Wer war zuerst da? Das Stück oder die Theatergruppe? „Ganz klar die Theatergruppe“, sagt Regisseur Sacha Bochenek auf die Frage nach der Auswahl des diesjährigen Titels für das traditionelle Neujahrstheater. „Wir haben wieder einmal ein Stück gefunden, das genau zu den Spielern passt“, ergänzt Theaterleiter Andi Lang. Zehn Akteure, zehn Rollen – schließlich muss es aufgehen. „Am Anfang waren wir acht, dann neun“, das hätte, so Sacha Bochenek, immer wieder das Lesen neuer Manuskripte erfordert. Erst mit dem Zehnten im Bunde und vier neuen Akteuren sei klar gewesen: Dieses Stück soll‘s werden!

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Casanova lebt! – allerdings nur in Leimbach

„Casanovas Comeback“ lautet der vielversprechende Titel der Komödie, die von der Theatergruppe des Bodensee Medley Chors vom 3. bis 5. Januar in der Mehrzweckhalle Leimbach aufgeführt wird. Die Frage, was es auf sich hat mit dem Schauspiel um den legendären Schwerenöter, dem Kerl, der seinerzeit den Frauen gehörig den Kopf verdreht hat, ist so simpel wie einfach – und berechtigt: Lebt er tatsächlich noch? Ja! Er lebt noch, um die Antwort vorwegzunehmen. Und mit ihm lebt auch die alte Leier um Lust und Laster, um Liebe und Leidenschaft wieder auf.

Doch zunächst schwört die gelangweilte Ehefrau Beate Boring (Alexia Bandura) allem freizügig-frivolen Vergnügen im Leben ab. Denn Ehemann Ralf (Andi Lang) erweist sich seit der Hochzeit als echter Couch-Potato, dessen einziger Höhepunkt im Leben das Sortieren seiner Bierdeckelsammlung und die bevorstehende Paarung seiner Guppys darstellt. Eines Tages kommt Besuch, und mit Beates Freundin Simone Wohlgemut (Martina Schafhauser) samt illustrem Lebensgefährten Adrian von Kleist (Sacha Bochenek) nimmt die Geschichte ihren Lauf.

Pauken in der Pause: Noch sitzt der Text nicht perfekt und Andres Krug (vorn) nutzt die Zeit, um seine Rolle als Richard Steuerwald ...
Pauken in der Pause: Noch sitzt der Text nicht perfekt und Andres Krug (vorn) nutzt die Zeit, um seine Rolle als Richard Steuerwald einzustudieren. | Bild: Helga Stützenberger

Vom Langweiler zum Schürzenjäger

Schon fast kapituliert in Sachen Sex und Sinnlichkeit, lässt sich Beate Boring auf ein gewagtes Experiment ein. Vielversprechend klingt Adrians übersinnliche Fähigkeit, Menschen durch Trance in ihr vorheriges Leben zurückführen zu können. Also überreden die Freundinnen den skeptischen Ralf, sich auf einen Versuch einzulassen. Und man glaubt es kaum – Andi Lang alias Ralf Boring wird als Giacomo Casanova höchstselbst reinkarniert. Dass solcher Gestalt Verwandlung nicht allein zu herzensbrecherischen Manövern führt, sondern auch gehörig viel Trubel heraufbeschwört, lässt sich erahnen. Und alsbald scheinen alle gleichermaßen vom Rückführungsfieber befallen. Wie sonst erklärt sich das plötzliche Erscheinen vom „Kini“ Ludwig II.? Und was bitteschön macht Marilyn Monroe nebst einer doppelten Kleopatra in Ralfs Wohnung?

Viele Fragen, auf die es (noch) keine Antwort gibt – aber ein Versprechen: „Obwohl ich am Anfang skeptisch war bei diesem Stück, war das Manuskript dermaßen lustig, dass ich nach dem Lesen absolut überzeugt davon bin“, sagt Andi Lang. Skeptisch sei er freilich nur deswegen gewesen, weil seine Rolle als Casanova bedeutet, sich weniger in Verführungskünsten zu üben als einfach richtig viel Text zu lernen. Und auf die Frage, ob er sich in seine Rolle als weltmännischer Frauenheld bereits eingefunden hat, meint Andi Lang trocken: „Alter und Lebenserfahrung müssen einfach passen. Sonst funktioniert die Rolle nicht.“

Manuela Keller alias Hedwig Ziegennagel spielt ihre Rolle als böse Nachbarin von Ralf Boring (Andi Lang) großartig.
Manuela Keller alias Hedwig Ziegennagel spielt ihre Rolle als böse Nachbarin von Ralf Boring (Andi Lang) großartig. | Bild: Helga Stützenberger

Bedenken, dass sie das Pensum in der noch verbleibenden Zeit nicht schaffen könnten, haben Andi Lang und Sacha Bochenek keine. Hier die Mimik noch besser einstudieren, da noch an Gestik und Betonung feilen – nach 31 Proben muss das Spiel um das Buhlen und Bezirzen sitzen.

Obwohl … „Ich tue mir mit meiner Rolle ganz schön schwer“, gesteht Manuela Keller. „Ich wollte nie eine böse Rolle spielen“, stöhnt sie theatralisch. Und tut es doch. Als Ralfs paragrafenreitende Nachbarin Hedwig Ziegenhagel kann sie ebenso böse sein wie 2023 als Schlagerstar Marianne Rödel liebreizend. Das ist die Kunst beim Theaterspiel. Erst im dritten Akt, so viel sei verraten, wird sie schließlich zur sinnlichen Sexbombe – und ein Fall für Casanova.

Hier in Leimbach schließt sich also der Kreis – und Giacomo Casanovas Flucht aus dem venezianischen Gefängnis findet nach bald 300 Jahren ein glückliches Ende, wenn der größte Womanizer aller Zeiten endlich ein freies Leben als noch freierer Verführer führen kann. Ob er es bleibt? „Nur zwei der fünf Verwandelten werden wieder rückgeführt“, verrät Andi Lang, „die anderen bleiben in ihrer neuen Rolle.“ Und wer wissen möchte, mit wessen Begegnung in Leimbach und um Leimbach herum künftig durchaus zu rechnen ist, erhält beim Neujahrstheater die Antwort darauf.