Handelte es sich beim städtischen Haushalt um ein privates Unternehmen, dann wäre man insolvent. Kämmerin Heike Sonntag nahm im Gemeinderat kein Blatt vor den Mund, als sie die drastische Situation des laufenden Etats schilderte, in dem derzeit noch ein Loch von über 1 Million Euro klafft. Dabei handle es sich um ein „substanzielles Defizit“, das nicht nur Corona, sondern auch der Vielzahl der Aufgaben geschuldet sei, die sich die Stadt leiste. „Wir leben derzeit über unsere Verhältnisse. Wir geben jeden Monat mehr Geld aus, als hereinkommt“, sagte Sonntag.

Die Lücke im Haushalt 2021, dessen Ausgaben laut dem aktuellen Entwurf rund 21 Millionen Euro betragen, wollte die Verwaltung zumindest teilweise durch die Erhöhung der Steuerhebesätze verringern. Das hätte insgesamt 400 000 Euro erbracht. Doch der Gemeinderat stimmte zwar einem Anstieg des Hebesatzes für die Grundsteuer zu, lehnte dies für die Gewerbesteuer aber knapp ab, sodass nun unterm Strich nur rund 200 000 Euro an Mehreinnahmen stehen.

Fraglich, ob das Landratsamt den Haushaltsentwurf genehmigt

Es sei fraglich, ob das Landratsamt den jetzigen Haushaltsentwurf genehmige, warnte Sonntag. Doch weitere Sparrunden und eine umfassende Haushaltskonsolidierung stünden auf jeden Fall an: „Wir müssen alle Leistungen auf den Prüfstand stellen“, unterstrich die Kämmerin. Die Handlungsfähigkeit der Verwaltung sei bis zum Sommer, bis der Haushalt beschlossen sei, eingeschränkt. „Wir haben nichts für schlechte Zeiten angespart, von dem wir jetzt profitieren können. Wir verstoßen im Prinzip gegen jede Haushaltsvorschrift.“ Sonntag und auch Bürgermeister Robert Scherer baten den Rat eindringlich, den Steueranhebungen zustimmen, die auch Einrichtungen zugutekämen, die allen nutzten, gerade auch den sozial Schwächeren. Doch sie drangen mit ihrem Appell nur teilweise durch.

Das könnte Sie auch interessieren

Markus Waibel (FW) sagte, wie Freie Wähler in ganz Baden-Württemberg lehne auch die Meersburger Fraktion Steuererhöhungen ab. Denn diese belasteten vor allem die untere Mittelschicht. Dass kaum noch eine Kommune einen ausgeglichenen Haushalt habe, liege an den Personalkosten, die durch Vorgaben von Bund und Land stetig wüchsen. Doch wer bestelle, müsse auch bezahlen. Die Bürger sollten diese Forderung vor der Landtagswahl an die Politiker tragen, appellierte Waibel. Da der Haushalt „verknüpft ist mit dem Fortbestand der Therme“, sollte der Rat sich entscheiden, wie er zu ihr stehe, bevor er den Etat verabschiede.

Schmidt: „Wir leben in dieser Stadt über unsere Verhältnisse“

Peter Schmidt (CDU) betonte, das sei der dramatischste Haushalt, den er in seinen 32 Jahren als Gemeinderat erlebt habe. „Wir leben in dieser Stadt über unsere Verhältnisse.“ So sei die Therme „de facto pleite“. Schmidt sagte: „Das Phantom, das wir suchen, sind wir: die Verwaltung und der Rat, die den Haushalt nach oben treiben.“ Die Löhne und Gehälter lägen derzeit bei 8 Millionen Euro. „Wie soll das weitergehen?“ Der Personalbereich sei total überfrachtet.

In den Entwurf hatte die Kämmerin zwar eine Verringerung der Personalkosten um 250 000 Euro eingearbeitet, verknüpft mit der Anmerkung, diese könnten „voraussichtlich nochmals reduziert werden“. Doch einige Ratsmitglieder, so etwa Monika Biemann (Umweltgruppe) und Christine Ludwig (Grüne), drangen darauf, auch die Verwaltung müsse weitere Einsparungen vornehmen. Auch aus den Reihen des Rates gab es einige Vorschläge, worauf man die nächste Zeit verzichten könnte. Sonntag betonte aber mehrfach, man müsse unterscheiden zwischen Investitionen und dem laufenden Betrieb. Nur um Letzteren gehe es momentan.

Das könnte Sie auch interessieren

Doch auch um den Finanzhaushalt wird man sich später Gedanken machen müssen. Anders als in der Vergangenheit dürfte man künftig kaum ohne Kredit auskommen. Der dafür vorgesehene Rahmen liegt bei 4 Millionen Euro. Die früher „komfortable Finanzausstattung der Stadt“, wie Sonntag sagte, sei nun gebunden aufgrund der Ausgaben für die Sommertalschule, den Bau des Parkdecks und eine Vielzahl kleinerer Investitionen. Außerdem fehlten bis dato noch die Einnahmen aus einem vorgesehenen Grundstücksverkauf für das geplante Hotel auf dem ehemaligen Hämmerle-Areal sowie der Schulbauzuschuss.

Wohin sind nur die ganzen Rücklagen geflossen?

Neue Maßnahmen, etwa aus dem Stadtentwicklungsplan 2030, könnten nur umgesetzt werden, wenn die bisherigen Maßnahmen refinanziert seien und weitere Zuschüsse flössen, schrieb Sonntag in der Vorlage. Wohin seien nur die ganzen Rücklagen geflossen, wunderte sich dennoch Christian Herter (Umbo). Die aktuelle Lage bereite ihm schlaflose Nächte: „Wir müssen einfach mal kleinere Schritte machen, das Blatt kann sich auch wieder wenden.“