Rolf Allgeier aus Uhldingen-Mühlhofen verlor im Januar seinen Vater. Er starb an oder mit Covid-19. Als er wegen der Infektion ins Krankenhaus gebracht wurde, durfte Rolf Allgeier ihn coronabedingt nicht besuchen. „Für mich war die Zeit schwierig. Ich hatte keinen Kontakt zu meinem Vater“, erklärt Allgeier gegenüber dem SÜDKURIER.
Kurz vor dem Tod durfte er sich im Krankenhaus von seinem Vater verabschieden. „Es war traurig, einfach traurig. Aber immerhin konnte ich ihn noch einmal sehen und mich von ihm verabschieden. Dafür bin ich dankbar“, sagt Allgeier.
Vielen anderen Menschen wird ein solcher Abschied wegen der Corona-Pandemie genommen. Die Regeln in den Krankenhäusern hinsichtlich eines Besuches ändern sich regelmäßig und sind von Spital zu Spital verschieden – ebenso wie in Pflegeheimen. Auch Beerdigungen und Trauerfeiern sind in der Corona-Pandemie nur für wenige Angehörige zugänglich.
Austausch über den Verlust kommt zu kurz
So komme der Austausch mit Familienangehörigen, Freunden und Bekannten zu kurz, sagt Hildegard Scheulen. Und das sei ein großes Problem. Scheulen ist Trauerbegleiterin bei der Hospizgruppe Salem und weiß: „Auf Beerdigungen begegnen sich Menschen und sprechen über den Verlust. Begegnungen dieser Art fehlen und das ist dramatisch, weil es die Trauerbewältigung schwierig macht.“

Wie Expertin Scheulen erklärt, sei jedes Treffen – etwa im Rahmen einer Beerdigung oder eines Totenmahls – ein „hilfreicher Trittstein“ der Trauer. Diese Trittsteine fallen nun weg, indem die Angehörigen durch zahlreiche Regeln der Corona-Verordnung eingeschränkt werden. „Sie sind quasi hilflos, ein Opfer der Umstände. Und das ist das Schlimmste“, sagt Hildegard Scheulen.
Trauerbegleiterinnen sind trotz Corona für Menschen da
Dennoch sind Scheulen und ihre Kollegen der Hospizgruppe Salem auch während der Pandemie für Trauernde da. Denn mit anderen über den Verlust und seine Gefühle zu sprechen, erleichtere das Trauern.
Statt auf Gruppengespräche setzt die Hospizgruppe in der Corona-Pandemie auf Einzelgespräche. „Eine Begegnung vor Ort ist zwar schwierig, aber möglich. Manchmal gehen wir zu zweit spazieren“, sagt Ulrike Traub. Auch sie ist ausgebildete Trauerbegleiterin.

Neben Spaziergängen bietet die Hospizgruppe Salem auch digitale Möglichkeiten an, um mit Trauernden ins Gespräch zu kommen. Hildegard Scheulen betont: „Das alles sind Alternativen, die eine reale Begegnung nicht ersetzen können. Per Whatsapp oder Zoom kann ich niemanden einfach kurz in den Arm nehmen.“
Menschen sterben nicht nur an oder mit Covid-19
Den Trauerbegleiterinnen ist es wichtig, hervorzuheben, dass die Menschen im vergangenen Jahr nicht nur an oder mit Covid-19 gestorben sind. „Es gibt zahlreiche Krankheiten, zahlreiche Todesfälle, die mit Corona nichts zu tun haben. Trotzdem sind die Angehörigen in derselben Situation wie bei Corona-Todesfällen“, sagt Ulrike Traub.

Wenn ein Abschied im Krankenhaus möglich ist, dann bleiben bei den Angehörigen Bilder im Kopf – von Schutzanzügen, Masken und Handschuhen. „Diese Gedanken verschlimmern die Trauer. Unsere Aufgabe ist es eigentlich, das zu verhindern“, so Traub.
Das funktioniere in normalen Zeiten beispielsweise, indem Menschen und Räume in Hospizeinrichtungen hergerichtet werden, bevor die Angehörigen kommen, um Abschied zu nehmen. „So bleiben keine negativen Erinnerungen, zum Beispiel an einen unangenehmen Geruch, an einen Unfall oder einen Schutzanzug, wie ihn Besucher momentan auf den Intensivstationen in den Krankenhäusern tragen müssen“, erklärt Ulrike Traub. Durch Umstände wie diese werde die Trauer in der Pandemie erschwert.

Wichtig ist laut den Frauen der Hospizgruppe, dass Menschen nach einem Verlust trotzdem mit anderen reden. „Wir sind immer da. Bei uns kann jederzeit angerufen werden“, betont Hildegard Scheulen.