Die Bombe, die Schreiner und Tüftler Georg Elser von der Schwäbischen Alb – auch unter Verwendung zweier Uhrwerke aus Meersburg – gebaut hatte, ging exakt zu der von ihm eingestellten Zeit um 21.20 Uhr hoch. Aber Hitler und seine Entourage hatten den Saal außerplanmäßig bereits um 21.07 Uhr verlassen und entgingen so dem sicheren Tod. Elsers geplante Flucht am selben Abend – von Konstanz aus in die Schweiz – misslang. Kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, wurde Elser im KZ Dachau erschossen.

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75 Jahre nach seinem Tod erinnerte der Kulturverein Meersburg an Georg Elser, der als Widerstandskämpfer erst spät Anerkennung erlangte. Als Einzeltäter und unabhängiger Geist passte er in kein Schema, über seine Motive waren lange wilde Gerüchte im Umlauf.

Das Archivbild vom November 1939 zeigt Aufräumarbeiten nach dem Bombenattentat auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller. Die Bombe ...
Das Archivbild vom November 1939 zeigt Aufräumarbeiten nach dem Bombenattentat auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller. Die Bombe ging 13 Minuten zu spät hoch. | Bild: dpa

Die Stationen Georg Elsers in Konstanz und Meersburg

Darauf sowie insbesondere auf die Stationen Elsers in Konstanz und Meersburg ging auch der Konstanzer Historiker und Stadtführer Hanspeter Metzger in seinem Vortrag ein. Anschließend zeigte der Kulturverein den rund 30 Besuchern den Spielfilm „Elser – Er hätte die Welt verändert“, der am 9. April 2015, genau 70 Jahre nach Elsers Ermordung, in den Kinos angelaufen war.

Der Konstanzer Historiker und Stadtführer Hanspeter Metzger spricht beim Kulturverein Meersburg über den Widerstandskämpfer Georg Elser.
Der Konstanzer Historiker und Stadtführer Hanspeter Metzger spricht beim Kulturverein Meersburg über den Widerstandskämpfer Georg Elser. | Bild: Sylvia Floetemeyer

Elser kam auf der Suche nach Arbeit 1925 an den Bodensee und übte verschiedene Tätigkeiten aus. Von August 1925 bis 1929 arbeitet er als Uhrengehäuseschreiner in einer Konstanzer Uhrenfabrik, die 1929 in Konkurs ging. Ein einstiger Teilhaber versuchte kurz darauf, sie in der Meersburger Kunkelgasse als Uhrenfabrik Rothmund wieder in Gang zu bringen. Elser arbeitete dort und pendelte von Konstanz nach Meersburg, bis im Frühjahr 1932 auch dieses Unternehmen bankrott ging. Beim Ausscheiden aus der Firma habe er „vier oder fünf Uhrwerke“ bekommen, Rothmund habe damit rückständige Lohnzahlungen kompensiert, gab Elser am 22. November 1939 bei seinem Verhör in Berlin an. „Zwei davon“, so Metzger in seinem Vortrag, „baute er im Bürgerbräukeller ein.“

Gelegenheitsarbeiten bei Meersburger Bekannten

Nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle bei Rothmund hält Elser sich von Mai bis August 1932 mit Gelegenheitsarbeiten bei Meersburger Bekannten über Wasser. Um Geld für die Überfahrt zu sparen, zieht er für diese Zeit nach Meersburg. Bei der Familie Dreher hat er eine Schlafstelle. Ein Gruppenbild aus jener Zeit zeigt Elser, wie er vor dem Haus Am Stadtraben 5 beim Roggendreschen hilft. Er ist ein gut aussehender, eher schmächtig gebauter Mann mit freundlichem Lächeln und einer unbändigen schwarzgelockten Haartolle.

Georg Elser 1932 in Meersburg.
Georg Elser 1932 in Meersburg. | Bild: Privat

„Attentäter sehen anders aus“, meinte später laut Metzger auch Arthur Nebe, Chef der Reichskriminalpolizei. Tatsächlich passte Elser in keine Schublade. Er war gläubiger evangelischer Christ, Mitglied der Holzarbeitergewerkschaft und des Roten Frontkämpferbundes – und zeitweise auch des Konstanzer Trachtenvereins „Alpenrose“, des Zitherclubs Konstanz und des „Freien Abstinentenvereins“ Kreuzlingen. Mit seinen Meersburger Vermietern, den Drehers, verstand er sich gut, obwohl diese katholische Monarchisten waren, erzählte Metzger. Auch Elsners Meersburger Bekannte seien nach dem Attentat wochenlang von der Gestapo verhört und zwei Verhörte sogar schwer misshandelt worden.

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„Wollte ja durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern“

Nach seiner Meersburger Zeit kehrte Elser in seine Heimatgemeinde Königsbronn zurück. Die Nazis lehnte er von Anfang an ab, 1938 kam er zum Schluss, dass man einen Krieg nur verhindern könne, wenn man die NS-Führerschaft beseitige. Elser sagte nach seiner Tat der Gestapo: „Ich wollte ja durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern.“

Johann Georg Elser
Johann Georg Elser | Bild: Archiv

In Königsbronn, das nach Elsers Tat von der Gestapo tyrannisiert wurde, ignorierte man ihn bis 1990. In seiner eigenen Familie „war er 50 Jahre lang ein Tabuthema“. Das berichtete sein Neffe Franz Hirth im Mai 2011 bei der Eröffnung einer Ausstellung über Georg Elser, die das Meersburger Stadtmuseum ausrichtete. Hirths Eltern waren vier Monate inhaftiert worden, den damals zehnjährigen Franz hatte man ins Waisenhaus gesteckt. Zum ersten Mal stolz auf seinen Onkel war er 1989, als der berühmte Klaus-Maria Brandauer im Film Georg Elser spielte.

Das Denkmal im Konstanzer Wessenberg-Garten.
Das Denkmal im Konstanzer Wessenberg-Garten. | Bild: Oliver Hanser

Attentat, Deutung und Erinnerung

Der schwäbische Schreiner Georg Elser, Jahrgang 1903, verübte am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Attentat, um Adolf Hitler und die NS-Führungsriege zu beseitigen. Wie jedes Jahr an diesem Tag gedachten die Nazis dort ihres Putschversuchs von 1923. Elser hatte zuvor in über 30 Nächten heimlich die Säule ausgehöhlt, vor der Hitler seine alljährliche Ansprache hielt. Darin deponierte Elser seinen Sprengapparat, ein technisches Meisterstück, das auch Uhrenteile enthielt, die er von seinem ehemaligen Arbeitgeber in Meersburg erhalten hatte.

Die Bombe ging pünktlich um 21.20 Uhr hoch. Sieben Parteifunktionäre und eine Kellnerin starben. Hitler und seine Paladine hatten den Saal, früher als vorgesehen, bereits um 21.07 Uhr verlassen. Denn da es an diesem Abend neblig war, konnte Hitler nicht, wie geplant, per Flugzeug abreisen, sondern musste einen Sonderzug nehmen. Elser, der seinen Mechanismus in der Nacht vom 7. auf den 8. November im Bürgerbräukeller überprüft hatte, fuhr am 8. November mit dem Zug nach Friedrichshafen dann per Schiff nach Konstanz. Noch bevor die Bombe hochging, wollte er in der Schweiz sein. Doch wenige Meter vor der Grenze wurde er um 20.45 Uhr von einer Zollstreife festgenommen.

Bei der Leibesvisitation fanden die Zöllner unter anderem eine Postkarte, die den Münchner Bürgerbräukeller zeigte und Teile eines Zünders. Um 23 Uhr traf ein Fernschreiben aus München ein, dass alle Grenzstellen zu schließen seien. Elser wurde in der Konstanzer Gestapo-Zentrale in der Mainaustraße 29 die ganze Nacht vernommen. Weitere Verhöre folgten in München, wo Elser am 13. November ein erstes Geständnis ablegte, und in Berlin.

Vier Jahre verbrachte Elser als „Sonderhäftling“ im KZ Sachsenhausen. Dort richtete man ihm eine kleine Werkstatt ein, in der er seine Bombe nachbauen musste. Anfang 1945 wurde Elser ins KZ Dachau verlegt und dort am 9. April 1945 per Genickschuss hingerichtet. Ursprünglich hatten die Nazis wohl geplant, Elser nach dem „Endsieg“ vor ein Sondergericht zu stellen, vermutet der Konstanzer Historiker Hanspeter Metzger.

Metzger sagt über Elser, er sei „ein Beispiel an Zivilcourage, ein kleiner Mann aus dem Volk, der dem Regime die Stirn bot“. Aber eben das zweifelten sowohl Nazis als auch andere an. Erstere behaupteten unter anderem, Elser habe im Auftrag des englischen Geheimdienstes gehandelt oder auch, Nazi-Dissident Otto Strasser stecke hinter dem Attentat. Im Ausland unterstellte man hingegen, die Nazis hätten den Anschlag selbst inszeniert. Dieses Gerücht kolportierte nach dem Krieg ausgerechnet auch ein anderer Widerstandskämpfer, Pastor Martin Niemöller. Das alles trug dazu bei, dass Elser lange als zwielichtig galt und nicht gewürdigt wurde. Eine Wende setzte erst um 1970 ein, als der Historiker Lothar Gruchmann das Vernehmungsprotokoll der Gestapo fand und auswertete. Seither sind etliche weitere historische Publikationen erschienenen. Zweimal wurde Elsers Leben verfilmt, 1989 von Klaus-Maria Brandauer, der auch die Hauptrolle spielte, und 2015 mit Christian Friedel als Georg Elser.

In Konstanz erinnert an Elser seit 2009 ein Denkmal im Wessenberg-Garten, an der Schwedenschanze 10. Es steht an dem Ort, an dem Elser 1939 festgenommen wurde. Selbst wenn ihm die Flucht in die Schweiz gelungen wäre, hätte Letztere den Attentäter wohl an Deutschland ausgeliefert, glaubt Metzger. Elser selbst gibt im Verhör am 22. November 1939 an, er habe den Weg in die Schweiz unter anderem deshalb gewählt, weil er sich da auskannte. Er habe auch die Absicht gehabt, „von der Schweiz aus an die deutsche Polizei ausführlich zu schreiben, zu erklären, dass ich der Alleinschuldige an dem Attentat sei, keine Mitwisser oder Mittäter gehabt habe. Ich hätte außerdem eine genaue Zeichnung meines Apparates sowie eine Beschreibung über die Ausführung meiner Tat mitgeschickt, damit man meine Behauptung hätte nachprüfen können.“ In den Verhören versuchte Elser, seine Bekannten möglichst außen vor zu lassen und sagte, er könne sich nicht an ihre Namen erinnern. (flo)