Eine Frau steht auf dem Affenberg still da und schaut den Berberaffen beim Fressen zu. In der einen Hand hat sie ein kleines gelbes Büchlein und in der anderen einen Stift. Nahezu ununterbrochen macht sie Striche in das Buch. Die Frau heißt Zoe Schultz und kommt aus London. Sie lebt momentan in Salem und sammelt auf dem Affenberg jede Menge Daten für ihre Masterarbeit. Die Engländerin untersucht dabei, ob die Salemer Berberaffen Rechts- oder Linkshänder sind.

Welche Hand benutzen die Affen, um zu fressen?
„Ich gehe jeden Morgen, wenn die erste Fütterung stattfindet, ins Gehege und sammle Daten“, erklärt die 25-Jährige. „Es geht vor allem darum, wie die Tiere Getreide vom Boden aufnehmen und essen.“ Dabei notiere sie sich, ob die Berberaffen dies mit der linken oder der rechten Hand tun. „Das ist der sogenannte Getreidetest“, erklärt Zoe Schultz weiter.
„Dann gibt es noch den Containertest.“ Hierfür präpariere sie offene Getränkeflaschen mit Erdnussbutter und Erdnüssen. Dann beobachte sie, mit welcher Hand die Tiere die Erdnüsse aus der Flasche holen. Auch wenn der Containerversuch aufwendiger in der Vorbereitung sei, liefere er doch Ergebnisse, die vergleichbar seien, erklärt die 25-jährige Studentin.
Mit jeder der drei Affengruppen verbringt Zoe Schultz täglich rund eine Stunde Zeit
Zoe Schultz ist jeden Vormittag bei Wind und Wetter vor Ort und sammelt Daten. Dabei wechselt sie bis zum Mittag durch alle drei auf dem Affenberg lebende Berberaffen-Gruppen. „Ich bleibe in der Regel eine bis eineinhalb Stunden in einer Gruppe“, sagt sie. „Am Nachmittag verarbeite ich dann die Daten oder gehe noch einmal in die Gruppen.“

Parkdirektor hofft auf nützliche Erkenntnisse
Parkdirektor Roland Hilgartner, selbst Zoologe und promovierter Primatologe, freut sich, dass auf dem Affenberg wissenschaftlich gearbeitet wird: „Zum einen können wir Zoe bei ihrer Masterarbeit unterstützen und zum anderen bekommen wir für uns dadurch auch neue Erkenntnisse.“ Die Kooperation kam über das freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und Volker Sommer, Primatologe und Professor für Evolutionäre Anthropologie am University College London zustande. Er betreut Zoe Schultz bei ihrer Masterarbeit. „Die Welt in der Primatologie ist klein“, sagt Roland Hilgartner schmunzelnd. „Er hat mich im Februar gefragt, ob ich mir so eine Studie bei uns vorstellen könne.“ Die positive Antwort kam prompt und die Studie begann bereits Mitte April.
Der Affenberg in Salem dient immer wieder als Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten, weil die Berberaffen dort zum einen wie in freier Wildbahn leben und zum anderen Menschen gewohnt sind. Dadurch lassen sie sich relativ einfach beobachten, erzählt der Parkdirektor. „Wir sind bezüglich wissenschaftlicher Arbeiten sehr offen. Eine Studie muss eben in unser Konzept passen und sollte uns wissenschaftlich weiterbringen.“
Lieblingsaffe heißt Olaf
Zoe Schultz ist bereits einige Wochen in Salem. „Ich genieße es, nicht in der Großstadt zu sein“, sagt sie. „Ich gehe auch in der freien Zeit zu den Berberaffen und beobachte sie einfach. Es ist einfach herrlich hier.“ Die Individualität der Tiere fasziniere sie besonders. Mit Olaf aus der Gruppe H habe sie auch schon einen Lieblingsberberaffen ausgemacht. „Er hat einfach ein richtig markantes Gesicht“, begründet sie ihre Sympathie für das 22 Jahre alte Tier. „Außerdem hat er mich vom ersten Tag an immer angeschaut.“
Faszination für Arbeit der Verhaltensforscherin Jane Goodall
Für die 25-Jährige geht mit dem Aufenthalt auf dem Affenberg auch ein Traum in Erfüllung. „Ich wollte schon als ich jung war immer mit wilden Tieren arbeiten“, erzählt sie. „Mich hat schon damals die Arbeit der britischen Verhaltensforscherin Jane Goodall, die mit Schimpansen arbeitete, fasziniert.“ In Costa Rica hat Zoe Schultz schon einmal mehrere Wochen lang in einem Nationalpark gearbeitet. Doch die wissenschaftliche Arbeit mit den Berberaffen in Salem ist eine Premiere.
Bis jetzt hat die Studentin 300 Getreidetests und knapp 60 Containertests aufgezeichnet
Trotz aller Liebe zu den Tieren steht genau dieser wissenschaftliche Aspekt bei der Britin klar im Fokus. „Ich habe schon weit mehr als 300 Getreidetests und knapp 60 Containertests aufgezeichnet“, erzählt sie. Eine Masse an Daten, die sie für ihre Arbeit auswerten wird, bevor sie zu einem Ergebnis kommen kann. Doch man könne durchaus bereits jetzt erkennen, dass es bei den Berberaffen auf dem Affenberg keine präferierte Händigkeit gebe, sagt Zoe Schultz. Bei Menschen sei das anders, denn es gebe deutlich mehr Rechts- als Linkshänder.
Zur Person und zur Geschichte des Affenbergs
- Zoe Schultz: Die 25-Jährige ist in Colorado in den USA aufgewachsen und hat durch ihre Mutter die englische Staatsbürgerschaft. Nach ihrem Studium in den USA wechselte sie für das Masterstudium ans University College nach London. Dort wird sie von dem Primatologen und Professor für Evolutionäre Anthropologie, Volker Sommer, betreut, der den Parkdirektor des Salemer Affenbergs, Roland Hilgartner, kennt. So entstand die Idee, dass Zoe Schultz für ihr Masterstudium zum Thema „Menschliche Evolution und Verhalten“ eine Studie mit Berberaffen auf dem Affenberg realisieren könnte. Nun ist sie seit sechs Wochen vor Ort und sammelt Daten in zwei Versuchsreihen.
- Affenberg Salem: Gründer und Eigentümer des Affenbergs ist der elsässische Baron Gilbert de Turckheim. 1976 hat er ihn auf Pachtland der Markgräflich Badischen Verwaltung eröffnet. Neben Störchen und Damwild leben etwa 200 Berberaffen im größten Affenfreigehege Deutschlands. Es gibt noch zwei Partnerparks in Frankreich und England, in denen ebenfalls Berberaffen leben. Insgesamt machen die Bestände in den Parks rund zehn Prozent der Berberaffenpopulation auf der Welt aus. Der Park, in dem sich die Tiere frei bewegen, ist ein beliebtes Ziel für Urlauber. Außerdem finden dort regelmäßig wissenschaftliche Verhaltensforschungen statt, weil die Berberaffen wie in freier Wildbahn leben. Mehr zum Affenberg Salem gibt es im Internet:
www.affenberg-salem.de