Einen Ruhestand hat er nicht gekannt. Ausgeruht hat er sich nur am Mittag. Nach getaner Arbeit in seiner Backstube. 71 Jahre hat er am Ofen gestanden – und an der Knetmaschine und an der Teigteilmaschine und am Arbeitstisch, um Backwerk zu formen, darunter auch seine längst zur Legende gewordenen Brezeln. Doch nun hat Rudolf Neumann seine endgültige Ruhe gefunden. Der Markdorfer Bäckermeister ist am 22. Dezember im Alter von 85 Jahren gestorben.
Mit acht Geschwistern in Ostpreußen aufgewachsen
„Er war ein zufriedener Mensch“, beschreibt ihn seine Ehefrau Eleonore Neumann. Im September vergangenen Jahres konnte das Paar auf sechs gemeinsame Jahrzehnte zurückblicken, als die beiden ihre Diamantene Hochzeit feierten. Zu Rudolf Neumanns Zufriedenheit habe vor allem eines beigetragen: sein ausgeprägter Familiensinn.
Selbst mit acht Geschwistern aufgewachsen, der Vater war frühzeitig an einer Kriegsverletzung gestorben, wusste Rudolf Neumann nur zu gut, wie wichtig der familiäre Zusammenhalt ist. Insbesondere, wenn man seine Heimat verloren hat. Die Neumanns waren Ende des Zweiten Weltkriegs aus Deuthen, einem 700-Seelen-Dorf im ehedem ostpreußischen Kreis Allenstein, vor der heranrückenden Roten Armee geflohen. Sie gehörten zu den wenigen Überlebenden des Schiffsuntergangs der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar 1945, bei dem rund 9000 Menschen umgekommen sind.
Als Bäckergeselle für fünf Jahre in die Schweiz
Rudolf Neumann war auch zielstrebiger Mensch. Seine Ausbildung als Bäcker und Konditor hat er in Riedlingen gemacht. Im Anschluss ging er auf Wanderschaft, arbeitete in Reutlingen, in Esslingen und schließlich auch in Friedrichshafen, wo er seine Frau kennenlernte – natürlich im Bäckereigeschäft, beim Kuchenkauf. Das war 1955. Beide gingen dann fünf Jahre lang in die Schweiz. Wo der Bäckergeselle zwar noch viel hinzulernen konnte, er indes aber keine eigene Bäckerei aufmachen dürfte, da er dafür noch nicht lange genug im Land war. Nach der Rückkehr nach Friedrichshafen machte Neumann seinen Meister und pachtete einen Markdorfer Bäckereibetrieb, bis er sich dort 1968 selbständig machte, im selbst aufgebauten Betrieb in der Hauptstraße.
Arbeit und Familie – Arbeiten bis fast zum buchstäblichen Umfallen und Familie mit ebenso großer Hingabe – haben das Leben von Rudolf Neumann geprägt. Er hinterlässt seine Ehefrau, zwei Söhne, Ralph und Jens Neumann, außerdem drei Enkelkinder im Alter von zwei, 26 und 28 Jahren.
Vermissen werden ihn indes auch seine zahlreichen Freunde. Denn nicht zuletzt war Rudolf Neumann auch ein begeisterter Sportsmann. Volleyball, Kanu, außerdem, gemeinsam mit seiner Frau, der Tanzsport, dem er ebenfalls mit Leidenschaft verbunden war. Und den Vereinen fühlte er sich auch verpflichtet, großzügig unterstützte er sie immer wieder. Zwei Wochen in jedem Jahr war der Bäckermeister nicht in seinem Betrieb anzutreffen: Für 14 Tage ging es dann in die Ferne. Die eigene Region könne man sich im Alter immer noch anschauen, war seine Devise. Doch dazu wird Rudolf Neumann nun nicht mehr kommen.