Grillen? „Das ist so ein Lifestyle-Ding“, sagt Julia Wurm. Die Köchin im Hotel Apfelblüte in Salem-Neufrach denkt, dass der Grill-Boom in der Pandemie zusätzlichen Aufwind bekam. Draußen kochen, sich mit Freunden treffen. Das nehme bei manchen Leuten solche Ausmaße an, ergänzt Ehemann Michael Wurm, „dass es für sie fast schon eine Religion ist“.
Wie passen nun aber Grillen und Restaurantküche zusammen? Sehr gut, findet Julia Wurm. In einer etwas ausgefeilteren Form hielten Grillgerichte immer mehr Einzug in ihre Speisekarte. Zum Beispiel bei geräucherten Lachsforellen, die nicht aus der klassischen Rauchkammer kommen, sondern im Grill frisch vor dem Essen geräuchert werden.
Gut gekocht und so wie früher
„Bei uns gibt es Kässpätzle, wir halten unsere Augen aber auch offen für Modernes“, sagt Julia Wurm, die im elterlichen Betrieb aufgewachsen ist. Sie erkennt einen Trend zu „normalen Sachen“, zu klassischem Gulasch beispielsweise. „Aber das dann gut zubereitet, so wie früher gekocht wurde.“
Die Vielfalt in den privaten Küchen nehme zu, weil jeder übers Internet schnell ganz ausgefallene Rezepte abrufen kann, weiß die Köchin. Doch schnell und gut gekocht ist damit noch lange nicht. Beispiel Rotkraut „Das ist ein heikles Thema, ob Laien das so gut hinbekommen, und welchem Rezept sollen sie dann trauen? Es kommt auf die Geheimtricks an.“

Ein zweiter Trend gehe eindeutig zu vegetarischen Gerichten, die bei ihnen ganz vorne in der Speisekarte stehen. Simone Wurm: „Die Leute freuen sich total, dass sie im Gasthof etwas Veganes bekommen, auch Geschäftsmänner, bei denen man bisher gedacht hätte, dass es ein Zwiebelrostbraten sein müsste.“
Ist es angesichts des Veggie-Booms kein Widerspruch, wenn wie verrückt gegrillt wird, was man gemeinhin mit einem Berg an Wurst und Fleisch verbindet? „Das ist kein Widerspruch“, sagt Michael Wurm. „Man schaut auf die Qualität des Produkts, und es muss nicht jeden Tag Fleisch sein. Man kann das Grillen zum Event machen, und am nächsten Tag ausgefallene Dinge wie Quinoa oder mit Couscous gefüllte Paprika essen.“

Gulaschkochen beim Papa gelernt
Das Hotel und Restaurant Apfelblüte wurde 1983 von Ulrike und Peter Partikel gegründet. Julia Wurm ist ihre Tochter. Nach innerfamiliären Lehrjahren absolvierte sie ihre Kochlehre im Lindauer Villino, ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau in Schnetzenhausen in der Krone.
Wie man Gulasch kocht, das war ihr geläufig, das habe sie bei ihrem Papa gelernt. Ihr Lehrbetrieb in Lindau führte sie an die euro-asiatische Küche heran, und an so ungewöhnliche Kombinationen wie Rind und Hummer. In die Apfelblüte übersetzt, gibt es für die, die sich zwischen Fleisch und Fisch nicht entscheiden können, Teller mit Rumpsteak und Forelle, und zwar unter dem wenig alemannisch klingenden Namen „Surf and Turf“. Wurm: „Das kommt total gut an bei den Leuten.“
Auf einer Messe für Gastrobedarf kennengelernt
Julia und Michael Wurm lernten sich auf einer Messe für Gastrobedarf in Hamburg kennen. Er ist ebenfalls Koch, wurde in München geboren, wuchs am Chiemsee auf. Seit zehn Jahren sind sie verheiratet. Nun ist er der Küchenchef in der Apfelblüte. „Ich habe zwei Kinder“, sagt sie, als Begründung dafür, dass sie nicht mehr ständig mit am Herd steht.
Köchinnen haben es nach wie vor schwer, sich in der Gastroküche durchzusetzen. Seniorchefin Ulrike Partikel fürchtet, dass das der Umgangston, der in so mancher Restaurantküche herrsche, Frauen die Laune am Beruf verdirbt. „Was sich Frauen von den Männern gefallen lassen müssen! Eine Frau soll an den Herd, heißt es immer, aber im Kochberuf gibt es dann ganz wenige Köchinnen.“
Die einzige Frau in einer Brigade mit 37 Männern
Wie zur Bestätigung berichtet Julia Wurm, wie es ihr in der Schweiz ergangen sei, in einem noblen Restaurant in Davos: „Eine Brigade mit 37 Männern, und ich als einzige Frau.“ Wie Küchenchef mit ihr umgegangen sei, „das war ekelhaft“. Sie habe ihren Arbeitsvertrag dort zwar noch ordentlich erfüllt, „danach habe ich mit dem Beruf aber aufgehört“.
Und wer brachte sie zurück in ihre Branche? Sie lächelt. „Mein Familienbetrieb, nach 14 Jahren bin ich zurück nach Hause gekommen.“