Die Welt ist im Wandel. Viele vermissen Halt und Orientierung. Manche finden beides in ihrem Umfeld – in der Familie, unter Freunden, im Verein. All das hat mit Heimat zu tun, mit der Geborgenheit und der Sehnsucht danach. Doch was verstehen Markdorfer konkret unter Heimat? Welche Gefühle verbinden sie damit? Was macht Heimat für sie aus?

Landschaft und Brauchtum geben Heimat
Der Arbeitsplatz von Forstwirt Bernhard Brutsch hat keinen Bürostuhl und ist 1200 Hektar groß. Teils besteht er aus städtischem Wald, teils aus privatem. Denn auch die Pflege der auf privatem Grund wachsenden Bäume übernehmen die Mitarbeiter des städtischen Forsts teils mit. Und weil Brutsch in Markdorf, quasi am Waldrand bei Möggenweiler, aufgewachsen ist, kennt er fast jeden Baum und Strauch. Kein Wunder also, wenn für ihn der Gehrenberg, vor allem aber der Wald am Hang, zur Heimat gehört.
Woanders interessiere er sich aber auch für die Landschaft, am meisten natürlich für die Wälder – das schon von Berufs wegen, sagt Brutsch. Außerdem engagiert er sich im Narrenverein. Landschaft und Brauchtum gehören für den 60-Jährigen zur Heimat. Ebenso die Menschen in seiner Nähe, die Nachbarn in Möggenweiler. „Wir stehen füreinander ein“, ist sich Brutsch sicher.
Heimat ist, wo die Kinder Wurzeln schlagen
Jasmin Mörschner spielt mit ihren beiden Kindern im Sand eines Spielplatzes. Sie fühlt sich wohl in Markdorf. „Es ist einfach sehr schön hier“, findet sie. Aber nicht nur in Markdorf, sondern in der gesamten Gegend. Die 31-jährige Mutter nennt Salem, Überlingen und Friedrichshafen. „Und hier leben tolle Menschen“, betont sie. Aufgewachsen ist Mörschner im Thüringischen. „Auch da ist es sehr schön“, beteuert sie.

Zurück in ihre thüringische Heimat möchte die junge Frau aber nicht. Schon weil ihre beiden Kinder hier aufwachsen, die vier Jahre alte Tochter und der einjährige Sohn. Die möchte sie nicht entwurzeln. Markdorf ist zu Jasmin Mörschners neuen Heimat geworden.
Wenn die Heimat aus dem Zapfhahn kommt
„Unser Bier von hier“ heißt es in der Überschrift auf der Internetseite der Brauerei Clemens Härle in Leutkirch. Bei Marcus Hagner, dem Wirt des Restaurants Untertor, fließt eben dieses Härle-Bier aus dem Hahn. Und Hagner hat ein eigenes Härle-Bierglas. Denn er fühlt sich der Brauerei verbunden. „Mein Großvater hat dort gearbeitet und ich kenne die gesamte Familie“, sagt der gelernte Koch, der in Leutkirch aufgewachsen ist.

Am See wohnt Hagner inzwischen schon seit 1998, in Markdorf seit 2006. Er fühle sich hier längst heimisch. Seine wenige Freizeit verbringt er mit Frau und Kind, aber auch mit seinen Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr: „Wir sind eine große Familie, sagt unser Kommandant.“ Den Kontakt zu seinen Freunden und ehemaligen Feuerwehrkameraden in Leutkirch hält Hagner ebenfalls noch aufrecht. Und immer, wenn er sich in seinem Restaurant ein Bier zapft, denke er an seine Heimatstadt, an die Kindheit dort.
Heimat sind vor allem die Menschen
Thomas Kappeler antwortet ganz spontan. „Meine Heimat ist dort, wo meine Freunde sind.“ Doch dann gerät der 66-Jährige ins Grübeln. Und je intensiver er nachdenkt, desto mehr fällt ihm ein zum Thema Heimat. „Natürlich ist die Familie ganz wichtig“, erklärt er. Seine Frau, die Eltern, das eigene Haus, das Haus der Eltern, aber auch der Garten, auf dem Vater und Mutter gepflanzt haben und den er nun übernommen hat, auf dem er erntet.

„Zur Heimat gehören aber auch die Leute, denen ich Tag für Tag begegne.“ Bekannte, Nachbarn, seine Kunden aus dem Rahmengeschäft, das er lange Jahre geführt hat. Heimat seien für ihn ebenso die vertrauten Gesichter aus der Stadt. „In der Jugend war uns der Begriff Heimat ja irgendwie suspekt“, erzählt Kappeler. Zuviel Missbrauch sei damit betrieben worden. Doch inzwischen sei er schon stolz, auch auf das Land und seine gefestigte Demokratie. Und eines weiß er ganz sicher: „Ich bin hier ziemlich verwurzelt.“
Heimat ist die ganz persönliche „Wohlfühlregion“
„Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt“, sagt Alexandra Gretscher. Sie steht auf einer Wiesenfläche ganz in der Nähe des Bildungszentrums, wo die 52-Jährige als Biologielehrerin arbeitet. Gemeinsam mit ihren Schülern hat sie einen 500 Quadratmeter großen Streifen des einstigen Ackers in eine Blühwiese verwandelt. Ein Unterrichtsprojekt für die Schule, für Gretscher indes auch Herzensangelegenheit.

Denn in ihrer Freizeit imkert sie, gemeinsam mit ihrem Mann. Außerdem setzt sie sich als „Blühbotschafterin“ für die Artenvielfalt ein, von der Bienen, die gesamte Fauna und Flora, aber auch die Menschen profitieren. „Man muss schon etwas tun, damit man sich wohlfühlen kann“, findet sie.