Ornithologe Peter Berthold kommt sofort zur Sache. Die Pandemie habe überwiegend negative Folgen für die Natur. Wenn der emeritierte Professor für Vogelkunde loslegt, nimmt er kein Blatt vor den Mund. „Seit Corona erleben wir eine Verrummelung der Landschaft“, sagt er und schiebt gleich ein paar drastische Schilderungen hinterher. „Der Mummelsee im Schwarzwald ist zum Rummelsee geworden“, schimpft er.

„Die Leute parken mit Autos und Wohnmobilen den letzten Winkel zu. Sie fahren bis in die Kernzonen der Wälder. Ich habe noch nie so einen Massenandrang im Schwarzwald gesehen wie seit Corona.“ Das habe katastrophale Auswirkungen auf die Natur, nicht nur im Schwarzwald, sondern in ganz Deutschland und den Nachbarländern.

Keinen Respekt vor Schutzgebieten

Heftige Kritik übt Peter Berthold an der wachsenden Zahl der Wohnmobilisten, die keinen Respekt mehr vor Schutzgebieten hätten. Es herrsche die Haltung: „Wenn wir in der Pandemie schon nichts mehr dürfen, dann wollen wir wenigstens in die Natur“, stellt Berthold fest. „Das ist ein Anspruchsdenken, das wir nie für möglich gehalten hätten.“

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Er beschreibt, wie Familien in seinem Wohnort Billafingen ein mühsam entwickeltes Biotop, den Sielmann-Weiher, zum Freizeitgelände umfunktioniert haben, weil die Spielplätze im Corona-Lockdown gesperrt waren. Bei solchen Schilderungen schlägt sein Unverständnis in Zorn um. Denn Peter Berthold kämpft seit Jahren in der Sielmann-Stiftung dafür, dass jede Gemeinde ihr Biotop, eine Art Arche Noah, bekommt.

„In den nächsten Jahren werden wir 30 bis 35 Vogelarten verlieren“

Über 130 Biotope in 44 Gemeinden sind mittlerweile entstanden. Eines davon ist der Sielmann-Weiher in Rielasingen-Worblingen. „In guten Jahren können wir deutschlandweit fünf Hektar Fläche in Biotope umwandeln, wo sich Restnatur sammeln kann“, erklärt Peter Berthold. „In der gleichen Zeit werden aber 20 Quadratkilometer Fläche versiegelt.“

In Billafingen hat die Tierwelt den vor 15 Jahren geschaffenen Heinz-Sielmann-Weiher erobert.
In Billafingen hat die Tierwelt den vor 15 Jahren geschaffenen Heinz-Sielmann-Weiher erobert. | Bild: Hanspeter Walter

Während sich der Ornithologe über die Ansiedlung von Flussuferläufern, eines Neuntöterpaars und des Eisvogels in der Worblinger Oase freut, sieht er rundherum den Weltuntergang. „In den nächsten Jahren werden wir 30 bis 35 Vogelarten verlieren“, prophezeit er. Der Wald werde zusammenbrechen, hohe Bäume mit Nistmöglichkeiten verschwänden; die Böden würden durch industrielle Landwirtschaft mit schwerem Gerät verdichtet.

Berthold warnt vor der Apokylpse

Peter Berthold wird nicht müde, vor der nahenden Apokalypse zu warnen. „Seit 1800 haben wir 80 Prozent der Vögel verloren“, erklärt der emeritierte Professor. „Eine Besserung ist nicht in Sicht.“ In Büchern, Funk und Fernsehen beschreibt er die vom Menschen gemachte Katastrophe und wirbt für die Einrichtung von Schutzräumen. So auch am 16. Januar um 7.30 Uhr in der SWR-Sendung Tele-Akademie: „Höchste Zeit für Archen Noahs“.

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In den vergangenen 15 Jahren seien viele Menschen nicht mehr in der Heimat unterwegs gewesen, sondern hätten nur Fernreisen unternommen. Einige hätten während der Corona-Lockdowns ihre Umgebung besser kennengelernt und massive Veränderungen in der Natur entdeckt. Sie hätten jetzt den Wunsch, etwas gut zu machen. „Diese positive Entwicklung gibt es auch“, sagt Berthold und erwähnt ein Beispiel aus Gottmadingen. Der dortige Geflügelhof Ruh vermietet Leihhühner mit samt der Ausstattung an Familien.

Es gibt auch kleine Zeichen der Hoffnung: die Rückkehr der Waldrappe

Bei aller Kritik an der Konsumhaltung sind solche Initiativen für Peter Berthold ein kleines Zeichen der Hoffnung. Auch die zaghafte Rückkehr der Waldrappen. Diese schwarzen Vögel mit den kahlen Köpfen waren in der Region heimisch, bis sie durch die Jagd ausgerottet wurden. Eine kleine Population dieser Zugvögel konnte in den vergangenen Jahren wieder im nördlichen Bodenseeraum angesiedelt werden.

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Berthold ist Pate eines Vogels, der Professor getauft wurde. „Wenn der Klimawandel voranschreitet, könnten die Waldrappen auch hierbleiben“, vermutet er und erinnert an die überwinternden Störche in Böhringen. Jeder könne in seinem heimischen Garten etwas für die Artenvielfalt tun, etwa mit einer ganzjährigen Vogelfütterung. In seinem Standardwerk „Vögel füttern – aber richtig“, gibt der ehemalige Direktor der Vogelwarte Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie zusammen mit Gabriele Mohr Tipps zur Unterstützung der Vogelarten.

Fütterung das ganze Jahr

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Auf seinem Grundstück betreibt der Vogelkundler ganzjährig zwei Futterstellen. Einmal im Monat werden die Vögel gefangen und beringt. Freudig berichtet Berthold von vielen Tausend geflügelten Gästen. Auch aus Radolfzell-Stahringen hat er eine gute Nachricht: „Dort konnten wir bei einer Beringungsaktion an nur einem Tag 40 verschieden Arten zählen, darunter 157 Blaumeisen und 13 Buntspechte.“