Wer im Winter in Gärten und auf Balkone blickt, der sieht oftmals Meisenknödel oder Futterhäuschen an Ästen oder Geländern baumeln. Für viele Menschen gehört es zur kälteren Jahreszeit dazu, wildlebenden Vögeln unterstützende Futterangebote zu machen. Aber ist das wirklich nötig? Ja, sagt Vogelexperte Peter Berthold vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell – „mehr denn je“.

Zu viele Pestizide, zu viele Mäharbeiten

Grund dafür sei das schwindende Nahrungsangebot in der freien Natur: „Das Futter, das draußen zur Verfügung steht, nimmt ab“, beklagt Berthold – übrigens nicht nur im Winter, sondern grundsätzlich. Grund dafür sei zum einen das Insektensterben, wofür hauptsächlich die industrielle Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden dafür verantwortlich gemacht wird. Wie der BUND Landesverband Baden-Württemberg auf seiner Internetseite erklärt, gibt es mittlerweile 75 Prozent weniger Insekten als noch vor 30 Jahren. Und das hat Folgen: „Im Winter sind viel weniger Larven und Puppen zu finden als das früher einmal war“, sagt Peter Berthold.

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Und zum anderen hätten Vögel früher viel mehr Körner in der Natur gefunden, etwa an Feldern oder Straßenrändern. Dort seien viele Wildpflanzen gewachsen und hätten auch im Winter im verblühten Zustand noch Samen bereitgehalten. Mittlerweile würden Felder umgepflügt und Wiesen oder Straßenränder viel zu häufig gemäht, beklagt Peter Berthold. „Da entwickelt sich nicht ein Samen.“ Natürliches Futter sei dadurch kaum zu finden. „Das ist tödlich für Vögel.“

„Moralische Verpflichtung“

Bis 1800 hätten Vögel noch gar nicht gefüttert werden müssen, obwohl es damals 80 Prozent mehr Exemplare gegeben habe. „Das Vogelfüttern hat man damals angefangen, um die Vögel ans Haus zu locken“, erklärt der Experte. Heute sähe das anders aus, zu füttern sei nun dringend notwendig, wenn die Vogel erhalten bleiben sollen. Und nicht nur das: „Nachdem wir die ganze Natur ausgebeutet haben, ist es heute eine moralische Verpflichtung“, findet Peter Berthold.

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Aber nicht nur die heimischen Vögel, auch Zugvögel wollen versorgt werden. „Jetzt kommen Unmengen von Vögeln aus dem Osten und Norden zu uns“, berichtet Peter Berthold. Viele davon würden hier sterben, weil sie nicht ausreichend Futter finden. „Die stürzen sich auf Futterstellen.“ Dabei würden sich die Vögel merken, wo gefüttert wird und dort hin auch zurückkehren.

Vor allem Körnermischungen verfüttern

Und was soll gefüttert werden? Nussmischungen? Meisenknödel? „Fett ist im Winter gar nicht so besonders gut“, sagt Peter Berthold. Zum einen sei es bei kalten Temperaturen sehr hart, außerdem werde es vor allem im Sommer gebraucht, wenn die Vögel viel fliegen, weil es direkt im Brustmuskel verbrannt werde. Lieber sollten jetzt Körnermischungen oder fettgetränkte Haferflocken verfüttert werden. „Die Vögel leben im Winter mehr von den Kohlehydraten“, so der Experte. Von getrockneten Insekten rät er außerdem ab. „Wenn man Geld für sowas ausgibt, dann lieber für lebendige Insekten.“ Diese seien allerdings sehr teuer.

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Vor allem aber sollte die Fütterung nicht nur auf den Winter beschränkt werden, appelliert Peter Berthold. Stattdessen sollten die Vögel das ganze Jahr über unterstützt werden. „Die Sommerfütterung ist mittlerweile wichtiger als die Winterfütterung“, sagt er. Im Winter sei der Bedarf geringer als im Sommer, wo die Vögel aktiver sind, weil die Nächte kürzer sind. Besonders viel Energie und damit Futter brauchen die Vögel auch, wenn sie ihre Jungen aufziehen und sich permanent auf Nahrungssuche machen müssen. Der Futterbedarf sei da ungefähr 100 Mal höher als im Winter, hatte Berthold bereits in der Vergangenheit betont.

Besonders beliebt sind Futterhäuser

Gefüttert werden kann laut Peter Berthold auch auf dem Balkon, von der Nähe zu den Wohnräumen ließen sich die Vögel nicht abschrecken. Sie kämen sogar in großer Zahl, „ganz besonders, wenn der Balkon nicht allzu hoch liegt“. Besonders gut käme eine Fütterung im „guten alten Futterhaus“ an, das sei bei vielen Vögeln am beliebtesten. Die Vögel könnten das Futter dort gut erreichen, hätten eine gute Übersicht über das Nahrungsangebot und könnten gut davonfliegen, wenn sich Räuber wie etwa Katzen nähern.