Nein, ein „alter Hase“ sei er ganz gewiss nicht, erklärt Rolf Haas. Dafür sei er noch zu neu im kommunalpolitischen Geschäft. Im Markdorfer Gemeinderat sitzt der IT-Experte erst seit etwa einem Jahr, dies für die FDP. Er habe gewissermaßen noch den Blick von außen, „und manches, was ich mir vorgestellt habe, finde ich jetzt auch bestätigt“, erklärt er. Zum Beispiel: „Markdorf fängt viele Themen an, bringt dann aber viele Dinge nicht oder mit großem Zeitversatz zu Ende.“ Die Dinge geraten in die Warteschleife – mitunter auch in Vergessenheit. „Es wird sehr viel geplant, aber wenig umgesetzt“, lautet Haas‘ harscher Befund.

Vermisst das strategische Denken in der Stadt: FDP-Stadtrat Rolf Haas vor dem Ex-Gasthof „Adler“, der im Besitz der Stadt ...
Vermisst das strategische Denken in der Stadt: FDP-Stadtrat Rolf Haas vor dem Ex-Gasthof „Adler“, der im Besitz der Stadt ist und in die Rathausneuplanung eingebunden werden soll. | Bild: Jörg Büsche

„Stadt besitzt die wichtigsten Immobilien“

Etwa bei der Stadtentwicklung: „Die Stadtentwicklung ist seit Jahren Dauerbrenner in der Markdorfer Diskussion. Ich erinnere nur an den „Doderer“-Bericht aus dem Jahr 2009 und die im vorigen Jahr begonnene Mediation zu diesem Thema.“ Dabei befinde sich die Kommune aus Haas' Sicht in einer durchaus komfortablen Ausgangslage, um die Dinge energischer voranzutreiben. „Die Stadt besitzt die wichtigsten Immobilien südlich vom Marktplatz: das Bischofschloss, das Dosch-Haus, das gesamte Rathausareal, den Adler, den Marktplatz selbst und das Alte Schulhaus“, zählt der FDP-Stadtrat auf.

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Haas: Projekte zu sehr abhängig von Zuschüssen

Doch was passiert? Wenig, sagt Haas. Und als Hauptgrund dafür führt er an, dass Projekte von Zuschüssen abhängig gemacht würden. Stünde finanzielle Unterstützung in Aussicht, würden Projekte auch beschlossen – sonst nicht. Für Haas ist das jedoch „eine Milchmädchenrechnung, schließlich ist in der Regel immer auch ein Eigenanteil aufzubringen.“ Um 200 000 Euro Zuschuss für ein 800 000-Euro-Projekt zu bekommen, sei ein eigener Beitrag von immerhin 600 000 Euro erforderlich. Kein Pappenstiel, findet Haas. Überhaupt sieht er das Denken in Rat und Verwaltung nach wie vor in anderen Zeiten verhaftet. In Zeiten, da die Stadtentwicklung überaus optimistisch angesehen wurde. Man hatte Geld. So viel Geld sogar, „dass Fördermittel mitunter gar nicht erst abgerufen wurden“, behauptet Haas, „das hätte ja Mehrarbeit bedeutet“.

Gesperrt, geflickt und einsturzgefährdet: das Parkhaus unter dem Bischofsschloss. Auch hier sieht Rolf Haas dringenden Handlungsbedarf.
Gesperrt, geflickt und einsturzgefährdet: das Parkhaus unter dem Bischofsschloss. Auch hier sieht Rolf Haas dringenden Handlungsbedarf. | Bild: Jörg Büsche

„Faktisch ist die Stadt pleite“

Inzwischen habe sich die finanzielle Situation grundlegend geändert. „Faktisch ist die Stadt pleite“, sagt Haas. Da drohe unterdessen ein Defizit von acht Millionen Euro im städtischen Haushalt. Ohne Corona schriebe man zwar noch die schwarze Null, räumt er ein. Nun aber herrschen Pandemiebedingungen. Größere Defizite seien absehbar. Der FDP-Politiker zählt die größten Kostentreiber auf: „Die Rathaussanierung ist ein großer Brocken, dann kommt die Südumfahrung, das BZM, die Grundschulen – insgesamt sind es 53 Millionen.“ Da stelle sich schon die Frage, ob das überhaupt noch zu tragen sei?

FDP-Stadtrat Rolf Haas fordert eine rasche Lösung fürs Markdorfer Bischofsschloss. Video: Jörg Büsche

Mehrkosten nur bei tatsächlichem Bedarf

Haas Rezept zur finanziellen Wiedergenesung ist ganz schlicht: „Alles, was Kosten verursacht und nicht zwingend ist, ablehnen.“ Konsequenterweise habe er sich auch im Rat gegen die Erweiterung des Kindergarten etwa durch eine U3-Gruppe gesperrt, das heißt enthalten. Der Grund: Aus den von der Verwaltung vorgelegten Abstimmungsunterlagen sei nicht hervorgegangen, ob tatsächlich ein Bedarf gegeben sei. Erheblichen Mehrkosten zuzustimmen, quasi „im Blindflug“, ohne dass ein erkennbarer Bedarf da sei, das habe er keinesfalls gewollt.

Kommunales Handeln strategisch ausrichten

In Markdorf vermisst Haas die strategisch konsequente Ausrichtung des kommunalen Handelns. Zum Beispiel bei der Bürgerbeteiligung. Die werde angestoßen, dann aber verlaufe sie im Sand. Weitere Beispiele für fehlendes strategisches Denken in der Stadt: dass die Wirtschaftsförderung nach Friedrichshafen outgesourced worden sei. Jemand, der in Friedrichshafen sitze, bediene selbstverständlich zuerst die Friedrichshafener Interessen. Das sei das Hemd-Rock-Prinzip. Warum sollte er den Rock bedienen, das fernere Markdorf, und nicht das nahe Häfler Hemd?

Kein Ort zum Wohlfühlen: die Stadtgraben-Unterführung. Hier sollte was getan werden, findet Rolf Haas.
Kein Ort zum Wohlfühlen: die Stadtgraben-Unterführung. Hier sollte was getan werden, findet Rolf Haas. | Bild: Jörg Büsche

Südumfahrung sei dringend nötig

Es hapere an Vielem. Die Südumfahrung komme und komme einfach nicht. Dabei brauche die Stadt diese verkehrliche Entlastung dringend. Niemand fahre freiwillig nach Markdorf, solange ihn dort ein zeitraubender Stau erwarte. Der Dauerstau schädige die Wirtschaft.

Haas fordert mehr Führungskompetenz vom Bürgermeister

Für Haas ist klar: es bedürfe deutlich mehr Führungskompetenz im Rathaus. „Würde in einem Unternehmen so gehandelt wie bei uns im Rathaus, das Unternehmen hätte keine Chance auf dem Markt“, sagt Haas. „Wir brauchen einen guten CEO, einen guten Chief Executive Officer, einen guten Hauptgeschäftsführer für diese Stadt.“ Als Mensch sei Bürgermeister Georg Riedmann „ein Super-Typ, aber als Bürgermeister?“ Ihm fehle die notwendige „Leadership“, findet Haas. Der Bürgermeister wolle es allen recht machen, kritisiert der FDP-Stadtrat.

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Heftige Kritik auch an den Gemeinderatskollegen

Haas‘ Urteil fällt dementsprechend harsch aus: Keine Führungsstärke – und auch von Wandel fehle jede Spur in Markdorf. „Mit dem neuen Gemeinderat sind wir vom Regen in die Traufe gekommen.“ Am Ende laufe vieles auf Stagnation hinaus. Abhilfe böten allein „neue Köpfe im Gemeinderat“. Menschen, die sich vom alten Trott lösen könnten. Menschen, die klar zu trennen wissen: Was sind Pflicht-, was sind Wunsch-Themen der Stadt? Hier sei Markdorf in Schieflage geraten. Und ein kluger CEO würde sich in dieser Lage aufs Wesentliche konzentrieren. Nicht steigende Friehofsgebühren führen zu einem entscheidenden Zuwachs im Haushalt, sondern die großen Posten: die Gewerbesteuern der Unternehmen. Hier zieht Haas den Vergleich mit der Wirtschaftspolitik von Riedmanns Vorgänger Bernd Gerber. Der habe die Initiative ergriffen. Unter seiner Ägide seien Unternehmen nach Markdorf gezogen worden. Beim übertriebenen Achten auf die Bedürfnisse der kleinen Gewerbetreibenden gerieten heute dagegen die großen, die maßgeblichen Spieler aus dem Blickfeld, beobachtet Haas. Und das könne sich die Stadt nicht leisten. Aus dem Blickpunkt geraten sei insgesamt die Einnahmeseite. Es sei ein auch großer Fehler, wenn die Stadt solvente Unternehmen ziehen lasse.

Rolf Haas sorgt sich um die Attraktivität der Innenstadt und vermisst ein Gesamtkonzept für die Geschäftswelt.
Rolf Haas sorgt sich um die Attraktivität der Innenstadt und vermisst ein Gesamtkonzept für die Geschäftswelt. | Bild: Jörg Büsche

Haas stellt die FDP als Wirtschafts-Kümmerer dar

„Wir als FDP haben uns frühzeitig gekümmert“, erklärt Rolf Haas. „Etwa als sich im Oktober die Weber-Insolvenz abgezeichnet hat, sind wir gleich an den Insolvenzverwalter herangetreten, dies mit der Absicht, mehr zu erfahren und wenn nötig politisch etwas zu unternehmen – wir wollten grundsätzlich klären, was in der Angelegenheit möglich ist, um zu retten was sich noch retten lässt.“ Der Landtagsabgeordnete Klaus Hoher habe sich gleich um Födergelder-Fonds gekümmert. Seine guten Kontakte zu Unternehmen hätten ihn, Haas, auch kaum noch überrascht sein lassen, als sich die Insolvenz des Markdorfer Flugsitz-Herstellers ZIM abzeichnete. „Die Lage war schon vor der Corona-Krise, vor dem Einbruch des Flugverkehrs sehr schwierig für ZIM“, erklärt Rolf Haas.

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Lieber Geld für die Digitalisierung an den Schulen als hohe Summen für die Skaterbahn

„Wir schauen aber nicht nur auf die großen Unternehmen“, skizziert Haas das wirtschaftliche Anliegen der Markdorfer FDP, „wir haben durchaus auch die kleinen Händler im Blick.“ Jeder einzelne von ihnen zahle Gewerbesteuern, in der Summe mache das schon was aus.

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Ohne den kräftigen Tritt auf die Kostenbremse, so malt Haas aus, drohe, dass demnächst der Tübinger Regierungspräsident den Markdorfer Haushalt unter seine Fittiche nehme. „Luxus-Projekte“ wie die Skateranlage könne man sich nicht mehr leisten. Viel sinnvoller sei es, das dort verplante Geld tatsächlich in die Zukunft zu investieren, indem die Digitalisierung vorangetrieben werde. Die Rathausrenovierung würde möglicherweise ohne zusätzliche Flächen auskommen. Ein Laptop für jeden Viertklässler koste nur einen Bruchteil von dem, was für die neue Skaterbahn ausgegeben werden soll, meint Haas.