Wer in Sipplingen über keinen eigenen Stellplatz oder keine eigene Garage für sein Auto verfügt, der wird in den Sommermonaten 2021 womöglich das Nachsehen haben. Das vom Gemeinderat verabschiedete Parkkonzept 2.0 untersagt ihm nämlich, sein Fahrzeug auf den öffentlichen Straßen des Dorfes abzustellen. Die Regelung soll zwischen dem 1. Mai und dem 15. September zwischen 9 und 17 Uhr gelten. Dann dürfen Bewohner wie Touristen ihre Autos nur auf den nach Angaben der Gemeindeverwaltung „etwa 142“ markierten Stellplätzen im Ort parken, und das auch nur für maximal eine Stunde mit Parkscheibe.

Diesem Beschluss war eine Debatte vorausgegangen, in der beide Ratsfraktionen zunächst große Bedenken gegen die Regelung angemeldet hatten, um sie dann doch einstimmig zu beschließen. Thomas Biller von den Freien Wähler begründete die scheinbar alternativlose Lage des Gemeinderates: „Wir sind im Zugzwang. Wir müssen etwas zustande bringen.“
„Wenn wir das jetzt nicht beschließen, dann wird es mit einer Realisierung des Parkkonzeptes im Jahr 2021 kritisch. Und durch Corona und die Landesgartenschau in Überlingen werden wir vermutlich im kommenden Jahr wieder die gleiche Situation haben wie in diesem Jahr.“Oliver Gortat, Bürgermeister
Florian Pfitscher, stellvertretender Fachbereichsleiter zentrale Verwaltung in Sipplingen, hatte noch einmal die Ausgangssituation umrissen: Jedes Jahr wieder werde Sipplingen in den Sommermonaten von Tagestouristen überrollt, die die teils engen Straßen des Dorfes zustellten oder auf der Suche nach einem Stellplatz durch Sipplingen irrten. Mit Blick auf den Einsatz von Rettungskräften, denen an etlichen Stellen nicht genügend Platz zur Durchfahrt bleibe, sowie die bisweilen starke Belästigung der Dorfbewohner durch den Park- und Suchverkehr müsse ein Parkkonzept Abhilfe schaffen. Deshalb hätten Gemeinderat und Verwaltung unter Hinzuziehung eines Mitglieds der Straßenverkehrsbehörde im November das nun vorgelegt Parkkonzept 2.0 erarbeitet. Es solle für ein Jahr Bestand haben und dann überprüft werden.
Behörden prüfen, ob Parkkonzept rechtlich einwandfrei ist
„Eine Premiumlösung ist nicht möglich“, sagte Florian Pfitscher in Abwägung der unterschiedlichen Interessen von Geschäftsleuten, Handwerkern, Bewohnern und Touristen. Es sei aber darum gegangen, eine realistische, rechtlich zulässige, umsetzbare und gut zu kontrollierende Lösung zu finden. Grundlage dafür sei die Straßenverkehrsordnung. Pfitscher machte klar: „Nicht wir entscheiden das, sondern die Straßenverkehrsbehörde in Abstimmung mit der Polizei. Sie prüfen, ob unser Parkkonzept rechtlich passt.“
Bislang keine Alternative für Sipplinger selbst
Der Verwaltungsfachmann nahm damit Bezug auf 30 Bürgerkommentare, die der Gemeinde zum vor gut zwei Wochen veröffentlichen Entwurf des Parkkonzeptes 2.0 zugegangen waren. Diese Kommentare entsprachen inhaltlich weitgehend den Wortmeldungen aus dem Publikum in der Bürgerfragen-Viertelstunde. Der Parkzeitraum auf den Stellflächen sei mit einer Stunde zu kurz bemessen, hieß es. Außerdem wurde die Einzeichnung weiterer Parkflächen oder -zonen gefordert. Vor allem forderten Bürger, dass den Sipplingern ohne Stellplatz oder Garage für ihr Auto nicht alternativlos untersagt werden dürfe, ihre Fahrzeuge an der Straße abzustellen. Eine Sipplingerin wies auf die Situation in der Straße Bütze hin: „Wir haben dort 73 Wohneinheiten. Es fehlen Stellplätze und Garagen. Wo sollen die Bewohner ihre Fahrzeuge zukünftig in den Sommermonaten abstellen?“
Dieser Ball wurde von den Sprechern beider im Rat vertretenen Parteien aufgenommen. Jürgen Straub von den Freien Wählern (FW) sagte: „Wir müssen die Einwendungen der Bürgerschaft sehr ernst nehmen.“ Man könne nicht ein Jahr abwarten und dann prüfen, sondern müsse durch weitere Flächen und durch Beschilderungen Erleichterungen schaffen.
Clemens Beirer von der CDU sagte: „Wir müssen Bewohnerparkplätze schaffen und schauen, wo man Parkplätze ausweisen kann, die nicht den Verkehr behindern und die den Anwohnern zugewiesen werden können.“
Günther Völk (CDU) räumte ein, dass rechtlich nicht aus dem ganzen Ort eine Anwohnerparkzone gemacht werden könne. Aber es müsse doch möglich sein, Bewohnerparkplätze zu schaffen.
Thomas Biller (FW) legte den Finger in die Wunde: „Es geht nicht, dass Eigentümer ihre Garagen als Lagerraum oder anderweitig nutzen und dann auf öffentlichen Straßen Stellflächen ausgewiesen haben wollen.“ Hier sei nachbarschaftliches Handeln gefordert und ein jeder müsse prüfen, ob er nicht seinen Nachbarn Parkraum zur Verfügung stellen könne. „Vielleicht müssen wir die Bebauungsplan-Vorgaben ändern, sie verschärfen. Das ist ein Stück Neuland und ein dynamischer Prozess.“
Gortat warnt vor dem Sommer 2021 mit Landesgartenschau
Bürgermeister Oliver Gortat nahm Anregungen aus den Meinungsbeiträgen auf. Die ursprünglich anvisierte Dauer der neuen Parkvorschriften vom 1. April bis zum 30. September könne sicherlich auf die Zeit vom 1. Mai bis zum 15. September reduziert werden. Auch versprach er, dass im Einzelfall geprüft werde, wo es möglich sei, Parkflächen für Bewohner auszuweisen. Vielleicht könne ein Schild „Anlieger frei“ in der Straße Bütze für Entspannung sorgen, nahm er die Anregung von Caroline Fruchtzweig (FW) auf. Erst einmal gehe es aber darum, ein Parkkonzept zu verabschieden, das den Behörden zur Prüfung vorgelegt werden könne. „Wenn wir das jetzt nicht beschließen, dann wird es mit einer Realisierung des Parkkonzeptes im Jahr 2021 kritisch. Und durch Corona und die Landesgartenschau in Überlingen werden wir vermutlich im kommenden Jahr wieder die gleiche Situation haben wie in diesem Jahr“, warnte Gortat.
So beschloss der Gemeinderat schließlich einstimmig das vorgelegte Parkkonzept mit der zeitlichen Eingrenzung vom 1. Mai bis 15. September. Die Verwaltung nahm die Aufgabe mit zu prüfen, wo es vereinzelt möglich ist, Bewohnern dennoch das Parken zu ermöglichen.