Pro Sperrung: Das Landratsamt handelt fahrlässig
Keine Seegemeinde am Überlinger See hat eine Uferanlage, die mit der von Sipplingen vergleichbar ist: Kostenlose Liegeflächen ohne Zugangssperren, zwei attraktive Spielplätze, zwei Restaurants mit Kiosken und Parkplätze in Seenähe. Die Konsequenz einer vom Gemeinderat einst so beschlossenen Uferanlage: In den Sommermonaten wird das Dorf von Tagesgästen aus Tuttlingen, Pfullendorf oder Villingen-Schwennigen überrannt. Als Sipplinger weiß ich: Es ist hier dann rappelvoll, auch zu Coronazeiten. Abstand halten – wo denn? Die Aufhebung der Sperrung mit dem Verweis auf Konzepte andere Seegemeinden zu begründen, hinkt und ist deshalb fahrlässig. Kritiker sollten sich vor Ort ein Bild machen.
„Wer dem Bürgermeister in den Arm fällt, sollte ihm also ganz schnell sagen, wie er nicht nur seine Gemeinde anders schützen kann.“Michael Schnurr
Es ist mehr gefragt, als eine behördliche Aufhebung des Verbots. Nach Sipplingen kommen gerade die Menschen, die am Ufer verweilen wollen. Oliver Gortat hatte notgedrungen die Reißleine gezogen, nun wurde sie ihm alternativlos gekappt. Ein an Covid-19 Erkrankter unter den viel zu dicht liegenden Gästen beschert nicht nur Sipplingen ein Riesenproblem. Ohne Möglichkeiten der Nachverfolgung kann sich aus einem lokalen schnell ein regionaler Hotspot entwickeln. Wer dem Bürgermeister in den Arm fällt, sollte ihm also ganz schnell sagen, wie er nicht nur seine Gemeinde anders schützen kann.
Contra Sperrung: Das Ende der Kirchturmpolitik
Wer noch nicht verstanden hat, dass wir in einer globalisierten Welt leben, der merkt es spätestens seit Beginn der Corona-Krise. Das Virus überwindet problemlos Kontinente. Schon von daher ist es ratsam, lokales Denken aufzugeben. Wenn Sipplingens Bürgermeister Oliver Gortat mit einer Sperrung des Bodenseeufers am Wochenende dem Virus innerhalb seiner Gemeindegrenzen Einhalt gebietet, hält er zwar den Namen des schönen Tourismusdorfes clean. Er verlagert die Problem aber nur über die Dorfgrenze hinaus. Wenn, dann müsste der Schulterschluss aller erfolgen, zum Beispiel als Vorgabe vom Land.
„Vielmehr stellt sich die Frage, warum Gortat nicht von Anfang an über die Parkplätze den Besucheransturm regelte? Funktioniert doch.“Stefan Hilser
Doch das Baden an diesen heißen Tagen gänzlich verbieten? Das wäre unverhältnismäßig. Das Landratsamt als Kreispolizeibehörde entschied nicht im Sinne der Dorfbewohner von Sipplingen, sondern im Sinne eines größeren Kreises, und hob die Sperrung mit Recht auf. Vielmehr stellt sich die Frage, warum Gortat nicht von Anfang an über die Parkplätze den Besucheransturm regelte? Funktioniert doch. Er sperrt seit diesem Wochenende nur die aus, die mit dem Auto kommen, gibt aber denen einen Platz, die entweder im Dorf wohnen oder mit Fahrrad und Zug anreisen. Das ist im Sinne seiner Bürgerinnen und Bürger. Und er leistet einen Beitrag zum Klimaschutz, noch so ein globales Ding.