Die grauen Kisten sind für die Backwaren, die grünen kommen zu Edeka und die braunen zu Lidl, erklärt Rudolf Wagner. Der 82-Jährige belädt seinen Wagen, einen weißen Kleintransporter, auf dessen Seitenwänden die Namen diverser Markdorfer Unternehmern prangen – außerdem aber auch die Aufschrift „Markdorfer Tafel“. Heute hat Rudolf Wagner gleich zwei Beifahrer. Arnim Zumstein und den Reporter des SÜDKURIER.
Zumstein steht Wagner bei dessen Fahrten öfter bei. Mittwochvormittags oder am Donnerstag, wenn der Kastenwagen der Tafel seine Runde macht. Wenn Rudolf Wagner oder einer der andern Fahrer Bäckereien ansteuert, um Brot und Brötchen vom Vortag abzuholen, und um anschließend die Edeka-Märkte und Discounter in Ailingen, in Oberteuringen, in Friedrichshafen und in Markdorf anzufahren.
Lebensmittel für rund 70 Familien
„Zwei bis drei Tonnen sind es jede Woche“, erklärt Günther Wieth, der Vorsitzende der „Zukunftswerkstatt“. So heißt der vor 20 Jahren gegründete Verein, der seit 2001 den Tafelladen trägt. „Zwei bis drei Tonnen Lebensmittel, die unsere sechs Fahrerteams mit je zwei Personen direkt beim Produzenten abholen“, erläutert Wieth. Bei Landwirten zum Beispiel oder im Handel, zum Teil auch beim Tafel-Regionallager in Singen.

Zwei bis drei Tonnen Lebensmittel helfen Donnerstagnachmittag für Donnerstagnachmittag den etwa 70 Familien, deren Haushaltsgeld kaum ausreicht, um den täglichen Bedarf zu decken. Für den symbolisch zu verstehenden Betrag von zwei Euro können sie im Tafelladen ganze Tüten voll mit dem einkaufen, was Händler, Bäcker und Bauern gespendet haben.
Schleppen für einen guten Zweck
„Beifahrer fahren nicht zum Vergnügen mit“, erklärt Fahrer Wagner augenzwinkernd. Was er damit gemeint hat, stellt sich zwei, drei Stationen nach dem Start heraus. Denn das Beladen des noch leeren Kleintransporters mit den braunen, grauen und grünen Kisten geschah gewissermaßen noch ganz nebenbei.

Beim ersten Halt, der Bäckerei in Immenstaad, galt es auch noch nicht viel zu schleppen. Ebenso wenig beim nächsten Stopp an der Laderampe eines Discounters. „Seitdem so streng auf die Kühlkette geachtet wird“, so erläutert Rudolf Wagner, „kommen kaum noch Milchprodukte von den Discountern.“ Volle Paletten mit Joghurt, mit Kefir und Buttermilch, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, spenden eigentlich nur noch die Lebensmittelmärkte. Und Mehl und Kakao und Schokolade, außerdem sehr viel Gemüse spenden sie auch. Jedenfalls an diesem Mittwochvormittag. Sodass Fahrer Wagner, Beifahrer Arnim Zumstein und sogar der Reporter alle Hände voll zu tun haben.

Sie schleppen Kisten. Sie stapeln im Inneren des Kastenwagens. Wo die Spenden so sortiert sein wollen, dass sie nicht ins Rutschen kommen während der Fahrt. „Notfalls kommt noch was auf den Schoß“, erklärt Zumstein. Doch wenn der Wagen voll ist, geht es erst einmal zurück zur Tafel. Damit Platz geschaffen werden kann für die Ausbeute der – unvorhergesehenen – zweiten Tour.
Gegen die Lebensmittelverschwendung
Seit September 2017 gehört Rudolf Wagner zum Fahrer-Team der Tafel. „Ich habe mich damals auf einen Aufruf in der Presse hin gemeldet.“ Damals wurden Freiwillige gesucht, die beim Einsammeln der Spenden-Lebensmittel helfen. Aus seiner Sicht sei dieser Einsatz überaus sinnvoll, trägt er doch dazu bei, dass denjenigen „die es nicht so üppig haben“ ein wenig unter die Arme gegriffen werden kann. Und noch etwas hat eine Rolle gespielt, als Rudolf Wagner sich entschloss, bei der Markdorfer Tafel mitzuarbeiten. „Bei uns werden täglich etliche Tonnen Lebensmittel vernichtet, weil sie zuviel produziert worden sind.“

Aus Wagners Sicht ist das eine nicht mehr zu vertretende Ressourcen-Vergeudung. Denn Wasser und Energie werden nutzlos verschwendet, wenn Obst, wenn Backwaren, wenn Milchprodukte oder Süßigkeiten in den Müll wandern. Hier rechtzeitig einzugreifen, Lebensmittel auf den Tisch statt auf den Kompost zu bringen, das betrachtet der Tafel-Fahrer als überaus sinnvolle Aufgabe.
So sieht es auch Arnim Zumstein. Er wollte „etwas zurückgeben“. Weil es ihm gut gehe. Da sieht er sich in einer gewissen sozialen Verpflichtung. Und genau so oder so ähnlich sehen es auch die übrigen 73 freiwilligen Mitarbeiter, auf die sich die Markdorfer Tafel stützen kann.