Es ist kurz nach zwei. Annika Stehle schließt ihr Fahrrad los. Sie will nach Hause fahren. Die Frage, wie ihre Klausur gelaufen sei, beantwortet sie lächelnd: „Echt gut.“ Die Abiturientin hat den Südausgang der alten Sporthalle benutzt. Der ist für die „Getesteten“. Demgegenüber nutzen diejenigen Abiturienten, die ihre Deutschklausur schreiben, ohne zuvor einen Antigentest durchgeführt zu haben, die Türen an der Nordseite. Und im Inneren des Gebäudes sorgen Hinweisschilder dafür, dass sich die Wege der Ungetesteten nicht mit denen der Getesteten kreuzen.

Begegnet ist Annika Stehle noch niemandem, weil sie sehr früh fertig war mit ihrer Klausur. Das Thema „Geschlechtergerechte Sprache“ habe ihr gelegen. Überdies sei sie recht gut vorbereitet gewesen – trotz Corona. Dass sich die Lehrer mächtig ins Zeug gelegt hätten während der zurückliegenden Home-Schooling-Phasen ist am Dienstag im Bildungszentrum öfter zu hören von den Schülern.
Abiturprüfung auch ohne Corona-Test möglich
Pünktlich um 9 Uhr ging es los. Für 17 Abiturienten des Gymnasiums am Markdorfer Bildungszentrum (BZM) und einen externen Schüler war die Deutschklausur am Dienstagmorgen der Auftakt zur Phase der schriftlichen Prüfungen.
Und schon seit Sonntagmorgen stand fest, wie sich die Schüler in der Sporthalle verteilen, dem Ort ihrer Klausur. Zwölf Abiturienten saßen an den 36 Tischen im größeren Bereich der durch eine mobile Trennwand geteilten Halle und weitere sechs Prüflinge schrieben an den 18 Tischen nebenan.

Eben diese sechs Schüler waren bereits am Sonntagmorgen in der Sporthalle erschienen, um einen Corona-Test bei sich durchzuführen. Die „erweiterte Teststrategie“ an Baden-Württembergs Schulen verpflichtet alle Schüler zu anlasslosen Schnelltests, sofern sie am Präsenzunterricht in den Schulgebäuden teilnehmen wollen.
Sechs Abiturienten haben sich am Sonntag in der Schule getestet
Keine Verpflichtung besteht dagegen für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wenn sie ihre Abschlussprüfungen ablegen. „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, trotzdem einen Test zu machen“, hat Annika Stehle schon am Sonntagmorgen erklärt. Sie gehörte zu jenem halben Dutzend Schüler, das zum freiwilligen Selbsttest erschienen ist.

Die Abiturientin erläutert auch, warum sie die Prozedur mit dem Wattestäbchen, dem Röhrchen mit der Lösung und dem Teststreifen auf sich nimmt: „Das ist doch ein Gebot der Fairness gegenüber den Lehrern und den anderen Schülern“, betont sie.
Auf alle Eventualitäten vorbereitet
Alles negativ, lautete nach einer Viertelstunde Warten das das Testergebnis. Roger Brand, der stellvertretende Schulleiter des BZM-Gymnasiums, hatte auf die Theke des Bewirtungsbereichs in der Sporthalle sämtliche Antigen-Schnelltest-Utensilien bereit gelegt. Er hatte den Schülern außerdem auch die Abläufe beschrieben. Auch für den Fall, dass einer der Teststreifen einen positiven Befund, das heißt den Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus, anzeigen sollte. „Wir haben da eine Vereinbarung mit einer Corona-Schwerpunktpraxis in Oberteuringen getroffen“, erklärt Roger Brand. Dort wäre noch am Sonntag ein PCR-Test durchgeführt worden, um größtmögliche Sicherheit zu bieten. Ist die Fehlerquote beim Selbsttest sei doch relativ hoch.
Schreiben unter Corona-Bedingungen
„Ihr müsst die Masken leider aufbehalten, die gesamten sechs Stunden lang“, erklärt Diana Amann. Und die Direktorin des BZM-Gymnasiums fügt hinzu: „Ich weiß, wie schwer das ist.“ Den zwölf Abiturienten im größeren Teil der Halle rät sie, „öfter mal einen Schluck zu trinken“. Denn beim Essen und beim Trinken dürfen die Schüler ihre Maske kurz absetzen, sodass sie auch die seit der Hallensanierung bestens ausgetauschte Luft ungefiltert einatmen können.
Zu diesem Zeitpunkt, kurz vor Neun, ist das Meiste bereits gesagt. Die Paragrafen aus dem Schulgesetz sind verlesen. Die besagen, dass mit dem Antritt die Prüfung beginnt, Krankmeldungen also vorher erfolgen müssen. Auch jener Paragraf, der erläutert, was alles als Täuschungsversuch gewertet wird. Und ihre Handys haben die Schüler ohnehin schon abgegeben.

Auf den Tischen liegen nur noch Butterbrotdosen, Süßigkeiten, Flaschen und außer den grünen Konzept- und den weißen Prüfungsbögen die Bücher. Je ein Wörterbuch, zudem „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse, Hans-Ulrich Treichels „Verlorener“, Goethes „Faust“ sowie Hoffmanns „Goldener Topf“ – die Texte, auf die sich die Interpretations-Aufgaben der Abiturprüfung Deutsch bezogen haben.
Sechs Stunden dauert dann die eigentliche Prüfung. Sechs Stunden, die die meisten der Schüler auch ganz bewusst ausschöpfen. Danach ist der erste Akt des diesjährigen Abiturs geschafft.