Die Ziele sind gesteckt: Der Bund will bis ins Jahr 2045 klimaneutral sein. Das Land Baden-Württemberg ist noch ambitionierter. Hier soll die Klimaneutralität bereits 2040 erreicht sein. Die Stadt Markdorf geht sogar noch einen Schritt weiter. CO2-neutral bis 2035 lautet das Ziel – und für die städtischen Liegenschaften bereits bis 2030. Das ist ehrgeizig.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, bedarf es einer Umkehr des Energieverbrauchs. In der Wirtschaft, im Verkehr, aber auch in den Privathaushalten müssen fossile Energieträger durch klimaverträgliche Alternativen ersetzt werden. Und da drei von vier Heizungen in Deutschland immer noch mit Öl oder Gas betrieben werden, spielt im Bereich der Wärmeerzeugung der Umstieg auf Alternativen eine besondere Rolle. Deshalb hat der Bund den Kommunen auch aufgetragen, bis 2028 Wärmepläne zu erstellen. In Markdorf wurde dieser Auftrag schon 2023 vergeben.
Hauseigentümer sind verunsichert
Das Ergebnis des mit der Wärmeplanung beauftragten Stuttgarter Ingenieurbüros zeigt: Es gibt nur wenige Wärmenetze in der Stadt, sodass die Verantwortung für den Umstieg auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung bei den Bürgern, also den Eigentümern liegt, die bislang noch etwa zur Hälfte mit Erdgas heizen. Ihnen stellt sich nun die Frage, welche Zukunftsperspektive ihre Heizung überhaupt noch hat.

Leon Beck von der Initiative „Klimaplan Markdorf“ verweist auf die aktuell herrschende Orientierungslosigkeit, die jüngst auch der Verband der Sanitär-Innungen beklagt hat: Verunsichert, welches Heizungssystem sie wählen sollen, schrecken viele Hausbesitzer vor einem wärmewendewirksamen Heizungstausch zurück. Vielfach bestünden falsche Hoffnungen auf Quartierslösungen in Wärmenetze, sagt Beck. Wobei ja auch die bestehenden Wärmenetze überwiegend noch mit fossilen Brennstoffen arbeiten.
Beck: Gasnetze werden nicht ewig betrieben
„Es ist einfach ein Fehler, anzunehmen, dass die Gasnetze ewig erhalten bleiben“, erklärt Beck. Er fordert deshalb, „dass die Stadt, vor allem aber das Stadtwerk am See, offen und ehrlich kommunizieren, wie es in Markdorf mit der Gasversorgung weiter läuft.“ Beck bemängelt, dass der Informationsabend, zu dem die Stadt vor wenigen Wochen in die Stadthalle eingeladen hatte, in dieser Hinsicht viel zu wenig Anhaltspunkte gegeben habe. Mit den rund 100 Interessierten im Saal seien außerdem bei weitem nicht genügend Menschen angesprochen worden. Denn das Thema gehe ja nicht nur die Eigentümer, sondern auch die Mieter an.

„Noch haben die Mieter keinen Einfluss auf die Heizungsfrage“, sagt Leon Beck. Für sie wird eine Gasheizung aber spätestens dann zum Problem, wenn die Gaspreise steigen. Und die, so Beck, würden steigen, weil mehr und mehr Gaskunden auf alternative Energiequellen umsteigen und sich deshalb die Netzgebühren erhöhen werden. „Ab 2027 greift der europäische Zertifikatehandel“, erläutert Beck. Der dann freie Handel werde die Preise deutlich erhöhen, prognostiziert der Markdorfer Architekt. Auch hier wünscht er sich mehr Informationen: „Die Eigentümer müssen wissen, was in Zukunft auf sie zukommt.“
Wann kommt die Stilllegung?
Zur besseren Planbarkeit für Eigentümer würde nach Ansicht Becks auch gehören, dass klarer kommuniziert wird, ob das Stadtwerk am See als Betreiber des Gasnetzes wie von der Politik gefordert an Netzstilllegungsplänen arbeitet. In Mannheim habe der dortige Energieversorger mehr Offenheit gezeigt. Mit dem Hinweis auf steigende Netzentgelte und CO2-Kosten habe er seinen Ausstieg bis 2035 angekündigt. „Bei uns in Markdorf läuft der Gaskonzessionsvertrag noch drei Jahre“, so Beck, „seine Verlängerung steht aber jetzt an.“

Die Gruppe Klimaplan fordere deshalb eine Stilllegungsprognose, damit die Hauseigentümer wissen, worauf sie sich einzustellen haben. Mit Blick auf die Markdorfer Klimaziele fordert er: „Wir als Stadt sind Kunde beim Netzbetreiber und der sollte sich auch an unseren Zielen orientieren.“ Solange keine hinreichende Klarheit bestehe, würden alternative Energieträger wie etwa Wärmepumpen, Solarthermie oder Geothermie nicht frühzeitig zum Zuge kommen, weil am fossilen Gas festgehalten werde, befürchtet Beck.
Stadtverwaltung verfolgt einen anderen Kurs
Im Gemeinderat hatte Bürgermeister Georg Riedmann auf Nachfrage aus den Fraktionen zuletzt betont, dass die Stadt natürlich mit dem Stadtwerk am See verhandeln werde und den Vertrag nicht einfach weiterlaufen lasse. Das habe die Stadt aber immer schon so praktiziert. Riedmann sagte aber auch, dass er davon ausgehe, dass auch nach 2035 noch ein geringer Teil der Wärmeerzeugung in der Stadt über Gas bereitgestellt werde, dann aber über sogenanntes „Grünes Gas“, das CO2-neutral produziert wird. Von diesem Szenario geht auch das von der Stadt beauftragte Büro EGS-plan aus. Dagegen wiederum wendet sich die Gruppe Klimaplan vehement.