Als der Turnverein Radolfzell erstmals zum gemeinsamen Sport aufrief, waren noch keine Autos auf den Straßen unterwegs, dafür existierte das Deutsche Kaiserreich und in England saß Queen Victoria auf den Thron. Denn der Verein wurde 1875 gegründet, damals mit gerade einmal 26 Mitgliedern. Mittlerweile sind es rund 1670 – und sie alle freuen sich in diesem Jahr über das 150-jährige Jubiläum des Vereins. Es soll im Juli mehrere Tage lang mit einem umfangreichen Festprogramm gefeiert werden.

Von 26 zu 1670 Mitgliedern

Denn zu feiern gibt es einiges. Schließlich ist der Turnverein seit seiner Gründung nicht nur kräftig gewachsen, gleichzeitig hat er auch sein Angebot deutlich ausgebaut und außerdem so manche Krise überstanden. Aus anfangs 26 Mitgliedern wurden rasch mehr, schon 1900 gab es über 200 und 1975 über 1000. Mittlerweile setzen sich die 1670 Mitglieder zu 41 Prozent aus Männern und 59 Prozent aus Frauen zusammen, fast 41 Prozent davon sind zudem Kinder.

Freuen sich auf die 150-Jahr-Feier des TV Radolfzell (von links): Mia Jöhle, Vorsitzender Günter Thyssen, Christina Fauti und Peggy Jahn ...
Freuen sich auf die 150-Jahr-Feier des TV Radolfzell (von links): Mia Jöhle, Vorsitzender Günter Thyssen, Christina Fauti und Peggy Jahn von der Geschäftsstelle des TV vor dem Turnerheim. | Bild: Marinovic, Laura

Mit den Mitgliedern wächst auch die Bedeutung des Vereins in der Stadt: machte der Anteil der Mitglieder 1875 gerade einmal 1,44 Prozent der Bevölkerung in Radolfzell aus, sind es inzwischen 8,79 Prozent.

Immer mehr wird geboten

Außerdem wurden schnell neue Abteilungen aus der Taufe gehoben. 1930 wurde das Preiskleppern ins Leben gerufen, das sogar in der Satzung verankert ist. Dort heißt es nämlich, das Brauchtum solle durch den Turnverein gefördert werden. Weiter kam 1949 die Faustball-Abteilung hinzu, 1963 die Leichtathletik-Abteilung, 1972 die Volleyball- und Beachvolleyball-Abteilung und später folgten noch Tanzen und Sportaerobic, Basketball sowie zuletzt 2023 die Cricket-Abteilung und das Inklusionsangebot ‚Bunte Bären‘.

Zusammen mit den Bereichen Fitness und Gesundheit, dem Geräteturnen sowie dem Eltern-Kind-Turnen gibt es so elf Abteilungen beim Turnverein. Auch innerhalb der Abteilungen tut sich was: Im Volleyball wurde laut dem Vorsitzenden Günter Thyssen zuletzt eine Kindergruppe gegründet, außerdem gebe es eine neue Fitnessgruppe für Männer aus den Babyboomer-Jahren zwischen 1954 und 1969.

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Damit das große Angebot allerdings bestehen kann, braucht es jede Menge ehrenamtliche Übungsleiter. Etwa 110 gibt es aktuell, außerdem wird die Geschäftsstelle seit einiger Zeit durch eine 60-Prozent-Stelle besetzt. Anders gehe es nicht mehr, erklärt Günter Thyssen: „Es ist ein organisatorischer Aufwand“, sagt er, und lobt das Engagement der Mitglieder.

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Weltkriege, Nuklearkatastrophe, Hochwasser

In 150 Jahren gab es auch manch schwere Zeiten durchzustehen. Nicht nur musste der Verein nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut werden – nach einem Verbot 1945 wurde er sogar erst einmal neu gegründet. Auch mussten nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1968 Leichtathletikveranstaltungen im Stadion wegen Strahlengefahr abgesagt werden. Außerdem musste während der Corona-Pandemie der Sportbetrieb vorübergehend komplett eingestellt werden.

So sah das alte Turnerheim des TV Radolfzell aus. Nach dem Hochwasser 1999 wurde ein neues gebaut.
So sah das alte Turnerheim des TV Radolfzell aus. Nach dem Hochwasser 1999 wurde ein neues gebaut. | Bild: SK-Archiv

Hinzu kam, dass das alte Turnerheim, das 1971 in Betrieb genommen wurde, zweimal mit Hochwasser zu kämpfen hatte. Im Jahr 1987 stand das Wasser unterhalb der Fenster des Gebäudes. Das Hochwasser im Sommer 1999 hatte schließlich noch schlimmere Folgen: Um größere Schäden zu verhindern, musste das Turnerheim sogar geflutet werden, konnte während der Sommersaison nicht genutzt werden und musste schließlich durch einen Neubau ersetzt haben. Dieser wurde 2002 eingeweiht und lockt noch heute sowohl Mitglieder als auch Gäste auf die Mettnau, denn das Gebäude beherbergt auch eine Gaststätte.

Es geht um Sport und Gemeinschaft

Wie die Verantwortlichen berichten, erfülle der TV Radolfzell innerhalb der Stadt nicht nur eine sportliche Funktion. „Er ist auch wichtig für die soziale Integration und das Gemeinschaftsgefühl“, betont Günter Thyssen. Kinder könnten innerhalb des Vereins zum Beispiel anständigen Umgang miteinander lernen, außerdem behalten Senioren den Anschluss.

Auch würden Menschen verschiedener Altersgruppen und Herkunft zusammengebracht werden, die Identifikation mit der Stadt und dem Brauchtum werde gefördert und durch Wettkämpfe, Sportfeste und andere Veranstaltungen werde das Stadtleben bereichert.

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Dazu beitragen soll auch das Jubiläumsfest im Juli. Wie Christina Fauti vom Turnverein berichtet, stehe das Programm für die Festtage vom 11. bis 13. Juli bereits. „Wir bieten für alle Altersgruppen etwas an verschiedenen Tagen an“, kündigt sie an.

Was bietet das Fest?

Los gehe es so am Freitag, 11. Juli, ab 19 Uhr mit einer Jubiläumsparty auf dem Turnergelände auf der Mettnau, die sich auch an die Jugend richte. Ab 20 Uhr soll ein DJ auflegen, außerdem gibt es verschiedene Angebote wie eine Fotobox und Fußballdart. Am Samstag, 12. Juli, ist tagsüber ein Mitmach- und Spitzensport-Programm geplant, bei dem es etwa Fitnesstests geben soll und bei dem Rudern auf dem See angeboten wird. Am Abend beginnt um 17.30 Uhr ein Festabend, bei dem Sportgruppen auftreten und das Improtheater Konstanz unterhält. Ab 22 Uhr legt wieder ein DJ auf.

Der Sonntag, 13. Juli, beginnt mit einem ökumenischen Gottesdienst, ehe ein Weißwurstfrühstück mit musikalischer Unterhaltung durch die Seegauner Musikanten folgt. Danach zeigen verschiedene Gruppen des TV Aufführungen, es werden Anekdoten aus dem Vereinsleben erzählt und es gibt unter anderem Kinderschminken, eine Fotobox und ein Spielmobil. Ab 14 Uhr unterhält außerdem Barbara Mauch musikalisch.

An allen Festtagen wird außerdem im Turnerheim die Vereinsgeschichte anhand Bildern, Texten und Ausstellungsstücken gezeigt. „Das ist wie ein kleines Museum“, schildert Mia Jöhle.