Eine schwierige Entscheidung stand für der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung in alter Besetzung auf der Tagesordnung: Soll das Bauprojekt Kindergarten Seegaddel trotz massiver Kostensteigerung den bisherigen Planungen entsprechend fortgesetzt oder noch einmal ganz von vorn begonnen werden?
Weitere Kostensteigerungen können nicht ausgeschlossen werden
In den vergangenen drei Wochen war deutlich geworden, dass aus dem im Januar 2017 mit 4,8 Millionen Euro kalkulierten Projekt, aus dem im Mai 2018 ein 5,5-Millionen-Projekt geworden war, eher ein 6-Millionen-Euro-Projekt werden wird und auch weitere Kostensteigerungen nicht ausgeschlossen werden können – trotz reduziertem Bauvolumen, verkleinerten Innenräumen und Abstrichen an der Qualität der Ausführung.
Die Grundsatzentscheidung hätte eigentlich in einer eigens dafür anberaumten Sondersitzung am 12. Juni fallen sollen. Zuvor hatte der Gemeinderat am 20. Mai nichtöffentlich über die Kostenentwicklung und mit Einsparmaßnahmen einhergehende negative Veränderungen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses vorberaten.
Sitzung nach wenigen Minuten beendet
Wenige Stunden vor Beginn der öffentlichen Sitzung am 12. Juni seien jedoch neue Informationen im Rathaus eingegangen, die nicht so schnell bewertet und für die Gemeinderäte hätten aufbereitet werden können, erklärte Bürgermeister Johannes Henne. Deshalb wurde die Sitzung nach wenigen Minuten beendet und die Entscheidung vertagt. „Jetzt sind wir auf einem Niveau, auf dem wir die nötige Transparenz schaffen und das Thema diskutieren können“, schickte Henne jetzt den Erläuterungen von Ortsbaumeister Ulrich Kohler voraus.
Auf und Ab des Bauprojekts
Die von Kohler erstellte Sitzungsvorlage fasst auf sieben Seiten das Auf und Ab des Bauprojekts zusammen (siehe Beisteller), informiert über die Ergebnisse von Ausschreibungspaket zwei, beschreibt Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf Qualität und Funktionalität des Gebäudes und stellt Alternativen für das künftige Vorgehen und deren Konsequenzen gegenüber.
Die größten Kostensteigerungen
Ausschreibungspaket zwei umfasste Holzbau-, Dachdecker-, Sanitär- sowie Elektroinstallationsarbeiten. Die Summe der günstigsten Angebote übersteigt hier die erwartete Summe um fast 410 000 Euro. Der größte Anteil davon entfällt auf die 1,1 Millionen Euro teuren Holzbauarbeiten – das sind gut 377 000 Euro mehr als eingeplant.
Auch bei den Rohbauarbeiten aus Ausschreibungspaket eins, bei denen das günstigste Angebot mit rund 409 000 Euro mehr als 100 000 Euro höher ausgefallen war als erwartet, könnte eine Verschiebung des Baubeginns in den Herbst zu Mehrkosten von etwa 25 Prozent – sprich weiteren 100 000 Euro – führen, erklärte Kohler.
Gebäudevolumen wurde verkleinert
Zur Kostensteigerung kommt, dass im Planungsprozess bereits das Gebäudevolumen verkleinert und am Innenausbau gespart wurde. So wurden vorgesehene Holzverkleidungen durch Gipskarton- und Gipsfaserplatten ersetzt und die Breite der Gruppen- und Intensivräume reduziert. „Insgesamt ist das Gebäude somit hinsichtlich Funktion und Langlebigkeit nicht mehr optimal“, wird dies in der Vorlage zusammengefasst.
Neu planen oder fortführen?
Für das weitere Vorgehen stellte Kohler zwei Alternativen gegenüber: Die erste wäre, die Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro zu beenden und neu zu planen, die zweite, das Projekt mit derzeit kalkulierten Gesamtkosten von knapp sechs Millionen Euro fortzuführen.
750 000 Euro für Planungsprozess
Kohler erläuterte, dass bereits etwa 750 000 Euro in den Planungsprozess geflossen seien und eine Auflösung der geschlossenen Verträge etwa 125 000 Euro Schadensersatzzahlungen nach sich ziehen würden. Für eine Neuplanung sei eine Änderung des Bebauungsplans nötig, die nicht nur etwa 33 000 Euro kosten, sondern auch etwa ein Jahr dauern würde. Rechne man Planungs- und Bauzeit hinzu, sei mit einer Fertigstellung der neuen Kita nicht vor 2024 zu rechnen.
Baldmöglichst mit dem Bau beginnen
Ob die bereit gewährten Zuschüsse in Höhe von 660 000 Euro bei Aufnahme neuer Planungen noch einmal gewährt würden, sei nicht absehbar. Entscheide sich der Gemeinderat dafür, die Planung und Ausführung trotz nicht optimaler Räume fortzuführen, müsse der Rat die Kosten von 5,98 Millionen Euro akzeptieren und genehmigen. In diesem Fall könne baldmöglichst mit dem Bau begonnen werden, erklärte Kohler.
Verwaltung empfiehlt Fortsetzung
„Wenn wir mir dem Bau angefangen haben, können wir das Projekt nicht mehr abbrechen.“ Es könne nicht garantiert werden, dass die aktuell berechneten Kosten am Ende eingehalten werden können. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile empfehle die Verwaltung dem Gemeinderat, der Fortsetzung des Projektes zuzustimmen.
Markus Böhlen (Grüne) stellte die Frage, ob der Rat in alter Zusammensetzung diese Entscheidung überhaupt noch treffen dürfe. Bürgermeister Henne antwortete, dass es sich hier um eine Ausnahme handle, da die Bindefristen der Angebote am 26. Juni auslaufen. Deshalb sei die Entscheidung nicht aufschiebbar.
Dass sich die Gemeinderäte schwertaten, der Fortsetzung zuzustimmen, wurde in Stellungnahmen aller Fraktionen deutlich. „Wenn wir das Projekt jetzt abbrechen, müssten wir eine Kita für 4 Millionen bauen, um letztlich auf die gleichen Kosten zu kommen und hätten lange Verzögerungen“, fasste Martin Gomeringer (Grüne) zusammen: „Wir müssen die Sache jetzt durchziehen“. Mit einer Gegenstimme stimmte der Rat der Fortsetzung zu.
Kostenentwicklung seit Projektbeginn
- Am 19. Dezember 2016 ist nach einem Wettbewerb die Architektenleistung an den Sieger vergeben worden, das Büro Bächle-Meid aus Konstanz. Am 29. Januar 2017 schätzte Bächle-Meid die Kosten auf 4,76 Millionen Euro.
- Anpassungen des Gebäudes führten zu einem größeren Bauvolumen. Laut Sitzungsvorlage hat der Gemeinderat am 19. März 2018 in nichtöffentlicher Sitzung neue Kostenschätzungen des Architekturbüros – eine vom 8. März über 6,55 Millionen Euro, eine weitere vom 13. März über 5,85 Millionen Euro, abgelehnt. Daraufhin wurde das Bauvolumen reduziert, die Raumplanung geändert sowie Abstriche an der Qualität der Ausführung gemacht.
- Am 28. März 2018 wurden die Kosten auf 5,4 Millionen Euro geschätzt. Am 16. April 2018, so die Vorlage, habe der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung der Kostenschätzung mehrheitlich zugestimmt und diese in öffentlicher Sitzung am 14. Mai 2018 beschlossen. In derselben Sitzung wurde zudem ein Energiekonzept mit Nutzung von Erdwärme und Solaranlage beschlossen: Mehrkosten hierfür rund 150 000 Euro. Gesamtkosten danach: 5,547 Millionen Euro.
- Nach Ausschreibung des ersten Vergabepakets überstiegen die Kosten für den Rohbau die eingeplante Summe um 100 000 Euro. Der Gemeinderat stellte dem Architekten die Aufgabe, diese Mehrkosten an anderer Stelle einzusparen. Im Ausschreibungspaket zwei fiel das Angebot für die Holzbauarbeiten um 377 000 Euro höher aus, als in der Kostenberechnung erwartet, auch die Kosten für Dachdeckerarbeiten und Elektroinstallationen stiegen. Aktuelle Kostenschätzung: 5,98 Millionen Euro.