Leider fehlt das Datum. Erika Schleicher bedauert, dass sie nicht nicht genau sagen kann, wann das Foto mit den sieben lächelnden Mädchen darauf gemacht wurde. „Da dürfte ich acht oder neun gewesen sein“, erzählt die 83-jährige Markdorferin. Alle sieben Mädchen tragen helle Schleifen im Haar. Alle sieben kauern auf dem Boden. Erika Schleicher weiß auch noch alle Namen. Vor allem aber erinnert sie sich an die Kleider. „Die waren aus Windelstoff genäht“, erklärt sie, „damals gab es ja noch nichts“ – vor 75 Jahren, unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Brikett als Eintrittsticket für den Ball
Sieben junge Balletttänzerinnen zeigt das das angegilbte Foto. „Richtigen Ballettunterricht hatten wir ja nicht“ – und schon gar keine Ballettschuhe. Mit ihren grazilen Armbewegungen und Tanzschritten, einstudiert von einer gewissen Lieselotte Dieth, haben die sieben Mädchen ihr Publikum trotzdem begeistert. Beim Auftritt im „Walsersaal“, so hieß die Räumlichkeit im ersten Stock jenes Gebäudes neben dem heutigen Rathaus, in dem heute eine Eisdiele einlädt.

Der Saal diente seinerzeit als Kino, als Tanzsaal, als Varieté und als Bühne für die „Bunte Platte“, den Programmabend der Markdorfer Narren. „Die Gäste mussten einen Brikett mitbringen“, erzählt Erika Schleicher. Neben dem Stoff und neben den Lebensmitteln sei auch Brennstoff in diesen harten Jahren äußerst knapp gewesen. Kein Mangel geherrscht habe indes an guter Laune, berichtet die 83-Jährige, beziehungsweise am Bedürfnis nach Unterhaltung: „Vom Krieg wollte damals keiner mehr etwas hören.“
Akrobatik auf dem Marktplatz
Erika Schleicher hatte es nicht weit von ihrem Elternhaus zum Walsersaal. Die geborene Dosch ist im gleichnamigen Haus, Ecke Markt- und Ulrichstraße, aufgewachsen, das in früheren Zeiten das „Café Dosch“ war und von ihren Eltern geführt wurde. Schon weiter zu laufen hatte sie, als sie etwas älter war, wenn sie zum vereinbarten Treffpunkt der Turner für den Fastnachtsumzug wollte. Der war beim Schuhhaus Effinger am Ende der Hauptstraße.
Von dort aus ging es bis zum Marktplatz hoch. „Wir hatten Handschuhe und Turnschuhe an“, erinnert sich Erika Schleicher, „und haben die ganze Strecke radschlagend zurückgelegt“. Auf dem Marktplatz sei das Programm dann aber nicht zu Ende gewesen. Im Gegenteil habe es dann auch noch Akrobatik-Vorführungen gegeben, erinnert sich Erika Schleicher. Begeistert bejubelt vom Publikum, das sich so zahlreich eingefunden hatte, wie es die Markdorfer heute von ihren sommerlichen Open-Air-Festivals auf dem Marktplatz her kennen würden.
Im Handstand auf dem Gehrenbergturm
Dass den jungen Turnern, zu denen Erika Schleicher gehört hat, nicht umsonst applaudiert wurde, das lassen weitere Fotos aus ihrer Sammlung ahnen. Eines davon zeigt sie auf der Schulter von Edwin Hugger stehend, dem Gründer der Turnergruppe.

Die jugendliche Erika Schleicher steht nur auf einem Bein, das andere hat sie wie im Spagat in die Luft gehoben. „Der Edwin Hugger ist ein toller Turner gewesen“, erzählt sie. Den Handstand machte er sogar auf dem oberen Geländer des Gehrenbergturms. Heute, so findet 83-Jährige, sei das natürlich undenkbar.