Kathrin Steidle hat 2019 ihren ersten internationalen Podestplatz im Distanzreiten erreicht. Ihre Achal-Tekkinerstute Sedef war bei diesem Marathon mit Pferd genauso ihr Reitpartner wie heute. Um die 17-jährige Sedef zu entlasten, ist die junge Stute Alayaz hinzugekommen. Wie die Ältere gehört das junge Pferd zu der gleichen ausdauernden und treuen Pferderasse mit dem typischen goldfarbenen Fellschimmer. Bis eine enge Reiterbindung aufgebaut ist, dauert es allerdings. „Wenn die Bindung da ist, tun sie alles für einen“, erklärt die 38-Jährige bei einem Besuch auf der Koppel.
Über ein Jahr habe sie gebraucht, sich mit Alayaz‘ freundlichem, aber introvertiertem Charakter anzufreunden. Als sie ihre Stute jetzt aus dem Stall nach draußen führt, ist von dem anfänglichen Fremdeln nichts mehr zu spüren. Der rund 380 Kilo schwere Vierhufer sucht gleich die Nähe seiner Bezugsperson. Mit einem Finger an seiner Brust und gleichzeitigem Zurückziehen des Halfters signalisiert sie dem Pferd, wenn es ihr zu nah kommt. „Ich will meine Komfortzone, genauso wie das Tier“, lautet die Begründung.
Ein paar Streicheleinheiten später lässt die Konditorgesellin Alayaz zunächst an Satteldecke und Sattel schnuppern. „Pferde sind Fluchttiere“, weiß Steidle. Die ersten Male komme das Satteln für das unerfahrene Tier einem Tigerangriff auf freier Wildbahn gleich. Langsam, Schritt für Schritt soll sich Alayaz daran gewöhnen. Ein kauendes Geräusch von Tierseite signalisiert Steidle, dass es verstanden hat. Dann legt sie Decke und Sattel an. Zwischendurch lobt sie ihren Vierbeiner mit einem langgezogenen „Brav“.
Passendes Lob ist ein wichtiger Baustein
An die jeweilige Aufgabe angepasstes Lob ist gemäß Steidle ein wichtiger Baustein zum Vertrauensausbau und zur Motivation. Der nächste Schritt in der Pferdegrundschule ist das Führen. Die schmale Reiterin führt das starke Pferd vorwärts und rückwärts. Wenn sie stehen bleibt, lernt auch Alayaz zu stoppen. Wichtig dabei, dass die führende Person aufrecht geht und Stärke ausstrahlt. „Ich muss immer die Oberhand behalten, schließlich bin ich ihr kräftetechnisch unterlegen“, erläutert Steidle ihren wertschätzenden, aber konsequenten Erziehungsansatz.
Weiter geht das Training auf der Koppel. Einen Moment kostet Alayaz ihre für sie neue Bewegungsfreiheit aus und tollt ausgelassen herum. Pfeifen und leises Rufen bringen sie zur Räson und zurück zu ihrer Trainerin. Erneutes hin- und herlaufen, Bremsen und Wenden werden trainiert. Für das Abbremstraining auf dem Koppelgelände stellt sich Steidle so weit vor die Stute, dass diese ausgebremst wird.
Tierischem Partner Sicherheit vermitteln
Genug trainiert. Aufrecht läuft Steidle neben ihrem zukünftigen Reitpartner zu den Stallungen zurück. Durch das aufrechte Gehen demonstriere sie nicht nur Stärke, sondern vermittle ihrem tierischen Partner Sicherheit. “Ich muss ihr zeigen, dass sie bei mir sicher ist“, erklärt Steidle ihren Ansatz, Bindung herzustellen über ein Sicherheitsgefühl.
Zur Belohnung gibt es lobende Worte und freundliches Kraulen am Übergang zwischen Hals und Rücken. Vor dem Pferdestall darf Alayaz das von ihr vorgezogene Heuwasser trinken, sie wird vom Sattelzeug befreit und gereinigt. Die Lektion ist beendet.
Bald bekommt die Stute Hufeisen, damit sie beim Konditions-und Reittraining im Frühjahr nicht „barfuß“ auf steinigen Waldböden laufen muss. Bis zu einem ersten gemeinsamen Distanzritt ist es noch ein langer Weg. Steidle besucht noch ihre Distanzritt-Partnerin Sedef im Nachbarstall, die sich sofort vertrauensvoll in ihre Richtung bewegt und sich ihre Streicheleinheiten abholt.
