Gerhard Reinhold wohnt in der Straße Bütze in Sipplingen und ist verärgert. Die Erhebung der Gemeinde Sipplingen, mit der sie den Bedarf an Parkraum im Dorf ermitteln will, stößt ihm sauer auf. Deshalb hat er in einem Brief an Bürgermeister Oliver Gortat „Widerspruch gegen Auswahlverfahren und Fristsetzung zum Parkraumkonzept der Gemeinde Sipplingen“ eingelegt.
Der Brief liegt auch der Redaktion des SÜDKURIER vor. Der Widerspruch hat keine rechtliche Auswirkung, wie die Gemeinde auf Anfrage des SÜDKURIER mitteilt, aber er wirft Fragen auf.
Wer darf in Sipplingen Bedarf an Parkraum anmelden?
Gerhard Reinhold will zum Beispiel wissen, wer alles Bedarf an Parkraum anmelden kann? Nur „Bürger“ oder auch „Besitzer von Ferienwohnungen, Zweitwohnungen oder Mieter“? Die Verwaltung konkretisiert, gegenüber dem SÜDKURIER, worum es ihr geht: „Bei der aktuellen Bedarfsabfrage ist es uns wichtig, dass sich alle zurückmelden, die keine Garage, Carport, Stellplätze oder ähnliches haben und (bei denen) eine Errichtung auf dem Grundstück nicht möglich ist.“
Allerdings sei zu beachten, „dass eine Garage rechtlich klar als Platz zum Abstellen von Kraftfahrzeugen definiert ist“. In der Realität werde diese oftmals als „Rumpelkammer“ verwendet. Mit anderen Worten: Wer seine Garage zweckentfremdet, kann keinen Bedarf anmelden.
Im Aufruf der Gemeinde heißt es weiter, „dass bei Bürgern, bei denen nachweisbar keine privaten Stellplätze zur Verfügung stehen …, und die in keiner zumutbaren Entfernung einen Parkplatz finden, zusätzlich die Errichtung von Bewohnerparkzonen … geprüft werden soll“. Doch was ist unter „zumutbar“ zu verstehen und was heißt das genau, will Gerhard Reinhold wissen.
Bewohnerparkvorrechte, wenn Mangel und Parkdruck bestehen
Eine erste Antwort gibt die Straßenverkehrsordnung in Paragraf 45. Dort wird im Zusammenhang mit Bewohnerparkzonen von „ortsüblich fußläufig zumutbarer Entfernung“ von der Wohnung zum Stellplatz gesprochen.
Viel bedeutsamer scheint aber die vorangestellte Formulierung: „Die Anordnung von Bewohnerparkvorrechten ist nur dort zulässig“ heißt es im Paragraf 45, Absatz 1, „wo mangels privater Stellflächen und auf Grund eines erheblichen allgemeinen Parkdrucks der Bewohner des städtischen Quartiers regelmäßig keine ausreichende Möglichkeit haben … einen Stellplatz für ihr Fahrzeug zu finden.“

Hiervon kann in Sipplingen bei all denjenigen ausgegangen werden, die, ohne eine Garage oder ähnliches zu besitzen, in den Sommermonaten durch das neue Parkkonzept ihren Stellplatz auf öffentlichen Straßen verlieren.
Das Gesetz schränkt allerdings die Regelung ein: Werktags darf zwischen 9 und 18 Uhr nicht mehr als 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Fläche für Bewohner reserviert werden, in der übrigen Zeit nicht mehr als 75 Prozent.
Straßenverkehrsbehörde in Überlingen prüft Gegebenheiten
Doch das ist nicht alles: Auch wenn diese Voraussetzungen bestehen, kann es möglicherweise schwierig sein, eine Bewohnerparkzone auszuweisen. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde in Überlingen muss nämlich die örtlichen Besonderheiten vor Ort, den vorhandene Parkdruck und vor allem den Gemeinbrauch einer Straße zueinander in Beziehung setzen.
Wird Bedarf an Parkraum oder Gemeinbrauch höher bewertet
Mit anderen Worten: Was hat letztlich größeres Gewicht, der Bedarf an Parkraum für Bewohner oder der gesetzlich fixierte Gemeinbrauch einer Straße? Dieser Gemeinbrauch besteht darin, „dass man auf ihr (der Straße) ohne Beschränkungen zunächst nach Belieben fahren und parken darf“.
Schlussendlich muss die Behörde noch die baulichen Gegebenheiten vor Ort prüfen, denn einschränkend kommt hinzu, dass laut Paragraf 12 der Straßenverkehrsordnung grundsätzlich dort nicht geparkt werden darf, wo eine Durchfahrtsbreite von 3,05 Metern unterschritten wird. Diese Zahl ergibt sich aus der Rechtsprechung. In der Straßenverkehrsordnung ist nur von „engen Straßenstellen“ die Rede, sie wird durch Gerichtsurteile als „übliche Breite eines Fahrzeuges von 2,55 Meter zuzüglich einer Breite 0,50 Meter“ konkretisiert.
Nur der erste Schritt auf dem Weg zu Bewohnerparkzonen
Wenn die Gemeinde Sipplingen also gegenwärtig fragt, wer keine Garage, Carport, Stellplätze oder ähnliches hat, dann ist dies nur der erste Schritt auf dem Weg zur Ausweisung einer Bewohnerparkzone.
Im Schreiben an den SÜDKURIER heißt es dazu: „Nach Auswertung der Rückläufe ist angedacht, dass Betroffene in Sipplingen von den Parkraum-Bewirtschaftungsmaßnahmen (hierunter fällt zum Beispiel die Auslegung einer Parkscheibe) freigestellt werden und dass Bewohner in bestimmten Zonen auf den markierten Parkflächen unbegrenzt parken dürfen, sofern sie einen Parkberechtigungsschein ausgelegt haben.“
Ob dies so kommen wird, hat die Straßenverkehrsbehörde in Überlingen zu entscheiden. Ihr will die Gemeinde das eventuell durch Bewohnerparkzonen modifizierte Parkkonzept in der ersten Februarhälfte zur Genehmigung vorlegen.
Bleibt nachzutragen, dass von der Gemeinde laut Schreiben an den SÜDKURIER „der Bereich ‚Bütze‘ unabhängig von dem Schreiben (von Gerhard Reinhold) bereits thematisiert worden war und man sich mit der Hausverwaltung der Terrassenhäuser im Austausch“ befinde. Gerhard Reinhold hatte in seinem Brief übrigens von „95 Wohnungen“ geschrieben, „fast ausschließlich Zweit- und Ferienwohnungen“.