Die einen kauen beim Balancieren ihrer Burger. Die anderen halten die frisch gefüllten Becher in der Hand. Und eigentlich ist es so wie bei guten Feten: Im Wohnzimmer stehen die Boxen – und in der Küche gibt‘s die guten Gespräche. Nur, dass die Boxen inzwischen eingepackt werden. Für den nächsten Auftritt von Jan Delay und seiner Band „Disko No. 1“ am nächsten Abend beim „Pinot-&-Rock“-Festival in Breisach.
Außerdem ist der Markdorfer Marktplatz weder Küche noch Wohnzimmer – dafür aber heute Abend eine riesige Party-Zone. In die haben Jan Delay & Disko No. 1 die östliche Innenstadt von Markdorf verwandelt, als dritter Act beim diesjährigen Markdorf Open Air und mit ihrem aktuellen Programm „Jan Delay & Disko No. 1 – Best of 25 Years“.

Mit dem Bier in der Hand spricht David Enenkel aus Oberstaufen in die Runde seiner Freunde – doch was er sagt, gilt wohl für sehr viele hier auf dem Markdorfer Marktplatz: „Ich liebe diese kleinen Konzerte, die haben einfach eine ganz andere Atmosphäre als die Groß-Events in der Allianz-Arena.“ Dort passen 18-mal mehr Leute hinein als aufs Pflaster zwischen Kirche und Obertorstraße.

Noch lange nicht Schicht!
„Wer sagt, dass es hier enden muss?“, hat Jan Delay eben noch gesungen – mit seiner typischen, mal quengelnd, mal knödelig klingenden Stimme, die viel frechen Trotz und Energie besitzt. Nein, „da ist noch lange nicht Schicht“ hieß es in einem Song. Weil in St. Pauli immer noch Licht brennt, „denn im Großen und Ganzen ha‘m wir allen Grund zum Tanzen“. Auf St. Pauli ohnehin – und heute auch in Markdorf, wo wirklich keiner die Beine, die Hüften und die Arme stillhalten konnte.
Nicht beim recht rockigen Song „St. Pauli“, eine der von Jan Delay wiederholt angekündigten allerletzten Zugaben. Nicht bei „Kinginmeimding“, der bitterbösen, jedoch liebevollen Hiphop-Persiflage, die mehr Groove, vor allem aber viel, viel mehr Esprit besitzt, als die üblichen Poseur-Balladen dieses Genres. Und – es geht immer noch ums Nicht-still-stehen-Können, Einfach-Mittanzen-Müssen – zum Beispiel bei „Die Welt steht still“ – in mega-lässigem Reggae-Rhythmus oder bei „Saxophon“, jenem Trostlied fürs Kind, das weder Ritterburg noch Playmobil hat, dessen Mama ohne Einbauküche klarkommen muss.

Papa hat ein Saxophon
Die Frage ist nur, ob sie nachvollziehen kann, was der Mann im weißen T-Shirt und der schlackerigen Hose singt. Jenes Mädchen dort im mehr als 4000-Leiber-Gewippe und -Gewoge, das da oben fest auf den Schultern ihres Vaters mit freiem Blick auf die Bühne ein Papp-Schild in seinen Händen hält: „Papa hat ein Saxophon“. Vermutlich der Wunsch-Titel der Eltern. Der Wunsch ging in Erfüllung. Denn hier auf dem Markdorfer Marktplatz ist das Leben ausnahmsweise einmal ein Wunschkonzert. Das zeigen die zahlreichen strahlenden Gesichter.
Der will auch spielen
Dass so viel Jugend da ist, freut ihn. Jan Delay greift das auf, spricht die Väter an, die ihre Töchter, ihre Söhne auf der Schulter tragen – und integriert das in sein Mitspiel-Programm. Da gab‘s das Mithüpfen auf die Eins: „Und jetzt zweimal!“ Die Leute springen mit – im ohnehin mitreißenden Rhythmus. Sie machen auch noch bei „und jetzt dreimal!“, sogar bei „und jetzt viermal!“ mit. Beim Appell an die Männer, ihre Partnerinnen auf die Schulter zu nehmen, sind es dann aber schon deutlich weniger, die sich dieser Aufgabe gewachsen zeigen – immerhin aber einige.
„It‘s showtime“, hat er in die Menge gerufen. Und eine Show war Jan Delays Auftritt mit Disko No. 1 tatsächlich. Von der mit der Farbpalette spielenden Licht-Show mit ihren Gewitter- und Flut-Effekten bis hin zur Instrumentalbegleitung beziehungsweise den munteren Damen des Chors, deren Tanz und deren Gesang mindestens so gut waren wie der fabelhafte Bläsersatz der Disko-No.-1-Band. „Ein Riesenapplaus für Disko No. 1!“, rief Delay ins Publikum. Er kam, war verdient, wie auch der Beifall für ihn selbst. „Markdorf! Was für ein wunderschöner Abend!“ Wie‘s scheint, hat Jan Delay in selbst genossen.
