Unauffällig reiht sich das Gebäude der Notunterkunft ins Bild der Hepbacher Häuser an der Bundesstraße ein und gibt wenig Preis von den Geschichten der Menschen, die dort Zuflucht finden. Die Stadt Markdorf erbaute das Haus 2001 für Bürger, die ihre Wohnung verloren haben. Ziel ist die Vermeidung von Obdachlosigkeit.

Nach der Zwangsräumung in die Notunterkunft
Erst seit Kurzem bewohnt der 46-jährige Werner gemeinsam mit seinem 20-jährigen Stiefsohn Jan (Alle Namen der Bewohner von der Redaktion geändert) ein Zehn-Quadratmeter-Zimmer in der Hepbacher Unterkunft. „Ich bin natürlich froh, ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf zu haben, aber ich möchte so schnell wie möglich wieder eigenen Wohnraum finden“, erzählt der 46-Jährige. Doch das sei nicht leicht. „Ich bin seit fast drei Jahren wieder in einer Festanstellung tätig, aber das scheint den Vermietern für einen Mietvertrag nicht zu reichen.“ Seine Lebensgefährtin, die Mutter von Jan, starb vergangenes Jahr und war Mietvertragsinhaberin der gemeinsamen, nun zu groß gewordenen Wohnung. Vor ein paar Wochen kam es zur Zwangsräumung.
Achmet lebt seit drei Jahren dort
Wie es ist, vergeblich nach einer Wohnung zu suchen, weiß Achmet. Der 61-Jährige wohnt seit fast drei Jahren in der Notunterkunft, nachdem er wegen Eigenbedarfs nach 20 Jahren seine Wohnung verlassen musste, wie er erzählt. „Es ist jeden Morgen das Gleiche, ich stehe um 8 Uhr auf, mache mich fertig, laufe nach Markdorf, um aufs Amt zu gehen, mich eventuell mit Freunden zu treffen, einzukaufen und in den Zeitungen nach Wohnungen zu schauen. Das ist nicht nur frustrierend, sondern auch ziemlich zermürbend.“
Eigentlich soll die Notunterkunft nur als Übergangslösung für ein paar Monate dienen. Unterstrichen wird das durch die Maßgabe, dass die Bewohner kein eigenes Mobiliar mitbringen dürfen. Die Flure sind leer, Türen verschlossen, Wände kahl und nur an einem Duschgel im Bad oder dem gefüllten Kühlschrank der Gemeinschaftsküche ist erkennbar, dass hier Menschen leben.

Die Hälfte der zwölf Bewohner geht ganz normal arbeiten
Dass es hier tagsüber so leer wirkt, liegt aber auch daran, dass die Hälfte der zwölf Bewohner ganz normal arbeiten geht. Des Weiteren sind alle sehr mit sich selbst beschäftigt, erzählt Sozialarbeiterin Gabriele Gasteier. Zwischen den Bewohnern gebe es wenig Berührungspunkte. „Wenn es mal Reibereien untereinander gibt, dann wegen Mülltrennung, aufgestauter Unzufriedenheit oder Sauberkeit in den Gemeinschaftsräumen“, berichtet sie.
20-Jähriger ist frustriert, weil er auf die Hilfe anderer angewiesen ist
Gabriele Gasteier ist seit zwölf Jahren Ansprechpartnerin für die Bewohner. So auch für Jan, der nach dem Tod seiner Mutter ohne Geld und Lebenserfahrung eine Anleitung für den Weg zurück ins Leben benötigt, wie er erzählt. „Dank Frau Gasteier habe ich jetzt die nötigen Anträge auf dem Amt gestellt und dank Werner habe ich etwas zu essen.“ Doch die Abhängigkeit von anderen frustriert den 20-Jährigen auch. „Es wird von einem viel Eigeninitiative erwartet, aber ohne Geld kann ich weder irgendwo anrufen noch mit dem Bus aufs Amt fahren“, erläutert er. Außerdem habe er Angst, dass es zwischen ihm und Werner innerhalb der zehn Quadratmeter über kurz oder lang zu Streitereien kommen könnte. Denn dann werde das Zusammenleben unerträglich, sind beide überzeugt.

Geld und Wohnungssuche sind die beherrschenden Themen
Finanzen und die Suche nach einer eigenen Wohnung sind die beherrschenden Themen in der Notunterkunft. Und das nicht nur, um der Enge zu entfliehen, sondern auch, um „im Kopf wieder ruhiger zu werden und die Peinlichkeit der eigenen Situation gegenüber der Gesellschaft loszuwerden“, erklärt Werner.
Gabriele Gasteier betont: „Wir sprechen hier von Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen obdachlos geworden sind, dabei gehen viele von ihnen einer geregelten Arbeit nach. Da ist Respekt das Mindeste, was man ihnen entgegenbringen sollte.“ Denn das Leben sei nicht vorhersehbar und jeder könne in so eine Notsituation kommen.
Die Notunterkunft in Hepbach
Die Notunterkunft Hepbach steht seit 2001 für Menschen aus Markdorf ohne Wohnraum zur Verfügung. Dort finden neun Menschen bei Einzel- und 16 Menschen bei Mehrfachbelegung der Zimmer Platz. Auf zwei Etagen können die Bewohner zwei Bäder mit jeweils einer Waschmaschine, zwei Toiletten und einer Dusche benutzen. Es gibt zwei Gemeinschaftsküchen und einen wöchentlichen Reinigungsdienst. Jeder Bewohner zahlt in dieser Unterkunft monatlich 200 Euro warm. Die Zimmer sind mit ein bis zwei Betten, einem Tisch mit Stuhl sowie einem Schrank ausgestattet. Bis auf einen Fernseher ist es untersagt, eigenes Mobiliar mitzubringen, da eigentlich nur eine temporäre Unterbringung vorgesehen ist. Bei der Suche nach eigenem Wohnraum steht Gabriele Gasteier den Bewohnern zur Seite, des Weiteren ist im Rathaus eine Liste hinterlegt, in der Bedürftige sich eintragen können, um bei frei werdenden sozialverträglichen Wohnungen der Stadt Markdorf berücksichtigt zu werden.