Levin Giesler aus Sipplingen sitzt barfuß am Klavier, inmitten des Karlsruher Hauptbahnhofs. Er trägt eine bunte Kappe, vorn ist der Kopf einer Katze aufgedruckt. Der Zehnjährige wirkt ruhig, beinahe versunken in seiner eigenen Welt. Die zuvor noch hektischen Passanten um ihn herum halten inne. Es kehrt Ruhe ein, während die Melodie von „Kiss the Rain“ die Bahnhofshalle flutet.

Dieser eindrucksvolle Moment war Teil von Levins Auftritt bei der TV-Show „The Piano“, die aktuell beim Fernsehsender Vox ausgestrahlt wird. Dort hatte der heute Elfjährige die Chance, seine Leidenschaft mit einem Millionenpublikum zu teilen. Welche Tragweite sein Konzert tatsächlich haben würde, ahnte der Junge zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Levin Giesler musiziert nach Gehör

„Als ich das erste Mal am Klavier saß, war es schon ein Teil von mir“, erinnert sich Levin Giesler. Der Elfjährige spielt nach Gehör und hat bereits mehr als 50 Lieder in seinem Repertoire, wie er bei einem Treffen mit dem SÜDKURIER berichtet. Von Klassik bis Pop ist alles dabei.

Zum Klavier gekommen ist Levin durch einen Bekannten seiner Eltern vor etwa drei Jahren. Dort war er mit zu Besuch und durfte sich das erste Mal an ein Klavier setzen. Innerhalb einer halben Stunde habe er darauf ein Lied von Helene Fischer nachgespielt, erinnert sich Vater Holger Giesler.

Von diesem Moment an war klar: Levin will Klavierunterricht nehmen. Allerdings entschied er sich gegen die klassische Ausbildung an einer Musikschule und lernte stattdessen bei einer Musiklehrerin, nach Gehör zu spielen. Inzwischen hat Levin auch begonnen, Noten zu lernen. „Aber ich werde immer nach Gehör spielen“, versichert er.

Noten lernen wollte er anfangs nicht. Levin Giesler spielt Klavier nach Gehör.
Noten lernen wollte er anfangs nicht. Levin Giesler spielt Klavier nach Gehör. | Bild: Maike Stork

Der Weg auf die Bühne

Es dauerte nicht lange, bis Levin das erste Mal zu einem Konzert eingeladen wurde. Bei einem Fest in Uhldingen durfte er im Mai 2022 seine Klavierkünste vor Publikum präsentieren. „Ein bisschen aufgeregt war ich schon“, gab Levin in einem Gespräch mit dem SÜDKURIER im Juni 2023 zu. „Aber es hat sehr viel Spaß gemacht.“

Inzwischen ist der barfüßige Junge mit der Kappe zu einer bekannten Figur in der Region geworden. Barfuß am Klavier zu sitzen ist eines seiner Markenzeichen. „So spüre ich die Pedale besser und habe ein gutes Bodengefühl“, erklärt er. Auch die Schildmütze ist ein fester Bestandteil seines Auftretens. Selbst mit dem Rektor der neuen Schule habe er verhandelt, die Mütze während des Unterrichts tragen zu dürfen, so der Elfjährige.

Immer dabei ist das Accessoire auch, wenn Levin bei Festivals und Konzerten auftritt oder auf öffentlichen Plätzen in Konstanz, Langenargen oder Bregenz spielt. Er freue sich, wenn er die Menschen mit seiner Musik begeistern kann, so der Elfjährige.

An dem Flügel in seinem Kinderzimmer spielt Levin fast täglich.
An dem Flügel in seinem Kinderzimmer spielt Levin fast täglich. | Bild: Maike Stork

Zwei Stars hören Levin beim Spielen zu

Begeistert waren auch die Zuschauer in Karlsruhe. Unter dem Vorwand, ihn zu einem Bahnhofskonzert einladen zu wollen, hatten Vertreter des Filmunternehmens UFA die Familie damals kontaktiert. „Wir sind ohne große Erwartungen hingefahren“, erinnert sich Vater Holger Giesler.

Was sie später erfuhren: Sänger und Songwriter Mark Forster und Pianist Igor Levit beobachteten Levin und die anderen Künstler heimlich von einem versteckten Ort aus. Dabei entpuppte sich besonders Levit als großer Fan des Zehnjährigen: „Ich finde ihn spitze“, kommentierte der Pianist hinter den Kulissen.

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Doch das ist nicht alles. Für einige Talente halten Mark Forster und Igor Levit noch eine weitere Überraschung bereit: Sie wählen jeweils einen Kandidaten pro Drehort aus, der mit ihnen gemeinsam ein Konzert in der historischen Stadthalle von Wuppertal spielen darf. Wer zu den Auserwählten gehört, wird am Ende jeder Folge bekannt gegeben.

Erste eigene Werke komponiert

Neben dem Klavierspielen hat Levin auch das Singen für sich entdeckt. „Ich finde es schön, mit der Stimme etwas zu begleiten“, sagt er. Zudem komponiert er eigene Stücke. Eines seiner Werke – es heißt „Levins Way“ – habe er während eines Besuchs der Oma komponiert. „Ich hatte die Melodie im Kopf und dann einfach ein bisschen probiert“, sagt er.

'Levins Way' heißt das Stück, das der Elfjährige selbst komponiert hat Video: Maike Stork

Melodien im Kopf, das hat Levin Giesler öfter. In der Dusche zum Beispiel. Oder, wenn er abends im Bett liegt. „Manchmal ist er um 9 Uhr im Bett und um 10 Uhr geht das Licht wieder an“, berichtet Holger Giesler und lacht. „Dann setzt er sich ans Klavier und probiert etwas Neues.“

Levin Giesler aus Sipplingen komponiert eigene Lieder auf dem Klavier.
Levin Giesler aus Sipplingen komponiert eigene Lieder auf dem Klavier. | Bild: Maike Stork

Und wenn Levin gerade nicht Klavier spielt oder eigene Lieder komponiert, trifft er sich mit Freunden, spielt Tischtennis und springt Trampolin, wie er berichtet. Seit diesem Schuljahr besucht der Elfjährige das Gymnasium in Stockach. Dort habe er die Möglichkeit, im Fach Musik Abitur zu machen, sagt er.

Der Traum vom Berufsmusiker

So kann Levin Giesler seinen großen Traum auch in der Schule weiterverfolgen: „Ich würde gern Pianist werden und Konzerte geben“, sagt der Elfjährige. Noch in diesem Jahr plant er, eine eigene CD herauszubringen. Außerdem möchte er sich einen Künstler-Account auf Spotify einrichten. Doch für seinen Traum vom professionellen Musikerleben braucht es auch Unterstützung. „Wir suchen einen Manager, der sich in der Branche auskennt“, erklärt Holger Giesler.

Levins Eltern Yulia und Holger Giesler mit Tochter Smilla Marie.
Levins Eltern Yulia und Holger Giesler mit Tochter Smilla Marie. | Bild: Maike Stork

Und ob Levin zu den Auserwählten gehört, die in Wuppertal ein Konzert spielen dürfen, erfahren Zuschauer in der dritten Folge von „The Piano“, die am Dienstag, 8. Oktober ab 20.15 Uhr auf Vox ausgestrahlt wird.