Sie arbeiten abends, nachts, an Feiertagen und oft auch über die eigenen Belastungsgrenzen hinaus: Pflegekräfte in Krankenhäusern und Heimen sind die Helden der Pandemie, doch fürstlich bezahlt werden sie nicht. 2021 gab es lediglich anerkennende Worte, nicht mehr Geld. Ursprünglich hatte die neue Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass nur Intensivpfleger einen Bonus erhalten sollten, jetzt wurde das Vorhaben auf 2022 verschoben. Wäre eine Prämie für einzelne Pflegebereiche gerecht?

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„Es wäre einfach nicht richtig, ausschließlich der Intensivpflege Prämien auszuzahlen, denn auch die Mitarbeiter auf den Normalstationen der Kliniken sind stark gefordert“, sagt Karin Amann, Pflegebereichsleiterin der Abteilung Innere Medizin. Sie verantwortet die Corona-Station 23, auf der Covid-19-Patienten gepflegt werden, die nicht intensivpflichtig sind. „Wir machen hier viel Palliativbegleitung, das ist sehr belastend für alle“, sagt sie, „und auch auf den anderen Stationen wird hart gearbeitet. Ich wünsche mir diesen Bonus für alle Mitarbeiter im Krankenhaus.“

Karin Amann ist Pflegebereichsleiterin auf der Corona-Station.
Karin Amann ist Pflegebereichsleiterin auf der Corona-Station. | Bild: Wienrich, Sabine

Was Pflegende verdienen

Pflegerin Ajdina, die auf der Station 23 Covid-Kranke pflegt, stimmt ihrer Chefin Karin Amann zu: „Wir wollen keinen Applaus, sondern einfach nur Anerkennung.“ Und ja, dazu gehöre auch eine bessere Bezahlung. Während ihr Partner im Home-Office eine nette Corona-Prämie vom Arbeitgeber bekomme, gehe sie leer aus. „Dabei arbeiten wir hier wie verrückt“, sagt sie.

„Wir wollen keinen Applaus, sondern Anerkennung“, sagt Pflegerin Ajdina. Während ihr Partner im Home-Office einen ...
„Wir wollen keinen Applaus, sondern Anerkennung“, sagt Pflegerin Ajdina. Während ihr Partner im Home-Office einen Corona-Bonus von der Firma bekam, ging sie bisher leer aus. Doch, um den Pflexit – also den Pflegenotstand – zu stoppen, brauche es viel mehr als Prämien, meint der Deutsche Pflegerat. | Bild: Wienrich, Sabine

Haben nicht alle Pflegekräfte mehr verdient?

Auch der Deutsche Pflegerat und die Gewerkschaften sehen in Corona-Prämien ein Gerechtigkeitsproblem – denn wer entscheidet über die Verteilung? „Wir sind der Auffassung, dass ein Bonus nie gerecht sein kann, denn viele Pflegende haben eine enorme Mehrbelastung bewältigt, die allerdings sehr unterschiedlich war: So sind die Anforderungen und Belastung von Pflegefachpersonen auf Intensivstationen ganz andere als die in stationären Pflegeeinrichtungen, der ambulanten Pflege oder im Hospiz“, erklärt Ute Haas, Geschäftsstellenleiterin des Deutschen Pflegerats, „hier objektiv nachvollziehbare Kriterien anzulegen, nach denen ein Bonus verteilt werden kann, erscheint uns nahezu unmöglich. In der Folge entsteht Unmut bei den Pflegenden, der nicht der Sinn der Sache ist.“

Martin Gross ist Bezirksleiter der Gewerkschaft Verdi in Baden-Württemberg, in der viele Pflegekräfte organisiert sind.
Martin Gross ist Bezirksleiter der Gewerkschaft Verdi in Baden-Württemberg, in der viele Pflegekräfte organisiert sind. | Bild: Bernd Weißbrod

Ähnlicher Meinung ist auch Verdi-Landeschef Martin Gross, der nicht will, dass die Prämie die Beschäftigten aus verschiedenen Berufsgruppen spaltet. Dabei verweist er auf den Daimler-Konzern, der seinen Industriemitarbeitern einen Bonus von 6000 Euro ausgezahlt habe: „Es würde die Menschen im Land mit Scham erfüllen, sollten die Beschäftigten in Krankenhäusern nur einen Bruchteil der Anerkennung bekommen, die Industrie-Beschäftigte erhalten.“ Doch genau so sieht es auch aktuell in Friedrichshafen aus: Die Industriemitarbeiter bekommen einen höheren dreistelligen Betrag, die Pflegekräfte gehen leer aus.

Zeppelin-Stiftung übernimmt keine Prämie

Könnte nicht die Zeppelin-Stiftung Abhilfe schaffen, wenn die Politik sich nicht einig wird? Die Antwort der Stadt Friedrichshafen ist eindeutig: „Eine Sonderzahlung an die Pflegekräfte aus dem Stiftungshaushalt wäre tariflich nicht abdeckbar und müsste von den Beschäftigten versteuert werden“, so Stadtsprecherin Monika Blank. Sie verweist außerdem auf den von der Ampelregierung angekündigten Pflegebonus von bis zu 3000 Euro pro Person, der im ersten Quartal 2022 erfolgen soll, dessen Umstände aber bisher völlig unklar sind.

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Für den Deutschen Pflegerat ist das zu wenig. „Wir hätten uns gewünscht, dass statt eines Bonus die Vergütung der Pflegenden dauerhaft angehoben wird. Wir hoffen, dass mit der neuen Bundesregierung hier Verbesserungen zu erreichen sind, die eine tatsächliche und dauerhafte Wertschätzung darstellen“, erläutert Haas. Dem stimmen auch die Pflegekräfte auf Station 23 zu. „Wir waren bereits vor der Pandemie am Limit und und das hat uns den Rest gegeben“, sagt Pflegerin Jessica. Auch Geschäftsführender Oberarzt Dr. Günther Welte, der die Corona-Intensivstation verantwortet, weiß, wie groß die emotionale und körperliche Belastung bei seinen Mitarbeitern ist: „Ich habe Pflegekräfte, die bereits angekündigt haben, während einer fünften Welle Arbeitszeit zu reduzieren, weil sie es einfach nicht mehr schaffen.“ Ein Bonus allein sei nicht ausreichend, um den Pflexit – also den Pflegenotstand – zu stoppen.