Noch über zwei Wochen nach dem Hochwasser in Oberteuringen sind die Narren der Teuringer Johle im Einsatz. Eine ältere Dame braucht Hilfe dabei, ihren Keller auszuräumen. Der wurde im Zuge der schweren Unwetter am Morgen des 26. Juni überschwemmt. Es ist der vorerst letzte Hilfseinsatz für die Johle, die vielen Betroffenen in den Tagen und Wochen nach der Katastrophe zum Beispiel dabei helfen, ihre Keller leer zu pumpen, zerstörte Möbel und Geräte aus dem Haus zu tragen oder die Menschen in der Gemeinde mit Speis und Trank versorgen.

Einen Strich wollen die Narren damit aber noch nicht unter ihre Hilfsaktion setzen. Sollte sich nochmal jemand melden, der Unterstützung benötigt, dann helfen sie selbstverständlich weiter, sagt Organisatorin Patricia Kindler.

Es beginnt mit einer Whatsapp-Gruppe

Sie ist es auch, die die ursprüngliche Idee, den Betroffenen des Hochwassers zu helfen, in die Tat umsetzt. „Es waren viele von uns selbst betroffen. Da kam auch die Idee zustande“, sagt Patricia Kindler. Also erstellt Kindler am Tag nach dem Unwetter für die Zunftmitglieder eine Helfer-Gruppe beim Messengerdienst WhatsApp. Außerdem teilt sie in diversen Gruppen des sozialen Netzwerks Facebook ihre Telefonnummer als Kontakt für Menschen, die Hilfe benötigen.

Die Teuringer Johle beim Auspumpen und Putzen in einer vom Regen gefluteten Tiefgarage (von links): Joachim Hopp, Thomas Bucher und ...
Die Teuringer Johle beim Auspumpen und Putzen in einer vom Regen gefluteten Tiefgarage (von links): Joachim Hopp, Thomas Bucher und Thomas Kindler packen tatkräftig mit an. | Bild: Teuringer Johle

Zunächst kommen nur spärlich Anrufe rein, doch schnell sind die Johle dann im Dauereinsatz: „Irgendwann stand das Telefon nicht mehr still.“ In der WhatsApp-Gruppe koordiniert Patricia Kindler die etwa 25 Mitglieder, die in der Spitze gleichzeitig an verschiedenen Orten im Einsatz sind, während sie selbst hilft, Keller leer zu pumpen. „Man hat gemerkt, dass für viele die Situation alleine zu viel war. Viele hatten niemanden zum Helfen“, sagt Kindler.

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Die Gemeinde hält zusammen

Was für die Narren in den Tagen nach dem Hochwasser besonders heraussticht: das enorme nachbarschaftliche Engagement. „Es waren weniger die Betroffenen selbst, die sich gemeldet haben, sondern mehr Nachbarn und Freunde, die es für sie getan haben“, sagt Thomas Kindler. Die Aktion entwickelt laut Thomas Kindler schnell eine Eigendynamik, die die Helfer auch vor Ort spüren.

Helfer ziehen ein mit Schlamm verschmiertes Auto aus der Tiefgarage.
Helfer ziehen ein mit Schlamm verschmiertes Auto aus der Tiefgarage. | Bild: Teuringer Johle

„Es war echt schön zu sehen, wie sehr so ein Dorf zusammenhalten kann“, sagt Patricia Kindler. Manche der Zunftmitglieder lassen sich sogar von der Arbeit befreien, um im Ort helfen zu können, ergänzt Zunftmeisterin Sandra Diesch im Gespräch. Die Johle putzen, waschen Wäsche, pumpen Keller leer und räumen sie aus, organisieren Kinderbetreuung – und sie bekochen die Betroffenen und Helfer. „Ich kann nicht ruhig sitzenbleiben. Daher kam dann auch die Idee mit dem Essen“, sagt Patricia Kindler. Zehn Kilogramm Spätzle kocht sie am Samstag nach dem Unwetter und verteilt sie in der Gemeinde.

Aber auch den Einsatz anderer Zünfte und Gruppen aus der Gemeinde wollen die Helfer hervorheben. So zum Beispiel Landwirtin Birgit Locher, die mit ihrem Güllefahrzeug den Schlamm abgesaugt hat. Die Helfer berichten, dass sie in den Tagen nach dem Hochwasser oft von Betroffenen gefragt werden, warum sie sich so einsetzen. „Ich glaube, es war für viele nicht selbstverständlich, dass so geholfen wird“, sagt Zunftmeisterin Sandra Diesch. „Es sollte selbstverständlich sein. Wir würden uns doch alle wünschen, dass uns jemand in so einer Situation hilft“, ergänzt Organisatorin Patricia Kindler.

Thomas Bucher entsorgt den abgepumpten Schlamm in die Kanalisation.
Thomas Bucher entsorgt den abgepumpten Schlamm in die Kanalisation. | Bild: Teuringer Johle

Erlebnis prägt auch die Helfer

Für Menschen außerhalb von Oberteuringen, die so etwas noch nie erlebt haben, sei das verheerende Ausmaß des Hochwassers schwer nachvollziehbar, sagt Sandra Diesch. Sie selbst hatte vorher auch keine Vorstellung. „Man denkt sich, es ist ja nur ein Keller. Aber wie weit das geht, ist unvorstellbar.“ Diesch sagt, viele Teuringer wird das Hochwasser noch lange beschäftigen. Und neben allen tragischen Folgen bleibt bei Patricia Kindler durch den Einsatz der vielen Helfer, auch über die Teuringer Johle hinaus, vor allem eine Erkenntnis hängen: „Man weiß jetzt, man ist nicht alleine.“