2024 war neben der Arbeit in Immenstaad durch den Wahlkampf in Friedrichshafen geprägt. Im Juni hatten Sie Ihre Kandidatur für die OB-Wahl verkündet. Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf die Zeit zurück?
Es war spannend und bereichernd, mich in die Themen einzuarbeiten, sowohl was die Kommunal- und Regionalentwicklung als auch die wirtschaftspolitischen Perspektiven der Stadt angeht. Für mich war es eine persönliche berufliche Chance, für die Häflerinnen und Häfler war meine Kandidatur ein Angebot. Es hat nicht sollen sein. Das klare demokratische Ergebnis, das am 29. September herausgekommen ist, ist für mich völlig in Ordnung und die fast 30 Prozent, die ich erreichen konnte, sind trotzdem nicht außer Acht zu lassen. Ich blicke weder mit Gram noch mit großer Niedergeschlagenheit auf den Ausgang der Wahl. Mein Fokus liegt – wie auch schon vor der Wahl – weiterhin sehr gern voll auf Immenstaad.
Wie fielen die Reaktionen im Ort aus, als bekannt wurde, dass Sie sich in der Nachbarstadt bewerben?
Da gab es die unterschiedlichsten Reaktionen. Sowohl positiv als auch hinterfragend – es war alles dabei. Die einen, die meinten, sie wären traurig, wenn es klappt, aber auch diejenigen, die es ein wenig zu früh fanden oder wissen wollten, ob ich mir das angesichts der schwerwiegenden Themen und großen Herausforderungen gut überlegt habe. Letztendlich muss man es für sich selbst ausmachen, ob man die Chance ergreift und ob man dieses mehr an Arbeit auf sich nehmen möchte. Ohne Zweifel – in Friedrichshafen gibt es viel zu tun, das hätte mir sehr viel abverlangt. Am Ende des Tages ist festzustellen, dass wir auch in Immenstaad genug zu tun haben und ich dort gern auch nach wie vor mit voller Schaffenskraft anpacke – insofern ist alles gut.
Wie war für Sie nach dem Wahlkampf die „Rückkehr“ nach Immenstaad?
Der Wahlkampf lag zeitlich günstig, da im Sommer immer eine kommunalpolitische Pause herrscht. In dieser Zeit habe ich die Stellung im Rathaus gehalten und dann zwei Wochen vor der Wahl meinen Sommerurlaub genommen, quasi für die heiße Zeit des Wahlkampfs. Trotzdem war es natürlich eine Doppelbelastung, die man stemmen muss. Nach der Wahl habe ich mir einen Tag Auszeit genommen und am 1. Oktober war ich zurück und gleich wieder mit vollem Elan dabei. Ich bin niemand, der den Kopf in den Sand steckt, ich möchte einfach arbeiten. Ich habe Lust darauf, etwas zu bewegen, zu gestalten, die Dinge in die Hand zu nehmen. Das habe ich hier in der Gemeinde in den zurückliegenden sieben Jahren immer getan und tue es auch nach wie vor mit ganzer Leidenschaft. Wir haben viele große Themen hier in Immenstaad, die wir mit Elan und Motivation gemeinsam anpacken.
In Immenstaad steht 2025 die Bürgermeisterwahl an. Werden Sie antreten?
Dazu gibt‘s an dieser Stelle noch keine Aussage von mir. Im Februar wird erst einmal ein neuer Bundestag gewählt, darüber hinaus möchte ich nicht schon über die nächsten Wahlen diskutieren. Ich will jetzt einfach wieder arbeiten, wir haben ein paar große Themen vor der Brust und die nächsten Wochen und Monate gilt es, mit voller Tatkraft an die Aufgaben heranzutreten. Und dann wird es in absehbarer Zeit sicherlich noch eine konkretere Aussage von mir zur bevorstehenden Bürgermeisterwahl geben.
Wenden wir uns einem anderen Thema zu. Mit „Häldele“ entsteht nach langer Zeit wieder ein Neubaugebiet. Die Wohnungsnot ist schon lange ein großes Thema, allerdings brauchen die Leute vor allem bezahlbaren Wohnraum, hilft da dieses Projekt?
Es hilft, weil es ein Neubaugebiet ist, das wir als Eigentümerin auch in die Vermarktung bringen. Das heißt, wir haben Einfluss auf die Preisgestaltung. Natürlich müssen die Kosten gedeckt sein, am Ende sollte da eine schwarze Null stehen. Das letzte Neubaugebiet, das wir hier in Immenstaad geschaffen haben, bestand rein aus Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften. Jetzt haben wir daneben auch Wohnungen, sodass wir insgesamt Wohnraum für etwa 100 Personen schaffen können. Das ist schon beachtlich, denn es zieht natürlich auch infrastrukturelle Weiterentwicklungen nach sich, Stichwort Kindergartenplätze, Schülerzahlen oder Verkehr. Daran muss man auch immer denken. Ein Grundstück für ein Einfamilienhaus wird sicherlich zu einem anderen Preis verkauft als das für ein großes Mehrfamilienhaus. Ich bin davon überzeugt, dass uns hier in der Gesamtschau etwas Ordentliches gelingen wird.
Wann wird das Projekt für Bauwillige konkret?
Das hängt davon ab, wie wir durch das Verfahren kommen. Wir sind gerade in der Offenlage, Angrenzer und Träger öffentlicher Belange können ihre Einwendungen einreichen. Dann gibt es eventuell eine zweite Offenlage, damit sind wir sicherlich schon im März, April, bis wir einen Beschluss hinbekommen. Anschließend geht es an die Vorbereitung der Erschließung. Voraussichtlich noch vor der Sommerpause werden die Vergabekriterien bekannt sein.
Wenn es um Maßnahmen gegen die Wohnungsnot geht, rücken auch Ferienwohnungen in den Fokus. Offenbar ist es schwierig, da als Gemeinde etwas zu unternehmen. Welche Methoden gibt es?
Wir können bei der Anpassung bestehender und bei der Aufstellung neuer Bebauungspläne Ferienwohnungen ausschließen. Das tun wir auch. Natürlich können wir aber nicht jeden vorhandenen Bebauungsplan in der Gemeinde auf Ferienwohnungen hin überarbeiten. Im Gemeinderat haben wir uns deshalb auch mit dem Mittel der Zweckentfremdung befasst und uns von einem Fachmann beraten lassen. Rechtlich ist das Thema relativ komplex und erfordert zunächst eine Bestandsaufnahme. Man muss die ganze Gemeinde sozusagen durchscannen, um zu erheben, in welchen Bereichen Handlungsbedarf begründet werden kann, sodass eine spätere Satzung auch vor Gericht Bestand hat. Auch der sogenannte Milieuschutz kann ein probates Mittel sein, da darunter auch Zweitwohnungen fallen. Wir wollen in Immenstaad auf keinen Fall den Sylt-Effekt erleben, Teile der Gemeinde gar zu Rollladensiedlungen werden lassen. Gleichzeitig dürfen wir Ferienwohnungen aber auch nicht verteufeln, wir sollten nicht in ein Schwarz oder Weiß abdriften. Wir sind auch eine Tourismusgemeinde, der Tourismus ist ein volkswirtschaftlicher Wert für uns. Bäcker, Metzger, Gastronomie und auch Handwerker profitieren beispielsweise davon.
Immenstaad hat 2024 die Zweitwohnungssteuer mit einem Steuersatz von 28 Prozent angepasst. Konstanz oder Überlingen haben direkt auf 35 Prozent erhöht. Zieht Immenstaad nach?
Es war damals der Wunsch aus der Verwaltung heraus, auf jeden Fall eine rechtssichere Erhöhung zu wählen. Auch der Gemeinderat hat so entschieden. Die Erfahrungen der ersten Kommunen, die auf 35 Prozent erhöht haben, sind meines Wissens gut. Daher sind wir im Gemeinderat auch bereit, den höheren Satz anzusteuern. Denn wir dürfen und müssen an dieser Stelle mutig sein und die vorhandenen Instrumente ausnutzen, auch wenn es mal zu einer Klage kommen kann, das ist eben Politik. Letztendlich muss man aber auch konstatieren, dass diese Maßnahme in der Realität nur in überschaubarem Maße wirkt. Und dennoch ist es ein Teil des Ganzen, wenn es ums Thema Wohnraum am Bodensee geht.
Kommunen und Initiativen waren Teil des Dialogprozesses zur B31-Planung. Dieser ist inzwischen beendet. Wie sind Sie jetzt noch eingebunden?
Die Öffentlichkeit hat im September in Hagnau einen Zwischenstand von der Deges erhalten, wir als politische Vertreter sind aktuell aber nicht mehr formell in den laufenden Planungsprozess eingebunden. Dennoch müssen wir wachsam bleiben und die aktuellen Entwicklungen der weiteren Planung auch kritisch begleiten. Unser gemeinsamer Nenner ist die B1-Variante vierstreifig und ohne Standstreifen. Wenn es jetzt doch in eine ganz andere Richtung gehen sollte, laufen wir Gefahr, dass sich unser Konsens in der Region auflöst. Bei aller Rechtssicherheit, die dieses Verfahren braucht, baue ich darauf, dass nicht über die Politik hier in der Region hinweg entschieden wird. Deshalb werden wir uns im laufenden Jahr sicher auch wieder ins Gespräch einbringen.
Wie geht es mit der Sanierung der Grundschule weiter? Wie sieht der Zeitplan für die Linzgauhalle aus? Diese und viele weitere Fragen beantwortet Johannes Henne in Teil 2 des Jahresinterviews.