Schon mal von der „Heiligenberger Russe“, der „Hankas gefleckte“ oder der „Salemer Weiße“ gehört? Nein, das sind keine speziellen Biermischgetränke, sondern hier geht es um Stangenbohnensorten. Dazu gehören auch die „Mahlspürer Bohne“ oder die „Owinger Gartensorte“. Wer lieber Buschbohnen in seinem Garten haben will, der kann es mit der „Badischen Gartensorte“, derjenigen aus Stefansfeld oder auch der „Hagnauer Buschbohne“ versuchen.

Abgabe der Samen bei der Saatgutbörse im Frühjahr
Diese Namen sagen aus, dass die Sorten aus der Region stammen. Im Saatgutregal beim Discounter oder im Gartencenter wird man sie allerdings selten oder auch gar nie finden. Im Samengarten Salem jedoch werden solche Sorten gesammelt, vermehrt und immer im Frühjahr gibt die „Initiative Saatgutbildung“ sie bei einer Saatgutbörse ab.

Verein Solawi Heiligenberg gibt Jungpflanzen ab
Wer jedoch Jungpflanzen aus selbst gewonnenem Saatgut haben will, der ist beim Verein Solawi Heiligenberg richtig. Dort wird nicht nur Gemüseanbau betrieben, sondern es werden auch Jungpflanzen zum Verkauf herangezogen. Das kommt daher, dass Maria Schlegel schon seit vielen Jahren im Samengarten Salem aktiv ist und vergangenen Sommer zusammen mit einigen Mitstreitern die ehemalige Gärtnerei von der Camphill-Schulgemeinschaft Föhrenbühl übernommen hat. Wenn man sie sucht, dann findet man die 43-Jährige in einem der Gewächshäuser der Gärtnerei.
Alte Gemüsensorten aus dem eigenen Garten liegen im Trend
Schon vor Corona-Zeiten kamen viele Menschen wieder darauf zurück, im eigenen Garten Gemüse anzubauen. Weg von Tomaten, die auf Substratlösung in einem Gewächshaus wachsen, weg von Salat, der mehrfach gespitzt wird, ehe er in den Handel kommt und auch weg von Tomaten, die zwar gut aussehen, aber den vollen Geschmack vermissen lassen.
Wer behaupten kann, dass sein Salat aus dem eigenen Garten kommt, der tut das oft mit Stolz. Dieser Trend hat sich weiterentwickelt und immer mehr Menschen schauen täglich nach ihren Bohnen, Zucchini oder Rettichen.
Sorten passen in die Region
Oft sind es die bunten Tütchen, auf denen herrliche Früchte abgebildet sind, die Lust auf Garten machen. Doch bei den Abbildungen ist es manchmal wie bei den Torten aus Backbüchern: Vision und Realität klaffen auseinander. Das hängt im Garten auch mit dem Klima zusammen. „Geeignet für Mitteleuropa“ auf der Saatguttüte ist zwar ein Anhaltspunkt, aber wer bei der Saatgutbildung in Salem seine Samen holt, oder Jungpflanzen von der Solawi Heiligenberg, der kann davon ausgehen, dass die Sorten auch gut zur Region passen. Und dass er hier zu Samenkörnern oder Jungpflanzen kommt, die man sonst nirgends bekommt.
Zuwanderer brachten interessante Pflanzen mit
„Gemüse aus der Region hat bei uns absoluten Vorrang“, sagt Maria Schlegel. Das bedeutet aber nicht, dass die Pflanzen schon immer zwischen Donau und Bodensee heimisch gewesen sein müssen. Viele Menschen, die im Laufe der Jahre aus dem Ausland gekommen sind, haben auch ihre Gemüsesorten mitgebracht und diese dann dem hiesigen Klima angepasst.

Deshalb findet man im Sortiment in Steigen auch die „Rumänische Wachtelbohne“. Die uralte Sorte haben rumänische Migranten in die Region gebracht. Bei ihr verwendet man vorwiegend die Kerne. Das ist auch bei der Schwabenbohne so, die aus einem Garten bei Bad Saulgau stammt. Die Stangenbohne Heiligenberger Russe hat ihre Herkunft bereits im Namen und wurde nach dem zweiten Weltkrieg in einem Garten in Heiligenberg vermehrt.
Exoten werden an das Klima der Region angepasst
Schlegel und ihre Vereinsmitglieder bringen aber auch immer mal eine Sorte von einer Saatgutbörse mit und vermehren sie dann. So ist die kubanische Reisbohne in unsere Gärten gekommen und auch die Lima-Bohne. Sie werden dem Klima in der Region angepasst. Gartenfreunde versorgen sich bei der Saatgutbörse in Salem-Neufrach nicht nur mit Saatgut, sie bringen auch welches mit, damit es weitergegeben werden kann. So mancher alten Sorte ist auf diese Weise das Verschwinden aus den Gärten erspart geblieben.

„Es ist schon faszinierend, dass man aus einer Pflanze, die ja nur aus einem Samenkorn wuchs, unzählige Samen erhalten und so eine unglaubliche Vielfalt wieder entstehen kann“, erklärt Maria Schlegel. Das schone nicht nur den Geldbeutel, sondern schließe auch den Kreislauf in der Versorgung mit eigenem, frischem Gemüse. Und sollte man einmal den Erntezeitpunkt verpasst haben und das Gemüse ist geschossen, also in die Blüte gegangen, kann man in der Samenentnahme dennoch eine sinnvolle Verwendung finden.
Hybridpflanzen sind oft nicht mal mehr keimfähig
Bei gekauften Samen aus der Großproduktion ist eine Vermehrung nicht immer möglich. So ist es bei Hybridpflanzen kaum möglich, diese weiter zu vermehren und dabei wieder die Merkmale der Mutterpflanze zu bekommen. Oft ist jedoch eine Keimfähigkeit erst gar nicht mehr zu finden. „Und auch bei veredelten Pflanzen sind die Merkmale der Mutterpflanze nicht mehr alle vorhanden“, weiß Schlegel.
Meist sind Insekten als Bestäuber nötig
Saatgut kann nur von samenfesten (vermehrungsfähigen) Gemüsepflanzen, Sommerblumen und auch Stauden gewonnen werden. Ihre Blüten wiederum müssen bestäubt werden, also ist die Anwesenheit von Insekten als Bestäuber häufig eine Voraussetzung. Gefüllte oder sterile Blüten sowie Blüten exotischer Pflanzen werden gar nicht erst bestäubt und bringen daher auch keine Samen hervor.
Was vor der Blüte geerntet wird, bildet keine Samen aus
Alle Pflanzen, die vor ihrer Blüte geerntet wurden – wie Salat oder Kohl – können ebenfalls keine Samen ausbilden. Wer von diesen Pflanzen trotzdem Saatgut gewinnen möchte, der erntet einzelne Pflanzen nicht und lässt die schönsten stehen, sondern wartet die Blüte und die Samenbildung ab.
Maria Schlegels Sortenliste von diesem Jahr umfasste rund 80 Sorten, wobei Bohnen- und Tomatensorten den größten Teil stellen. Aber auch Gurken und Paprika sind zu finden. Und natürlich gibt es seltene Dinge wie die Haferwurzel oder Ananas-Physalis.

Im Gewächshaus werden aus vielen Sorten Pflanzen gezogen. Die Ernte wird für die Mitglieder der Solawi benötigt, die durch ihren Mitgliedsbeitrag Anrecht auf eine wöchentliche Gemüsekiste haben. Da ist dann natürlich auch Salat drin. Neben dem Gewächshaus ist ein kleiner Stand mit Gemüse- und Salatpflanzen. Hier kann sich jeder etwas gegen Spende mitnehmen und in seinen Garten pflanzen.
Maria Schlegel und die anderen Gärtner geben gerne Auskunft
Falls von den Gärtnern jemand da ist, kann man sich auch Tipps holen oder Fragen stellen. Kann man Zucchini und Bohnen im heimischen Keimapparat, den man sonst für gesunde Sprossen oder Keimen benutzt, vorziehen? „Kein Problem“, sagt Maria Schlegel. Man spart dadurch Zeit. Vor allem dann, wenn der Garten im Frühjahr nicht so sehr von der Sonne verwöhnt ist.