ambrosia-Samen enthalten. Die daraus hervorgehenden Pflanzen können Menschen mit Allergien massive Probleme bereiten. Meisenknödel sind bei allen Meisen beliebt, da die Körner mit Fett angereichert sind. Wichtig sei dabei aber laut Nabu, dass diese Energiequellen frei von Plastiknetzen sind, da sich die Füßchen der Vögel darin verheddern können.

Vor allem kaum gefährdete Arten sind Nutznießer der Fütterung
Doch während Naturliebhaber uneingeschränkt von der Nähe ihrer gefiederten Freunde profitieren, sieht das bei den Vögeln anders aus. Vor allem häufige und kaum im Bestand gefährdete Arten im Umfeld der Menschen seien Nutznießer der Fütterung, gibt Kersting zu bedenken. Meist seien dies Kohlmeisen, Blaumeisen, Haussperlinge, Feldsperlinge, Buchfinken, Amseln und bei geeignetem Futter auch Rotkehlchen. In Waldnähe kämen noch Buntspechte, Haubenmeisen, Tannenmeisen, manchmal auch Erlenzeisige, Eichelhäher und Gimpel dazu. Trotzdem sei das Füttern gut.
Auf landwirtschaftlich genutzten Flächen bleibt immer weniger für Vögel verfügbare Nahrung übrig. Getreidefelder zum Beispiel werden – anders als früher – direkt nach dem Ernten umgepflügt. Deshalb kommen auch regelmäßig Feldsperlinge ans Futterhaus. Eine Art, die in den vergangenen Jahrzehnten deutlich seltener geworden ist, wie der Diplom-Biologe betont.

Füttern allein kann nicht die Lösung sein
„Es sollte klar sein, dass die Vogelfütterung die Probleme der Vogelwelt nicht löst“, gibt der Nabu zu bedenken. Einen naturnahen Garten, eine giftfreie Landwirtschaft und ein reiches Angebot an Nistmöglichkeiten könne man nicht durch ein paar Futterhäuschen ersetzen.
„Um dem Artenrückgang und dem quantitativen Rückgang vieler Vögel entgegenzuwirken, müssen dringend andere Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden“, fordert auch Kersting. Dazu gehöre vor allem der Schutz des Lebensraums, auch mithilfe der Agrarwende. „Hier bringen zum Beispiel Brachestreifen am Rande von Äckern viel“, sagt er. Auffallend sei, wie viele Kleinvögel auf solchen Flächen oder auch Sonnenblumenfeldern, die über Winter stehen bleiben, anzutreffen seien. Darunter Distelfinken, Bergfinken und Hänflinge. Mit Futterstellen außerhalb des Siedlungsbereichs wäre er deshalb eher zurückhaltend. Ihr Nutzen sei im Vergleich dazu eher gering.
Polizeiverordnung untersagt Füttern von Tauben und Wasservögeln
Und was sagt der Gesetzgeber zur Fütterung außerhalb des heimischen Gartens? Die Pressestelle der Stadt Friedrichshafen teilt auf Nachfrage mit: „Nach der städtischen Polizei-Verordnung ist es verboten, Tauben und Wasservögel in Grün- und Erholungsanlagen zu füttern. Zum einen soll die Vermehrung von Vögeln wie Tauben und Möwen nicht noch weiter gefördert werden, da diese in manchen Stadtbereichen und Gebäuden zu Verschmutzungen oder Lärm führen oder zur Plage werden. Falls das Futter von Vögeln unvollständig aufgefressen wird, besteht außerdem die Gefahr, dass sich Mäuse und Ratten an Futterstellen ansiedeln und die Futterstellen verschmutzen. Bürgerinnen und Bürger sollten daher lediglich im privaten Raum artgerechtes Futter zur Verfügung stellen.“
So, wie man im Garten des Nachbarn kein Futterhäuschen aufstellen darf, so wenig dürfe man das in öffentlichen Grünanlagen, erklärt eine Sprecherin der Stadt das Verbot. Denn auch diese Flächen hätten einen Besitzer. Zudem bestehe die Gefahr, dass solche Futterstellen verwahrlosen und das verunreinigte Futter Krankheitserreger übertragen würde.
Häflerinnen wollen Mensch und Tier etwas Gutes tun
Gertrud Fissl und Christine Laun haben für dieses Verbot kein Verständnis. Ihre Futterstellen hängen in großen Bäumen, sodass sich auch Katzen nicht unbemerkt anschleichen können. Sie füttern nach eigenen Angaben nur artgerechtes Futter aus dem Fachgeschäft und bieten es in geeigneten Futterhäuschen und Silos an, die sie regelmäßig reinigen. Körner und Samen könnten so nicht verkoten und deshalb keine Krankheiten übertragen, betonen die Vogelfreundinnen. Für Möwen, Tauben und Wasservögel seien die Futterstellen zudem gänzlich ungeeignet. Gertrud Fissl ist davon überzeugt, dass sie für Mensch und Tier etwas Gutes und Sinnvolles tun.