Über das Wochenende sind die Markdorfer aktiv geworden und haben sich über das soziale Netzwerk Facebook in der Gruppe „Nachbarschaftshilfe Markdorf – Coronahilfe“ zusammengeschlossen. Am Samstagabend gegründet, hatte die Gruppe bereits am Montagmittag rund 800 Mitglieder. Tendenz weiter steigend.

Die Idee stammt von der Markdorferin Dilek Ellerbrock. In einem Artikel las sie folgendes Zitat: „Wir brauchen ein großes Wir“. Ein Satz, der sie zum Nachdenken brachte. Dann kam der Anruf einer Freundin, die mehrere Tage in Österreich war, und aufgefordert wurde, sich nach ihrer Rückkehr freiwillig in die häusliche Isolation zu begeben. Ihr wurde klar, dass ihr Freundin nun Hilfe brauche und dass es wahrscheinlich vielen Menschen derzeit oder in den kommenden Tage und Wochen ähnlich gehen wird.

Auf der Suche nach Unterstützung

Sie machte sich bei Facebook auf die Suche, wurde aber nicht fündig und fragte auf regionalen Seiten nach, wer sich vorstellen könnte, eine Hilfsgruppe zu gründen und ihr dabei behilflich zu sein. Der Markdorfer Matthias Schopf, der sich im Home-Office befindet, las den Aufruf und für ihn war klar: Da möchte er helfen, diese Initiative will er unterstützen.

Matthias Schopf baut die Seite auf

Er baut die Seite am Samstagabend auf und lädt erste Bekannte und Freunde ein. „Ich habe vielleicht so mit 20, maximal 50 Leuten gerechnet, die mitmachen“, sagt Matthias Schopf. Aber er unterschätzt das Schnellballsystem und die Begeisterung der Markdorfer, etwas tun zu können. „Die Seite ist völlig durch die Decke gegangen“, erzählt Schopf.

Arbeitskollegen weisen ihn darauf hin, dass es eine ähnliche Gruppe bereits in Raderach gibt – und da Raderach nur wenige Kilometer von Markdorf entfernt liegt, werden die Gruppen miteinander verknüpft. Seitdem kümmern sich die vier Administratoren Schopf, Ellerbrock sowie Ralf Schäfer und Andreas Zindler um die Einträge, die auf der Seite gepostet werden.

Kontaktbörse für Hilfsgesuche und Angebote

„Wir möchten hier eine Nachbarschaftshilfe aufbauen – eine Kontaktbörse für Hilfsgesuche und Angebote“, so Matthias Schopf. Lange habe man über den Namen nachgedacht und sich dann für „Nachbarschaftshilfe Markdorf – Coronahilfe“ entschieden – mit der Hoffnung und Zuversicht die „Coronahilfe“ irgendwann aus dem Namen streichen zu können und „nur“ noch eine Nachbarschaftshilfe zu sein.

Matthias Schopf, der als Redakteur arbeitet, nutzt seitdem jede freie Minute, aktiviert sein Netzwerk, sucht Kontakte zur Stadtverwaltung, Kirchen, Mehrgenerationenhaus und Polizei. „Wichtig ist zu betonen, dass wir keine Konkurrenz zu bereits bestehenden Strukturen aufbauen möchten, sondern ganz unterschwellig Hilfe vermitteln möchten“, so der 38-Jährige. Damit auch Menschen „offline“ erreicht werden, werden in der Stadt Handzettel verteilt und aufgehängt.

Die Handzettel werden im Stadtgebiet verteilt und in Geschäften ausgehangen.
Die Handzettel werden im Stadtgebiet verteilt und in Geschäften ausgehangen. | Bild: Privat

Einkaufen oder mit dem Hund Gassi gehen

Wer kann im Moment nicht mit dem Hund Gassi gehen? Wer kommt nicht mehr zum Einkaufen? Wer hat ganz andere Probleme? Jeder darf Hilfsangebote stellen oder um Hilfe bitten. Diese Gruppe ist für Menschen gedacht, die in ihrem persönlichen Umfeld (warum auch immer) keine Hilfe finden können. „Also seid ihr hier im Kontakt mit fremden Menschen. Es gelten die üblichen Sicherheitsvorkehrungen und -bedenken im Umgang mit Fremden was die Herausgabe persönlicher Daten, Geld und andere Dinge betrifft. Hier können wir natürlich keine Haftung übernehmen“, heißt es in den Gruppenbestimmung. Alle Angebote erfolgen ehrenamtlich, es wird unentgeltlich geholfen.

Kinderbetreuung ist ein sensibles Thema

Im Laufe des Sonntags zeigt sich schnell, in welchem Bereich die meiste Hilfe gebraucht wird: bei der Kinderbetreuung. Aber hier hat Matthias Schopf nach Rücksprache mit fachlicher Kompetenz eine klare Regelung finden müssen. „Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in dieser Gruppe – vor allem zunächst – nicht mehr Betreuungsangebote für Kinder vermittelt werden sollten. Es gibt zahlreiche Arten, wie man sich nun gegenseitig helfen kann: Angefangen beim Gassi gehen, Einkaufen oder vielem anderen mehr“, schreibt er in einem Beitrag.

Die Betreuung von Kindern sei ein sensibles Thema. Die Schließung der Kindergärten und Schulen sei ein Problem, das viele Menschen jetzt vor Herausforderungen stellt. Die Vermittlung von Betreuungspersonen über Facebook an Fremde werde aber laut Matthias Schopf von Experten mehr als kritisch gesehen und sollte nicht erfolgen. Wer ein Kind hat, für das er nun keine Betreuung mehr hat, kann sich an die Stadt Markdorf, das Mehrgenerationenhaus oder das Landratsamt wenden.

Dilek Ellerbrock: Keiner ist alleine

Dilek Ellerbrock ist von der Resonanz überwältigt. „Es ist toll, dass die Markdorfer so zusammenhalten und sich engagieren.“ Sie würde sich wünschen, dass das auch nach der Krise anhält und die Menschen sich gegenseitig unterstützen – sei es die neu hinzugezogene Kollegin, die alleinerziehende Mutter oder der alleinstehende Nachbar. „Wir haben das Gefühl vermittelt, dass keiner alleine ist. Das sehr viel wert.“

SÜDKURIER startet Helfer-Plattform

  • SÜDKURIER-Angebot: Wer kann mir erklären, wie ich über mein Handy ein Videotelefonat mit den Enkeln führe? Wer kann mir ein paar Lebensmittel mitbringen? Diese Fragen stellen sich derzeit für viele Menschen in (Konstanz und Umgebung). Zugleich gibt es bei uns vor Ort zahlreiche Personen, die gerne helfen wollen. Beide Seiten bringt der SÜDKURIER mit dem neuen Angebot „SKverbindet“ zusammen. Auf einer Internetseite können Hilfswillige anbieten, wo sie mit anpacken wollen. Die Kontaktdaten veröffentlichen wir dann, so dass sich Hilfesuchende direkt an Nachbarn werden können. Wie das kostenfreie Angebot in Detail funktioniert: Baden-Württemberg, Seite 10.
  • Notfallbetreuung: Es wird eine Notfallbetreuung für die Kinder geben, die in den städtischen Kindertageseinrichtungen und den Grundschulen betreut werden und deren Eltern systemrelevante Aufgaben erfüllen. Die Einrichtung einer Notfallbetreuung für diejenigen Kinder ist erforderlich, um in den Bereichen der kritischen Infrastruktur die Arbeitsfähigkeit der Erziehungsberechtigten, aufrecht zu erhalten. Zur kritischen Infrastruktur zählen insbesondere die Gesundheitsversorgung, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr (Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz), die Sicherstellung der öffentlichen Infrastruktur sowie die Lebensmittelbranche.