Sipplingen hat eine neue Attraktion: Der Hagel vom 1. Juli hat seine Spuren hinterlassen. Zerstört hat er wohl nichts, doch die Einsatzkräfte haben die Massen an drei bis vier Zentimeter großen Körnern zu drei ansehnlichen Haufen aufgeschüttet. In Anbetracht der frostigen Hagelhügel in der Hitze könnte man denken, die Sonne scheint nicht nur, sie schneit auch. Passanten, Touristen und Bürger sind fasziniert von den Hagelkörnern bei hochsommerlichen Temperaturen.
Wie Schnee im Sommer
Peter Schäfer etwa reibt sich mit den kalten Kügelchen direkt über die schweißnasse Haut. Mit dem Fahrrad ist er aus Bodman nach Sipplingen gefahren. „Ich wollte einen Kumpel hier besuchen“, erzählt er. Doch auf halbem Weg drehte er in Anbetracht des nahenden Gewitters wieder um. „Eine halbe Stunde später bekomme ich ein Video, was hier los ist“, schildert Schäfer. Als sich die Lage beruhigt hatte, stieg er wieder aufs Rad.

Auch Angelika Schneidewind aus Radolfzell hat im Internet davon erfahren und ist eigens nach Sipplingen gefahren, um die Hügel mit eigenen Augen zu sehen. „Überall ist Gletscherschmelze und hier entsteht einer“, sagt sie.
Spuren nur noch zu erahnen
Wenn man nicht wüsste, dass gestern für eine halbe Stunde die Welt in Sipplingen unterzugehen schien, man würde die Spuren im Ort nicht bemerken. Die Unterführung unter der B31 etwa wirkt zwar noch feucht, aber von den Fluten des Vortages ist nichts mehr zu sehen. Der aufgeschüttete Hagel taut in der Sonne und so schwinden auch die letzten Zeugnisse des Hagelschauers.

Die Hanglage des Ortes beschere zwar den meisten Sipplingern Seesicht, im Fall von Starkregen sei die jedoch eine Herausforderung, sagt Hauptamtsleiter Christoph Huber. Zwischen 11.07 Uhr und 12.35 Uhr verzeichnete die Feuerwehr wegen des Hagelschauers 14 Einsätze. 50 Einsatzkräfte waren im Einsatz. Was die Schäden angeht, meldet Huber: „Bei den öffentlichen Gebäuden sind derzeit keine größeren Schäden bekannt.“ In der Tourist-Information sei etwas Wasser in die Kellerräume eingedrungen ebenso in der Aula der Schule hat sich etwas Wasser gesammelt, das jedoch ohne Auspumpen entfernt werden konnte.

Die Reinigungs- und Aufbauarbeiten dauern laut Huber weiter an. Dazu zählt insbesondere das Freiräumen und Säubern von Gullydeckeln und Schächten. Bei Metzger Rico Zickmantel sind Spuren des Unwetters geblieben.
In kürzester Zeit stand das Wasser im Keller
Zickmantel berichtet, dass die Fluten seinen Keller erfassten. „Innerhalb kürzester Zeit standen 15 Zentimeter Eis im Keller“, sagt er. Glücklicherweise stünden die Kühlgeräte erhöht, sodass das Wasser sie nicht erreichen konnte.
„Innerhalb von 10 Minuten wurde alles dunkel und es floss hier in einer Schicht runter“, schildert der Metzger. Auch habe er Angst gehabt, die umliegenden Autos würden demnächst mitgerissen. Die Blumen seiner Nachbarin fielen dem Hagel zum Opfer. „Wir konnten nicht vor die Tür gehen, das hätte sehr wehgetan“, schildert der Metzger. Seinen Keller lässt er nun die ganze Zeit geöffnet. Eine Kühlmaschine sei kaputt, allerdings nicht wegen des Hagels, sondern wegen der Hitze.

„Winterpeeling im Sommer“
Das Hotel Seeliebe steht prominent an der Seestraße. Vor dem Eingang türmte sich der Hagel und es floss das Wasser herab. Rezeptionistin Jasmin Gilch hat sich von den dunklen Wolken nicht die Laune trüben lassen, eher im Gegenteil. Sie schildert: „Die Gäste kamen zu mir, es waren etwa sieben – uns ist nicht passiert, aber den Blumen.“

Gemeinsam haben sie Kaffee getrunken und aus dem sicheren Innenraum den Wassermassen zugeschaut, die durch die Rathausstraße spülten. Währenddessen ließ Gilch das Lied „Happy“ von Pharrell Williams laufen und kommentiert: „Wenn die Welt schon untergeht, dann lustig.“ „Winterpeeling im Sommer“, so nennt die Rezeptionistin den Hagel, denn kaum eine halbe Stunde danach habe wieder die Sonne geschienen, als wäre nichts gewesen.
Auto sucht Schutz unter Markise
Auch bei Alwin Beirer und seinem Lebensmittelgeschäft lief alles glatt. „In der Garage hat es etwas getropft“, sagt der 73-Jährige. Als der Himmel zuzog, habe er vier Kunden im Geschäft gehabt. Er empfahl ihnen zu warten, da braue sich etwas zusammen, erzählt er.

Plötzlich habe er ein Rumpeln gehört. Ein Auto habe Schutz unter seiner Markise gesucht, berichtet der Händler. Doch der Fahrer sei schnell wieder zurückgefahren. Die Wassermassen haben derweil den nahegelegenen Gully aus der Straße gehoben und der Hagel füllte die Kanalisation. Nach etwa einer halben Stunde sei dann aber auch alles wieder vorbei gewesen.