Was tun, wenn das Geld für Lebensmittel nicht mehr reicht? Wenn die Waschmaschine kaputt geht, neue Winterstiefel für die Kinder benötigt werden und Ausgaben für Krankheiten nicht gedeckt werden können? Wenn der Strom abgeschaltet wird und die Rechnung nicht bezahlt werden kann? Wenn kein Geld für Weihnachtsgeschenke übrig ist?
Dann ist das Mehrgenerationenhaus (MGH) Anlaufstelle für Menschen, die in eine Notlage geraten sind. "Wir leben hier in Markdorf und Armut ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich", sagt Renate Hold vom MGH-Leitungsteam. Aber auch in Markdorf gebe es laut Hold viele Menschen, insbesondere Familien und ältere Menschen, die von Armut betroffen sind.
Spendentopf für Notlagen
Mit der Aktion "Familien in Not" sollen kleine und große Geldspenden gesammelt werden, die in einem Spendentopf für genau diese Notlagen landen. "Jede Spende kommt direkt bei den Betroffenen an", versichert Renate Hold, die gemeinsam mit Waltraud Zeller-Fleck nach dem Vier-Augen-Prinzip entscheidet, wem welcher Geldbetrag zugute kommt. Ziel soll es sein, schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe zu leisten, um wieder Hoffnung und Lebensmut zu schenken.
Menschen, die in Notlagen geraten, können Alleinerziehende sein. So berichtet Renate Hold von einer Mutter mit einer 16-jährigen Tochter, die körperlich eingeschränkt und psychisch krank ist und dadurch entscheidende Anträge nicht gestellt hat und somit in eine Notlage gekommen ist. "Sie bemüht sich immer wieder um Arbeit, hat auch monateweise Stellen bekommen. Diese sind aber nun durch ihre Krankheit nicht mehr möglich", sagt Hold.
So wurden aus dem "Familien in Not"-Topf die Stromrechnung bezahlt und Geld für Druckerpatronen zur Verfügung gestellt, damit die Frau Anträge ausfüllen und Bewerbungen schreiben kann. "Die Last, die sie zu tragen hat, wird dadurch etwas leichter", so Hold. Oft verstecken Betroffenen ihre Armut, um die Würde nicht zu verlieren.
7000 Euro wurden 2017 gespendet
Im vergangenen Jahr kamen 7000 Euro an Spenden zusammen, mittlerweile sind noch 3200 Euro im Topf. Die Beiträge, die vergeben werden, liegen meistens im unteren dreistelligen Bereich. Dazu zählen beispielsweise auch Ausgaben für Fahrkarten, Bewerbungsmappen, Kleidung, Essen, Fußballschuhe, Elektrogeräte, Medikamente und Schlüsseldienst.
"Wir geben auch Darlehen, beispielsweise bei Kautionen", erklärt Renate Hold. Diese können in kleinen Beträgen zurückgezahlt werden. Die Sozialpädagogin erinnert sich an den Fall einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern aus Markdorf, die aufgrund eines Umzuges in eine andere Kommune mit der Situation überfordert war. Zwar hat sie eine Ausbildung und die Erziehung der Kinder sehr gut miteinander vereinbaren können, doch verfügte sie über keinerlei familiäre Netzwerke oder weitere Unterstützung.
Der Umzug kostete Geld, die Anschaffung neuer Möbel war notwendig, eine Mietkaution wurde fällig. Hier half das Mehrgenerationenhaus mit einem Darlehen und Ehrenamtliche kümmerten sich um den Transport der Möbel. "Wir haben engagierte Personen, die einspringen und helfen, wenn zum Beispiel eine alte Waschmaschine entsorgt und eine neue eingebaut werden muss."
Jeder Cent kommt bei Betroffenen an
Die Spendenkasse kommt ausschließlich Familien aus Markdorf und Umgebung zu Gute. In einzelnen Fälllen erhalten auch ältere Menschen, die sehr von Altersarmut betroffen sind, eine finanzielle Unterstützung. Renate Hold stellt klar: "Bei uns entstehen keinerlei Verwaltungskosten." Jeder Euro ist ein Hoffnungsschwimmer in einem Leben, das ganz schnell in die falsche Richtung kippen kann.
"Die Menschen leben an der Grenze. Vielen ist ihre Lage unangenehm, sie schämen sich", sagt Hold. Aber sie wissen, dass sie im Mehrgenerationenhaus eine Anlaufstelle haben, die hilft. Menschen, die helfen und SÜDKURIER-Leser, die helfen.
Aktion "Familien in Not"
Das Mehrgenerationenhaus und der SÜDKURIER rufen in der Adventszeit gemeinsam zur Aktion "Familien in Not" auf. Die Verantwortlichen freuen sich über kleine und große Geldspenden und versichern, dass die Spende ohne einen Cent Abzug, bei den Betroffenen ankommt. Bis Weihnachten wird der SÜDKURIER regelmäßig über die Aktion berichten.
Wer spenden möchte:
Familienforum Markdorf e.V.
Stichwort: Familien in Not
IBAN: DE83 6905 0001 0001 8709 30
Sparkasse Bodensee
Hartz-IV-Regelsatz und Kindergeld
- Armut: Wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung hat, gilt in Deutschland als arm. Das Armutsrisiko ist besonders hoch bei Kindern von Alleinerziehenden, die häufig nur Teilzeit arbeiten können. Haben die Mütter keinen Job, so wachsen 96 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armut auf. In Baden-Württemberg sind 1,6 Millionen Menschen von Armut betroffen. 358 000 Kinder und Jugendliche sind im Südwesten armutsgefährdet. 2014 war noch jedes sechste Kind in Baden-Württemberg von Armut betroffen, laut neuesten Zahlen ist es jedes fünfte.
- Hartz IV: Zum 1. Januar 2018 wurden die Hartz-IV-Regelsätze angehoben. Seitdem erhalten Alleinstehende 416 Euro, Partner statt 368 nun 374 Euro. Neben der Hartz-IV-Regelleistung übernehmen die Jobcenter die Kosten für die Wohnung. Hierzu zählen Miete sowie Nebenkosten inklusive der Heizkosten. Strom müssen Betroffene aus dem Hartz-IV-Regelsatz zahlen. Der monatliche Regelsatz für Alleinstehende soll ab 2019 auf 424 Euro im Monat steigen; Partner erhalten künftig 382 Euro monatlich.
- Miete: Bei den Wohnkosten übernehmen die Jobcenter nur die Kosten, die angemessen sind. Hierbei richtet sich die Angemessenheit des Wohnraums und der Miete nach den örtlichen Mietspiegeln. Diese Richtlinien werden nicht regelmäßig angepasst, sodass die steigenden Mietpreise nicht entsprechend bei den Jobcentern berücksichtigt werden und viele Hartz-IV-Betroffene Differenzen bei den Mietzahlungen aus dem Regelsatz dazusteuern müssen.
- Kindergeld: Zurzeit bekommt eine Familie mit einem Kind 194 Euro, mit drei Kindern 588 Euro Kindergeld pro Monat. Ab Juli 2019 steigt das Kindergeld um zehn Euro pro Kind.