Hansjörg Bentele ist Jäger. Neben Hege und Pflege von Wald und Wild hat für ihn auch das Töten von Tieren eine gewisse Selbstverständlichkeit. Der Anblick toter Tiere macht ihm vergleichsweise wenig aus. Und dennoch wirkt er betroffen, sehr berührt, als er den Deckel der Wildwanne abhebt. In dem Transportbehältnis aus grünem Kunststoff liegt ein totes Rehkitz. „Meine Frau hat es abfangen müssen“, erklärt Bentele. Sie habe dem leidenden Tier gewissermaßen den Gnadenstoß gegeben, mit der blanken Messerklinge.
Eindeutige Hundebisse im Körper des Kitzes
Von weitem habe sie, obgleich ebenfalls zur Jägerin ausgebildet, das rotbraune Etwas auf dem Wanderweg oberhalb des Fünfländerblicks bei Hepbach zunächst gar nicht recht erkannt. Schon bald aber war das Husten und Röcheln des verendenden Tieres zu hören. Das Rehkitz war schwer verletzt. Und in den Wunden krabbelten bereits die Fliegen. Den Tierkadaver habe seine Frau dann mit nach Hause gebracht, um ihn zur Tierverwertung nach Salem zu bringen. „Da besteht kein Zweifel“, erklärt Bentele, „das war keine Landmaschine, das sind ganz eindeutig Hundebisse.“

Wieder habe ein freilaufender Hund ein junges Reh aufgespürt. Er muss es in die Enge getrieben haben. Das Zubeißen geschehe dann eher reflexhaft. „Da kommt dann der Wolf durch.“ Doch anders als beim wilden Stammvater würden die allermeisten Haushunde sich nach dem Zubeißen erschrecken und sogleich wieder ablassen von ihrer Beute. Zurück bleibt das verletzte Tier. Und das Herrchen oder Frauchen des für kurze Zeit zum Beutefänger gewordenen Hundes wird im Zweifel gar nichts mitbekommen haben vom grausigen Geschehen beim Wald- oder Wiesenspaziergang.
Halter müssen immer auf ihren Hund einwirken können
Das Leinengebot gelte nur im städtischen Innenbereich, das heißt in den bebauten Gebieten, erklärt Hansjörg Bentele. Er ist Jagdpächter in einem 370-Hektar-Revier, das zu drei Fünfteln aus Wald besteht und zu zwei Fünfteln aus Wiesenflächen. Für die sogenannten Außenbereiche, für Feld und Wald hingegen bestehe kein Leinenzwang. Allerdings sei auch im Bodenseekreis klar vorgegeben, „dass man auf die Hunde einwirkbar sein muss“, betont Bentele: „Der Hund muss auf Zuruf reagieren.“

Doch viele Hunde reagierten eben nicht auf Zuruf. Weil die Hundeerziehung versagt, weil ihm keine deutlich geregelten Grenzen gesetzt sind. Dann könne passieren, dass der Hund einem soeben aufgespürten Wild hinterherhetzt. „Normalerweise hat der Hund keine Chance, ein Reh zu stellen“, dazu seien Rehe zu gewitzt. Gerade in Obstanbaugebieten aber komme es immer wieder vor, dass sich fliehende Rehe in den Drähten der Obstanlagen verletzen oder gar darin zu Tode kommen.
Aufklärung als Anliegen
„Mein Anliegen ist es ja die Menschen zu sensibilisieren“, erklärt Bentele. Den meisten sei gar nicht klar, wie viel Unheil ihr vierbeiniger Freund draußen in der Natur anrichten kann: „Ach, der spielt bloß.“ So habe jüngst ein empörter Landwirt die Hundehalterin zitiert, die nur gelassen zugeschaut habe, als ihr großer Hund einem jungen Reh hinterherpreschte. Das sei aber kein Spiel, sondern das Erwachen der natürlichen Instinkte, des genetisch bedingten Jagdverhaltens. Bei manchen Hunderassen stärker, bei anderen schwächer ausgeprägt, im Grunde aber bei allen angelegt. Und bereits das bloße Hetzen, das Verfolgen seiner vermeintlichen Beute empfinde der Hund als Belohnung. „Da muss er seine Beute gar nicht unbedingt erlegen“, erläutert Bentele die Hundepsyche.
„Ich gehe auf die Leute zu und versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, erklärt der Jagdpächter. Vielen Hundehaltern sei auch nicht bewusst, dass Ackerflächen zwischen Saat und Ernte, aber auch Grünland in den Phasen von Wuchs und Beweidung überhaupt nicht betreten werden dürfen. „Leider“, so bedauert Hansjörg Bentele, „fehlt vielen Menschen heute der nähere Bezug zur Natur.“