Was bedeutet es eigentlich, sich in einer Pandemie auf die Schulabschlussprüfungen vorzubereiten? Pädagogen und Schülerinnen der Salemer Gemeinschaftsschule (GMS) erleben gerade, wie schwierig es teilweise ist, sich trotz zeitweiser geschlossener Schule im Lockdown per Fernlernunterricht zu konzentrieren und zu motivieren.

Mit Honorarkräften und in Gruppen werden Defizite aufgearbeitet

Daher hat sich Schulleiterin Bettina Schappeler bei der Stiftung Bildung und Jugend Konstanz für eine Corona-Sonderförderung beworben. Über gezielte Lernförderung durch zusätzliche Honorarkräfte in kleinen Gruppen oder einzeln sollen unter Corona-Bedingungen entstandene Lerndefizite aufgearbeitet werden. Gehört hatte Schappeler rein zufällig von der Förderungsoption. Ihr ehemaliger Chef und früherer Schlossschulleiter Bernhard Bueb sitzt im Stiftungsrat und machte sie auf das Förderprogramm aufmerksam.

Mit dem Zuschlag für ihr eingereichtes Konzept zu besonderer Lernförderung hat die GMS eine Fördersumme von 10 000 Euro von der Stiftung erhalten. Das Geld soll dazu dienen, die entstandenen Lernlücken noch vor der Prüfungsphase ab dem 6. Juni aufzuarbeiten. Derzeit arbeiten rund 20 Zehntklässler zusammen mit drei extra beschäftigten Lernbegleitern ihre Lerndefizite aktiv auf.

In Kleingruppe mit maximal fünf Schülerinnen kann Lernbegleiter Siegfried Kienle auf die individuellen Fragen der Schülerinnen eingehen.
In Kleingruppe mit maximal fünf Schülerinnen kann Lernbegleiter Siegfried Kienle auf die individuellen Fragen der Schülerinnen eingehen. | Bild: Martina Wolters

Eine für Abschlussklassen erteilte Sondergenehmigung erlaubt es laut Konrektorin Karin Hiestand, in Kleingruppen von maximal fünf Teilnehmern in den Schulräumen zu sein. Zusammen mit ihren Begleitern Ruth Wenzel, Antje Hornung und Siegfried Kienle bereiten sich die Jugendlichen an drei Nachmittagen gezielt auf die Prüfungen in den Hauptfächern Mathe, Deutsch, Englisch und Französisch vor.

Die Pädagogen der GMS hätten gemeinsam die schwierige Lernsituation unter Covid-19 analysiert und unter anderem festgestellt, dass der eine oder andere Lernende im Fernlernmodus abgehängt wurde. Abhängig sei das teils von dem sozialen und familiären Umfeld, der Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten oder einem Mangel an technischer Ausstattung. “Nach unseren Analysen gab es in jeder Klassenstufe circa drei bis vier Schülerinnen, die wir in dieser Pandemiezeit kaum bis gar nicht erreichten“, so Hiestand.

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Zeit hätte nicht gereicht, um Leistungsrückstände aufzuholen

Trotz intensiver Beschulung mit halbierten Klassen während der Präsenzphasen für prüfungsrelevante Fächer hätte die Zeit nicht gereicht, die Leistungsrückstände aufzuholen. Es sei ein hoher Personalaufwand von Nöten, um demotivierte Schülerinnen gezielt und in kleinen Einheiten zu unterstützen. Mit den vorhandenen Ressourcen sei das nicht leistbar. Umso mehr freut sich Hiestand über die Fördersumme, mit der die aktuell laufende Prüfungsvorbereitung finanziert werden kann. Nach den Sommerferien sollen dann weitere fünf externe Lehrende hinzukommen, um in den unteren Klassen nachzubessern.

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Nicht nur Schulleitung und Lehrer sind begeistert von dem Corona-Sonderförderungsprogramm. Auch die teilnehmenden jungen Menschen zeigen sich zufrieden. Die Lernförderung hält die 16-jährige Ardita für sehr wichtig, weil der Lernstoff online und in den kurzen Präsenz-Unterrichtsphasen nicht richtig habe durchgesprochen werden können.

„In einer Pandemie Prüfung zu haben, ist schlimm“, sagt Abschlussschülerin Ardita. Es falle sehr schwer, alleine zu lernen und der Prüfungsdruck steige, weil sie wichtige Fragestellungen nicht persönlich besprechen könnte. “Zuhause zu lernen, ist viel schwieriger, man braucht mehr Disziplin“, meint Ardita. Sie suche sich Hilfe bei der älteren Schwester oder über Youtube-Videos. „Aber die Lehrer erklären es doch besser“, ist sie überzeugt.

Das sagen Schülerinnen und Lehrerinnen

Für Kim-Tamara Schäfer fühlt sich die Förderung wie ein Sechser im Lotto an

Für die 16-jährige Abschlussschülerin Kim-Tamara Schäfer ist es wie ein Sechser im Lotto, dass sie nach langer Zeit des Online-Unterrichts in Kleingruppen vor Ort lernen und vor allem nachfragen und ihre Lernlücken auffüllen kann. Sie sagt: „Wenn ich Fernunterricht habe, verspüre ich nicht so sehr den Drang, lernen zu müssen. Wegen der immer näher rückenden Prüfung sollte ich aber dringend lernen. Für mich ist es deshalb wichtig, jetzt hier vor Ort zu lernen und direkt nachfragen zu können, wenn ich etwas nicht verstehe. Ansonsten ist man gerade im Prüfungsfach Mathematik sehr schnell abgehängt, weil alles aufeinander aufbaut. Von der Sonderförderung erhoffe ich mir, schwierige Aufgaben besser nachvollziehen zu können und mich gerade in der Kleingruppe auch besser darauf konzentrieren zu können.“

Abschlussschülerin Kim-Tamara Schäfer, 16 Jahre
Abschlussschülerin Kim-Tamara Schäfer, 16 Jahre | Bild: Martina Wolters

Konrektorin Karin Hiestand sieht Sonderförderprogramm als wichtige Chance

Konrektorin Karin Hiestand ist dankbar, dass die Schülerinnen der Abschlussklassen über die Förderung durch die Stiftung die Möglichkeit bekommen, sich intensiv auf die anstehenden Prüfungen nach den Pfingstferien vorzubereiten. Sie meint: „Wir haben im Fernlernunterricht gesehen, dass die Schülerinnen und Schüler nicht so arbeiten, wie wir es aus den Präsenz-Phasen kennen. Besonders Schüler, die im Präsenzunterricht schon Schwächen aufwiesen, verloren im Online-Unterricht teilweise gänzlich den Kontakt zum schulischen Lernen. Gerade für die Abschlussschülerinnen bringt das Corona-Sonderförderprogramm jetzt die Option, sie intensiv und gezielt auf die Prüfungen vorzubereiten. Zumal die Prüfungen direkt im Anschluss an die Pfingstferien stattfinden.“

Konrektorin Karin Hiestand
Konrektorin Karin Hiestand | Bild: Martina Wolters

Anka Wiedmann fehlt beim Home-Schooling oft die Nachfragemöglichkeit

Die 15-jährige Zehntklässlerin Anka Wiedmann erzählt, wie schwer es ist, sich von zuhause aus auf die Abschlussprüfung vorzubereiten. Sie berichtet: „Beim Home-Schooling kann ich mich ganz schlecht auf den Prüfungsstoff konzentrieren. Das liegt zum einen daran, dass ich beim Online-Unterricht die Lehrerperson nicht direkt neben mir habe und sie auch nicht persönlich ansprechen kann. Hinzu kommt die oft schlechte Qualität der Internetverbindungen, die zusätzlich am Lernen hindert. In einer Pandemie Prüfungen zu schreiben, ist schon schwierig. Auch, wenn ich außerhalb von Corona genauso selbstständig büffeln müsste, fehlt mir jetzt ganz entscheidend die Nachfrage-Möglichkeit, wenn ich etwas nicht verstehe. Wenn ich dann nicht weiterkomme, verliere ich auch schneller die Motivation, weiter zu lernen.“

Zehntklässlerin Anka Wiedmann, 15 Jahre
Zehntklässlerin Anka Wiedmann, 15 Jahre | Bild: Martina Wolters

Lernbegleiterin Antje Hornung will zu Chancengleichheit beitragen

Antje Hornung freut sich, als Lernbegleiterin etwas zur Chancengleichheit für Schüler beitragen zu können. Sie findet: „An den Lernlücken ist einfach erkennbar, dass es die gleichen Chancen für alle noch nicht gibt. Ich freue mich, dazu etwas beitragen zu können. Ich bin eigentlich von Beruf Juristin und mir macht die Arbeit mit den Schülerinnen sehr viel Freude. Meine Kollegen und ich bieten den Abschlussschülern an drei Nachmittagen Förderung an. Wenn sich meine Tätigkeit hier für die Jugendlichen in schulischem Erfolg niederschlägt, wäre das für mich die Krönung. Ich denke, es ist wichtig, über die Lernbegleitung zu berichten, damit sich andere interessierte Bürgerinnen und Bürger ebenfalls dazu entschließen, unterstützend tätig zu werden.“

Antje Hornung, Lernbegleiterin
Antje Hornung, Lernbegleiterin | Bild: Martina Wolters