Die Verkehrsberuhigung der Meersburger Altstadt – vor allem in der touristischen Saison – steht seit Jahrzehnten auf dem Wunschzettel der Meersburger und ist Bestandteil des Stadtentwicklungsplans 2030.

Vor allem in der Unterstadtstraße, der Hauptverkehrsader und Versorgungsstraße der Unterstadt, kreuzen sich in den Frühjahrs- und Sommermonaten den ganzen Tag über die Wege und Interessen verschiedener Gruppen: die von Anwohnern, Händlern, Gastronomen, Lieferanten, Kunden, Touristen, Pendlern, Radfahrern und Fußgängern.

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Stadt Meersburg testet erweiterte Fußgängerzone

Dies soll sich ab Mitte März bis Mitte Oktober dieses Jahres erstmals deutlich ändern. Der Meersburger Gemeinderat hat mehrheitlich beschlossen, in diesem Zeitraum eine erweiterte Fußgängerzone für die komplette Altstadt zu testen, unter anderem mit Zufahrtszeiten für die Anwohner, den Lieferverkehr und die Touristen. Bürgermeister Robert Scherer versprach in der Sitzung, dass das Projekt gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitet werde.

Dass der Bürgermeister Wort hält, hofft eine Gruppe aus der Unterstadt, unter ihnen Anwohner, Händler und Gastronomen. Obwohl eine Verkehrsberuhigung Bestandteil der Bürgerbeteiligung zum Stadtentwicklungsplan 2030 war, zeigen sich die Betroffenen überrascht über den Beschluss des Gremiums.

Abgesehen davon, dass nicht im Vorfeld der Ratssitzung mit Anwohnern und Gewerbetreibenden kommuniziert worden sei, schreibt die Gruppe an den SÜDKURIER, würden mit dem Wegfall von Privatparkplätzen, der Einführung von Zeitfenstern für Anwohner und anderen Maßnahmen Fakten geschaffen.

„Wir sind nicht gegen eine Verkehrsberuhigung„

Thomas Pfau, Inhaber von Sport Pfau, in der Unterstadt sagt: „Wir sind nicht gegen eine Verkehrsberuhigung.“ Aber die Zufahrtszeiten und Ersatzparkplätze außerhalb der Fußgängerzone sieht er kritisch.

Lieferanten und Anwohner sollen von 7 bis 11 Uhr einfahren dürfen, Anwohner zusätzlich montags und donnerstags jeweils von 17 bis 19 Uhr. Insgesamt fallen 39 öffentliche, vermietete Stellplätze weg, 27 davon in der Unterstadt. Ersatz für diese Stellflächen soll es beispielsweise an der Uferpromenade geben. Doch Pfau befürchtet, dass hier eine Konkurrenzsituation zwischen Bürgern und Gästen entsteht.

Thomas Pfau, Inhaber von Sport Pfau in der Unterstadt, sowie die Anwohner Thomas Hausberger und Ralf Obser (von links) stehen vor dem ...
Thomas Pfau, Inhaber von Sport Pfau in der Unterstadt, sowie die Anwohner Thomas Hausberger und Ralf Obser (von links) stehen vor dem wegen des Lockdowns geschlossenen Sportgeschäft. Sie gehören zu einer Gruppe, die sich Mitsprachemöglichkeit bei der Ausgestaltung der Fußgängerzone wünscht. | Bild: Santini, Jenna

„Aus unserer Sicht hat die Stadtverwaltung ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht“, sagt Anwohner Ralf Obser. Sein Bruder Herbert Obser ergänzt: „Die Zufahrtszeiten passen nicht zu den Lebensmodellen.“ Nicht nur die beiden aus der Gruppe hätten sich zunächst Befragungen der Betroffenen und Vergleiche mit anderen Kommunen gewünscht, die vor ähnlichen verkehrlichen Herausforderungen stehen.

Eigenverantwortlichen Zugang zur Altstadt prüfen

Herbert Obser: „Wir wollen die Verkehrsberuhigung. Aber sie muss verträglich sein.“ Für ihn müssten zunächst die Verkehrsteilnehmer aus der Altstadt verschwinden, „die nichts da verloren haben“. Zum Beispiel Falschparker, wenn in Kneipen gemeinschaftlich Fußball geschaut wird. Für die Anwohner und Gewerbetreibenden kann er sich dagegen einen eigenverantwortlichen Zugang zur Altstadt vorstellen.

Die Stadt wurde vom Rat ermächtigt, mechanische Poller zu installieren, sollte das zur Umsetzung der Fußgängerzone nötig sein. Ralf Obser bittet darum, etwa zu überlegen, ob eine Ampelanlage sinnvoller wäre: „Wenn die Stadt zu ist, ist die Ampel rot.“ Berechtigten würde er eine Chipkarte aushändigen, mit der sie den Zugang entsperren können.

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Soll die Altstadt als Wohnraum attraktiv bleiben, ist der unkomplizierte Zugang zu Parkplätzen für die Gruppe unerlässlich. Aber: Die Stellvertreter, die mit dem SÜDKURIER sprachen, befürchten beispielsweise, dass Tagestouristen ihre Fahrzeuge auf den Ersatzflächen in der Ober- und Unterstadt abstellen und einen Strafzettel riskieren, anstatt eines der kostenpflichtigen Parkhäuser oder die kostenpflichtigen Parkflächen anzufahren.

Ungleichbehandlung von Interessengruppen?

Bisher ist vorgesehen, dass nur die Zufahrt zu Privatgrundstücken mit Stellplätzen in der Altstadt jederzeit möglich ist. Darin sieht die Gruppe eine Ungleichbehandlung gewisser Bewohner und Feriengäste gegenüber anderen Interessengruppen.

Hier ist die Fußgängerzone, wie sie ab Mitte März gelten soll, grün markiert. Die Stadtverwaltung soll mechanische Poller installieren, ...
Hier ist die Fußgängerzone, wie sie ab Mitte März gelten soll, grün markiert. Die Stadtverwaltung soll mechanische Poller installieren, falls dies nötig sein sollte, beschloss der Gemeinderat. | Bild: Stadt Meersburg

Thomas Uhrig vom Winzerverein spricht von Familien und älteren Menschen, von denen er sich nicht vorstellen kann, dass sie ihren Alltag bewältigen können, wenn sie für jede Fahrt mit dem Auto, die nötig ist und außerhalb der Zufahrtszeiten stattfindet, erst mal zu ihrem Parkplatz außerhalb der erweiterten Fußgängerzone laufen müssen.

Auch müsse sich die „Winzergenossenschaft eine neue Logistik„ überlegen, sagt Uhrig. Denn: Der Kellereiverkauf befindet sich an der Unterstadtstraße. Zumindest die Zufahrt für Betriebe „für erforderliche Arbeiten“ sowie Menschen mit Einschränkungen will die Stadt nach Absprache gewähren, hieß es in der Gemeinderatssitzung.

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Peter Weisshaar vom Weinhaus Hanser sagt über die Verkehrsberuhigung: „Das wollen wir im Prinzip seit 30 Jahren.“ Dass aber beispielsweise die Lieferanten es schaffen, ihre Waren „von Überlingen bis Lindau zwischen 7 und 11 Uhr“ auszufahren, bezweifelt er. „Das bekommen die Lieferanten doch gar nicht gebacken.“

Er sorgt sich dabei vor allem um die kleineren Betriebe. „Es gibt drei bis vier große Lieferanten. Die kriegen das auf die Reihe.“ Gerade die gehobene Gastronomie setzt ihm zufolge aber auf Lebensmittel aus der Region. Hersteller sind hier oft die kleinen Betriebe und Höfe, die nicht unbedingt über einen großen Fuhrpark verfügen, um an mehreren Orten gleichzeitig ausliefern zu können.

Eigene Ideen zur Verkehrsberuhigung einbringen

Auch benötigt er Parkflächen für seine Mitarbeiter. „Als Unternehmen ist man überhaupt froh, gute Mitarbeiter zu gewinnen“, sagt Weisshaar. Laut ihm kann ein Parkplatz für die Arbeitnehmer entscheidend sein. Gerne möchte er ihnen diesen zur Verfügung stellen. Das muss für den Geschäftsführer nicht vor der Tür sein, aber in zumutbarer Nähe zum Betrieb.

Weitere Anliegen der Gruppe

Anwohner Thomas Hausberger weist im SÜDKURIER-Gespräch auf die kurze Zeitspanne hin, die noch bis zur Einführung der erweiterten Fußgängerzone bleibt. Die Gruppe hofft, dass bis dahin tragfähige Lösungen gefunden werden und ist zu Gesprächen bereit. „Wir wollen zusammen mit der Stadtverwaltung im Team einen besseren Zustand erreichen, der möglichst allen Interessengruppen, Anwohnern, Gewerbetreibenden, Stadtverwaltung, entgegenkommt“, teilt Hausberger mit.