Am Anfang des Gesprächs wirkt Lisa Krämer (Name von der Redaktion geändert) noch sehr gefasst. Sie möchte ihre Geschichte erzählen; eine Geschichte, die sie innerhalb von zwei Monaten vor das existenzielle Aus geführt hat. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in so eine Situation kommen würde und das von einer Minute auf die andere“, so die 46-Jährige aus dem westlichen Bodenseekreis.

Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten hat sie zwei Jahre lang einen Handwerksbetrieb aufgebaut, kümmert sich um die Kunden und wohnt mit ihm in der zum Unternehmen gehörenden Wohnung. Aus einer früheren Beziehung hat sie drei Kinder, die beiden jüngsten leben beim Vater in der Schweiz, der älteste Sohn allein in der nähreren Umgebung in einer Wohnung, die Krämer gehört. „Das war unsere Familienwohnung, wenn die Geschwister zu Besuch waren“, erzählt sie.

Traum von gemeinsamer Zukunft platzt

Nachdem sie 16 Jahre lang alleinerziehende Mutter war und nicht gearbeitet hat, sieht sie in dem gemeinsamen Handwerksbetrieb ihre Zukunft und steckt ihr ganzes Herzblut in die Arbeit. „Das war mein Baby, mein Traum“, sagt sie und die ersten Tränen kullern über ihr Gesicht. Der Traum zerplatzt, als ihr Lebensgefährte ihr vor zwei Monaten alles aufkündigt – die Beziehung, die Wohnung, den Job. Denn Lisa Krämer ist nach eigener mittlerweile sehr selbstkritischer Aussage in die Falle getappt, die nur einer Frau passieren kann, die verliebt ist.

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„Ich hatte keinen Mietvertrag, keinen Pachtvertrag, war nirgendswo schriftlich mit aufgeführt“, sagt Krämer. Frühere Nachfragen aus dem Bekanntenkreis, warum dies so sei, habe sie nicht hören wollen. "Wir waren schließlich verliebt", begründet sie ihr Verhalten. Dass sie mit ihrem Namen in keinen Verträgen vermerkt sie, habe ihr Lebensgefährte ausgenutzt, um sie vor die Tür setzen. Eine Chance habe sie nicht wirklich gehabt.

Mitarbeiterin verhindert Schlimmeres

Er gibt ihr gerade noch Zeit, um die wichtigsten Sachen mitzunehmen – dass die Situation nicht eskaliert, sei dem Einschreiten einer Mitarbeiterin zu verdanken, erinnert sich Krämer an den schrecklichen Moment zurück, als ihr Leben wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Er droht ihr mit einem Hausverbot. Warum ihr Partner so gehandelt hat, weiß sie bis heute nicht, jeden Gesprächsversuch blockt er ab. "Ich war immer ein Mensch, der dachte, man könnte über alles reden. Sich nicht mehr austauschen zu können, das ist schon krass", versucht sie ihre Gefühlslage zu beschreiben.

„Es kam aus heiteren Himmel“, sagt sie, in ihrer Verzweiflung nimmt sie das mit, was ihr am Herzen liegt, Sachen, die sie von ihrer Oma vererbt bekommen hat. Anderes muss sie zurücklassen, später bekommt sie ein sogenanntes „Begehrecht“, um ihre Habseligkeiten zu holen. Doch ein großer Teil von einem früheren Umzug steht noch in einer Scheune auf seinem Grundstück. „Er verlangt nun Geld für das Unterstellen oder er schmeißt alles weg", berichtet Krämer, die nicht weiß, wie sie das finanzieren soll. Erspartes hat sie nicht, Gehalt hat sich das Paar nie ausbezahlt.

Vermieter kündigt Familienwohnung

Die Familienwohnung, in der ihr Sohn lebt, wird zur Rettung. Dort kann sie erstmal wohnen. Doch auch hier droht Ärger. Der Vermieter kündigt ihr, nachdem es Differenzen gegeben hat. Eigentlich müsste Lisa Krämer bis zum 31. Dezember die Wohnung verlassen, noch hat sie keine neue Bleibe gefunden. In ihrer Verzweiflung gibt ihr eine Freundin den Tipp, sich an das Mehrgenerationenhaus (MGH) zu wenden.

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Aus dem „Familien in Not“-Topf bekommt sie eine Sofort-Hilfe von 400 Euro, um Lebensmittel zu kaufen und die Miete zu bezahlen. Auch die Josef-Wagner-Stiftung erfährt von ihrer Notlage und unterstützt sie mit einem Betrag. „Sie darf jetzt auf keinen Fall in einen Mietrückstand geraten oder Schulden aufbauen“, sagt Waltraud Zeller-Fleck vom MGH-Leitungsteam. Sie ist beeindruckt und dankbar, wie die SÜDKURIER-Leser die Aktion unterstützen. „Die Menschen nehmen Anteil und spenden. Das freut uns sehr“, sagt Zeller-Fleck. Bislang kamen rund 5000 Euro zusammen, dazu 1500 Euro von den Notärzten und 3000 Euro von EnBW.

Weihnachten mit der Familie in der Schweiz

Trotz der finanziellen Unterstützung blick Lisa Krämer in eine ungewisse Zukunft. Wie es 2019 weitergehen soll, weiß sie momentan nicht. "Wenn ich in der Wohnung bleibe, riskiere ich eine Räumungsklage", sagt Krämer. Zunächst möchte sie sich auf das bevorstehende Weihnachtsfest konzentrieren. Dieses wird sie gemeinsam mit den Kindern in der Schweiz feiern. Und schon taucht das nächte Problem auf: Die Fahrtkosten. Denn pro Strecke muss sie knapp 200 Kilometer zurücklegen. Das Wichtigste ist aber erstmal, dass der Kofferraum nicht leer ist. Dank der Spenden konnte sie Weihnachtsgeschenke für die Kinder kaufen.

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