Thomas Birkhofer steht auf einem der keltischen Hügelgräber und schaut auf baumlose Fläche in seinem Wald, an dessen Rand sich noch ein paar wenige, sehr hohe Kiefern im Wind wiegen. Früher, sagt er, sei es hier so dicht wie im Schwarzwald gewesen. Weißtannen, wenige Fichten, dazwischen Rot- und Hainbuchen, an den Waldrändern blieben die Jahrhunderte alten Eichen des ursprünglichen Walds als Windschutz stehen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zunehmend Fichten gepflanzt. Die Mischung mit Weißtannen habe sich aber in Immenstaad jahrzehntelang als stabil erwiesen.

Thomas Birkhofer sagt: Die Waldhygiene fehlt
Früher, sagt der 54-Jährige, sei der Wald vielfältig genutzt worden: Baumaterial für Häuser und Boote, Rebstecken für die Weingärten, Weidenruten zum Flechten und Binden. Und Brennholz wurde gebraucht. Besonders die Hainbuchen lieferten den Familien die zum Heizen wichtigen Reisigbündel, die Buschele. Auch Thomas Birkhofer ging als Kind mit seinem Großvater in den Wald, um Holz zu machen. „Das war Waldhygiene“, sagt er. Seit es Öl- und Gasheizungen gibt und Möbel aus importierten Brettern gebaut werden, ist das Geschichte.

Ein tödlicher Kreislauf kam in Gang
2017 riss der Sturm Burglind die ersten Löcher in den Wald. Viel Bruchholz blieb liegen und riesige Borkenkäferpopulationen machten sich über das reiche Angebot her. Als der heiße, trockene Sommer Weißtannen sterben ließ und die Fichten sich mangels Wasser nicht mehr gegen die bohrende Plage zu wehren wusste, fielen ihnen auch lebende Bäume zum Opfer. „Man konnte zuschauen, wie sich das Holzmehl auf den Waldboden legte“, sagt Birkhofer. Die Bäume wurden gefällt, die Waldstruktur zerstört, das Käferholz, weil unverkäuflich, blieb am Waldrand liegen. Mit Pheromonen lockten die Käfer Verstärkung an. Ein tödlicher Kreislauf setzte sich in Gang.
Durch die Lichtungen drang Sonnenlicht in den Wald, heizte den Boden zusätzlich auf, Wasser verdunstete. 500 Liter verdunstet eine große Buche davon. Täglich. Mit ihren Wurzeln reicht sie deshalb bis ins Grundwasser hinab. Der Grundwasserspiegel fiel, die Folgen sind heute in den Kronen der gestressten Bäume zu sehen. Sie verkrüppeln und der Baum stirbt langsam von oben her ab. Steht sie isoliert in den gefällten Flächen, reicht ein kurzer Gewittersturm, um die dickste Buche zu entwurzeln.
Mit Rückefahrzeugen fuhren die Forstbetriebe breite Gassen in den Wald. Tief gruben sich die Reifenspuren ein und verdichteten den normalerweise lockeren Waldboden. Regnet es, bleibt jetzt das Wasser darin stehen. Binsen siedeln sich an, Bäume keimen hier keine mehr.
Teilweise habe jeder zweite Baum einen Rückeschaden
Zusätzlich beschädigten die Rückefahrzeuge die Stämme. Früher wurden Bäume nur im Winter geschlagen, heute geht man im Frühsommer in den Wald, wenn die Bäume voll im Saft stehen. „Mein Vater hätte mir an die Ohren gehauen, wenn ich den Bäumen dann solche Verletzungen zugefügt hätte“, sagt Birkhofer. Sie führen ihm zufolge zum sicheren Tod. Teilweise habe jeder zweite Baum einen solchen Rückeschaden. Der Stamm fault, dabei hätte der Baum noch 20 Jahre leben können.

15 000 Euro für einen Hektar Wald
Lange lagen die Kahlschläge der ehemaligen Fichtenmonokulturen brach. Brombeeren überwucherten die aufkeimenden Bäumchen. Dann fiel Schnee und das Gewicht erdrückte den Versuch der Natur, sich selbst zu regenerieren. Die Brombeeren wurden abgemäht und mit ihnen die jungen Bäumchen. Gepflanzt wurde dann dicht an dicht, um den Brombeeren keine Chance zu geben, und mit Pflöcken und Schutzhüllen aus Kunststoff, gegen den Verbiss durchs Wild. Rechnet man den Aufwand, schlägt der Hektar aufgeforstete Fläche mit 15 000 Euro zu Buche. Später müssen dann die zu dicht gepflanzten Bäume herausgenommen werden, sagt Birkhofer.

Blau und Schafwolle halten Rehe fern
Der Immenstaader, der den elterlichen Hof mit Obst und Holz nebenher betreibt, hat eine kleine Fläche seines Waldes eingezäunt. Ohne zu pflanzen haben sich auf der verödeten Fläche bereits 25 verschiedene Bäume und Sträucher angesiedelt. Darunter Lärchen, Birken, Erlen, Eichen, Hainbuchen und Saalweiden, früher als Unkraut des Walds verschrien. Die Brombeeren hält Birkhofer mit der Heckenschere in Schach.
Außerhalb der Umzäunung versucht er die Aufforstung nach demselben Modell. Hier sind die kleinen Bäumchen an ihrer Spitze mit blauer Farbe angestrichen oder einem blauen Hütchen versehen. Das Blau halte die Rehe davon ab das zarte Grün zu fressen, sagt Birkhofer. Zusätzlich hängen Knäuel aus Schafwolle am Baum-Nachwuchs. Rehe können Schafe nicht leiden und gehen den Bäumchen aus dem Weg. Der Immenstaader freut sich, dass wieder etwas wächst.
Aussagen zur Entwicklung sind schwierig
Birkhofer, ein Physikingenieur, der bei einem Energieversorger arbeitet, kennt die Bedürfnisse eines jeden seiner Bäume. Buchen könne man nicht isoliert pflanzen sagt er. Sie seien gesellig und brauchten die Nähe ihrer Eltern und Großeltern, um zu gedeihen. „Wer mit dem Mangel aufwächst, lernt mit dem Mangel zu leben“, ist seine Überzeugung und er glaubt, dass die Buchen durchaus zukunftsfähig sind. Doch generell sei es schwierig, dahingehend Aussagen zu machen.
Die Esche, einst als Zukunftsbaum gesetzt, ist dem Eschentriebsterben in der Krone und dem Halimasch-Pilz in den Wurzeln zum Opfer gefallen. Mächtige Ulmen wurden vom Ulmensterben dahingerafft, Eichenprozessionsspinner suchen die Eichen heim. Deshalb setzt Birkhofer jetzt erst einmal auf Artenvielfalt, um seinen Wald als Lebensraum für Tiere und Pflanzen und als CO2-Speicher zu erhalten. Wer weiß, was die Zukunft bringt.
Nutzung mit Liebe und Achtsamkeit
In feuchten Gebieten pflanzt Thomas Birkhofer eine Ulmenart, die unempfindlich ist, gegen den tödlichen Pilz. Selbst mit Libanonzedern will er experimentieren. In die Rückegassen hat er Weidenruten gesteckt, die schon zu Bäumen werden. Saalweiden bieten im zeitigen Frühjahr mit ihren Kätzchen eiweißreiche Nahrung.
Wälder bräuchten Biodiversität und müssten wieder Grundnahrungsmittel für Insekten liefern, fordert er. Profit machen mit Fichtenmonokulturen funktioniere auch wegen des Preisverfalls durch die Globalisierung nicht mehr. Stämme mit dem LKW nach Österreich zu bringen, um sie dort durch den Häcksler zu jagen, könne nicht die Zukunft sein. Birkhofer sagt: „Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen wir den Wald regional nutzen“. Aber mit Liebe und Achtsamkeit.