Es ist ein tiefer Fall: Scheinbar mühelos hatte ZIM Flugsitz aus Markdorf im vergangenen Jahrzehnt den Markt aufgerollt und selbst etablierten Konkurrenten wie Recaro Aircraft Seating aus Schwäbisch Hall oder dem US-Hersteller Zodiac den Schneid abgekauft. In wenigen Jahren hatte es das 2008 von den Ex-Dornier-Ingenieuren Angelika und Peter Zimmermann gegründete Unternehmen unter die Top 5 der europäischen Sitzbauer geschafft. Bei der Rendite setzte man noch vor wenigen Jahren Maßstäbe.

Insolvenz in Eigenverwaltung – Kanzlei Pluta übernimmt

Und jetzt das: Wie am Dienstagabend bekannt wurde ist ZIM pleite. Man habe beim Amtsgericht in Konstanz einen „Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt“, teilte ZIM mit. Für die ZIM-Geschäftsführung heißt das, dass der Betrieb erst einmal weiterlaufen kann, ihr dabei jetzt aber zwei Sanierungsexperten der auf Insolvenzen spezialisierten Kanzlei Pluta auf die Finger gucken. Auch die rund 210 Mitarbeiter bleiben zunächst an Bord. Deren Gehälter sind für drei Monate über Insolvenzgeld abgesichert. Die Aufgabe der Geschäftsführung und der Sanierer ist es nun, das Unternehmen schnell zukunftsfähig aufzustellen. Gelingt dies, kommen auch die Gläubiger unter Umständen mit einem blauen Auge davon und das Unternehmen bleibt bestehen.

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Einfach wird das nicht. Wie fast keine andere Branche leidet die Luftfahrt unter den Auswirkungen der Corona-Krise und der damit verbundenen Beinahe-Einstellung des weltweiten Passagierverkehrs. Reisebeschränkungen der massive Rückgang der Passagierzahlen hätten bei ZIM zu „anhaltenden und deutlichen Umsatzrückgängen“ geführt, heißt es vom Unternehmen. Noch immer spüre man die Krise „sehr deutlich“.

Nach einer Ende April veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung H&Z rechnen 89 Prozent der Luftfahrt-Unternehmen „mit weitreichenden, teils sogar existenzbedrohenden Folgen aus der Corona-Krise„. Mehr als zwei Drittel erwarten Liquiditätsengpässe. Mit einer wirtschaftlichen Erholung auf dem Niveau von 2019 rechnet man in der Branche erst wieder ab dem Jahr 2023.

Hausgemachte Probleme bei ZIM schon im Jahr 2018

Als „dramatisch“ bezeichnet Rolf-Jürgen Ahlers, Vorstandsvorsitzender des Forums Luft- und Raumfahrt Baden- Württemberg (LRBW), die Lage der Firmen, von denen sich rund 110 am nördlichen Ufer des Bodensees ballen. Damit ist die Gegend mit ihren gut 8200 in der Luft- und Raumfahrt angesiedelten Jobs eine von bundesweit fünf Schwerpunktregionen der Branche. Vor der Krise seien die Firmen solide aufgestellt gewesen, sagt Ahlers. Nun aber sei ihr größtes Problem die schnell schwindende Liquidität. Diese Situation könne bis Herbst durchaus zu weiteren Insolvenzen führen, sagt der Fachmann.

Millionenverlust bereits vor zwei Jahren – Gibt es daher keine Staatshilfe?

Bei ZIM tritt die Corona-Krise aber auf hausgemachte Probleme. Schon in den vergangenen Jahren ist das Unternehmen ins Trudeln geraten. Die letzten veröffentlichten Geschäftszahlen weisen für das Jahr 2018 einen Verlust von 2,4 Millionen Euro aus – nach einem kleinen Gewinn im Vorjahr. Zwar wurde für 2019 wieder ein Gewinn von 1,1 Millionen Euro angestrebt, ob dieser aber realisiert werden konnte, dazu schweigt man bei ZIM.

Der Jungfernflug des ersten Bombardier CS100 der Fluggesellschaft SWISS im Jahr 2015. ZIM Flugsitz aus Markdorf hat für diesen ...
Der Jungfernflug des ersten Bombardier CS100 der Fluggesellschaft SWISS im Jahr 2015. ZIM Flugsitz aus Markdorf hat für diesen Flugzeugtyp neue Sitze entwickelt. | Bild: Birgit Mann, Swiss

Die zwischenzeitlich aufgelaufenen Verluste mögen auch der Grund dafür sein, dass ZIM mögliche Corona-Hilfen des Staaten nicht in Anspruch nehmen kann. Wer bereits vor der Pandemie rot schrieb, bleibt bei Staatshilfen außen vor. Alle Anfragen dieser Zeitung zu dem Thema, ließ ZIM unbeantwortet.

Probleme in neuem Werk in Schwerin

Probleme scheint dem Unternehmen insbesondere der Neubau eines Produktionswerks in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) bereitet zu haben. Aus dem Ruder laufende Kosten führten nach Unternehmensdaten dazu, dass die im Jahr 2017 noch hohen frei verfügbaren liquiden Mittel „bis Ende 2018 vollständig aufgebraucht“ wurden, wie es im Geschäftsbericht heißt. Dies habe „zu einer Bestandsgefährdung“ des Unternehmens geführt. Mindestens zwei Jahre in Folge war der Cash-Flow negativ. Die Eigenkapitalquote rauschte von gut 40 Prozent auf 25 Prozent Ende 2018 in den Keller. Der Umsatz stieg 2019 zwar deutlich auf 55 Millionen Euro, die finanziellen Schwierigkeiten aber setzten sich fort.

Nur unter bestimmten Bedingungen, erklärten sich die Banken bereit, Kredite zu gewähren oder zu verlängern. In der Folge zogen sich die Firmengründer, das Ehepaar Zimmermann, teilweise aus dem Unternehmen zurück und verkauften die Mehrheit von ZIM im Frühjahr 2020 an die Münchner Beteiligungsgesellschaft Aurelius. Auch zur Frage der Besitzverhältnisse sowie der aktuellen Rolle Ex-Mehrheitseigner, der Familie Zimmermann, im Unternehmen schwieg ZIM.