Heiligenberg wählt am 2. April einen neuen Bürgermeister. Denis Lehmann, Hauptamtsleiter der Gemeinde, ist der einzige Bewerber. Automatisch gewählt ist er damit nicht. Das baden-württembergische Wahlrecht sieht vor, dass er beim ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen auf sich vereinen muss. Wohlgemerkt: der gültigen Stimmen.
Welche Möglichkeiten haben die Wähler trotz fehlender Auswahl?
Wer mit dem Kandidaten nicht einverstanden ist, hätte die Möglichkeit, andere Namen auf den Wahlzettel zu schreiben oder der Wahl fern zu bleiben. Wer den Wahlzettel durchstreicht, würde so eine ungültige Stimme produzieren. Aber was können die tun, die von ihrem Wahlrecht gebrauch machen und gleichzeitig ihr Missfallen über die nicht vorhandene Auswahl ausdrücken möchten?
Selbst der Bürgermeister deutete das Wahlrecht falsch
Bürgermeister Frank Amann, der sich selbst nicht mehr bewirbt, ging bislang davon aus, dass ein nicht ausgefüllter Stimmzettel eine Stimme gegen Lehmann wäre. Nach seinem „Rechtsempfinden“, sagt Amann, habe er es bislang so gedeutet. Das ist aber falsch. Denn wenn es nur einen einzigen Kandidaten gibt, genügt es, den Zettel unausgefüllt abzugeben, um für ihn zu stimmen. Bei mehr als einem Kandidaten wäre ein unausgefüllter Wahlzettel dagegen ungültig.
Prozedere korrekt auf versteckten Internetseiten erklärt
Wie richtig gewählt wird, steht auf einer weit hinten versteckten Seite der Heiligenberger Homepage. Unterm Stichwort „Dienstleistungen“ wird auf das Kommunalwahlrecht von Baden-Württemberg verwiesen und erklärt: „Enthält der Stimmzettel nur einen vorgedruckten Namen, können Sie Ihre Stimme auch abgeben, indem Sie den Stimmzettel ganz ohne Kennzeichnung abgeben.“
Prozedere im Amtsblatt nicht vollständig erklärt
Nur: Diesen Hinweis findet man nicht, wenn man nicht gezielt danach sucht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gemeinde im Amtsblatt in einer amtlichen Bekanntmachung zwar das Wahlprozedere und den rechtlichen Rahmen erklärte, aber ausgerechnet den Hinweis auf den leeren Stimmzettel, und welche Folgen er hätte, nicht erwähnte. War das ein Versehen?
In einer ersten Reaktion antwortete Bürgermeister Frank Amann auf die Anfrage des SÜDKURIER, dass er sich zunächst bei seinem Wahlleiter Gerhard Sing, dem stellvertretenden Hauptamtsleiter, erkundigen müsse. In einem darauf folgenden Telefonat räumte Sing ein, dass es sich um ein Versäumnis handle.
Falschen Text aus dem Computerprogramm gelassen
Er könne es sich nur so erklären, sagt Sing gegenüber dem SÜDKURIER, dass er das entsprechende Formular zu früh in einem Portal des Rechenzentrums namens Votemanger ausgedruckt habe. Aus Sorge, er könne etwas vergessen, habe er alle wichtigen Unterlagen zur Wahl, und damit auch die amtliche Bekanntmachung, frühzeitig ausgedruckt. Dies sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Wahlausschuss noch gar nicht getagt und die Zahl und Namen der Bewerber noch gar nicht festgestanden hätten. Je nachdem, ob im Votemanger gar kein Kandidat, ein oder mehrere Kandidaten eingegeben wird, spucke das Programm unterschiedliche Vordrucke aus. Er habe fälschlicherweise den Ausdruck verwendet, der erscheint, wenn es keinen Kandidaten gäbe.
Für einen Abdruck im Amtsblatt ist es zu spät
Er sei dankbar für den Hinweis und die Anfrage der SÜDKURIER-Redaktion. So könnten sie den fehlenden Satz in dem amtlichen Bekanntmachungen nun wenigstens online noch aufnehmen (was mittlerweile geschehen ist) und das Versäumnis so „heilen“, wie Bürgermeister Amann sagte. Für einen Abdruck im letzten Amtsblatt vor der Bürgermeisterwahl reiche es zeitlich allerdings nicht mehr.

Auf dem Wahlzettel steht am Sonntag alles korrekt
Amann verweist darauf, dass auf dem Wahlzettel selbst das Prozedere korrekt beschrieben ist. Dort heißt es unzweideutig: „Wollen Sie den Bewerber wählen, dessen Name im Stimmzettel vorgedruckt ist, so geben Sie den Stimmzettel ohne Kennzeichnung ab oder Sie setzen in das Kästchen hinter dem Namen ein Kreuz.“ Wer aufgrund des im Amtsblatt fehlenden Hinweises die Wahl anfechten möchte, so Amann, könne dies rechtlich gerne prüfen lassen. Er gehe aber davon aus, dass die Wahl Gültigkeit haben werde.
Wer nun Lehmann nicht wählen will und keine Idee hat, wen er sonst wählen könnte, dem bleibt nur, nicht zum Wählen zu gehen oder den Stimmzettel durchzustreichen, womit er aber ungültig würde und keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hätte. Amann meinte dazu: „Die Anzahl ungültiger Stimmen drückt in gewisser Weise dann ja auch einen Wählerwillen aus.“